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Dr. Bernd Buchholz
Wo steht Schleswig Holstein in zwei Jahren?

Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins zu relevanten Zukunftsfragen.

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Es scheint, dass Schleswig-Holstein als Gewinner der Pandemie hervorgehen kann. Küstenhotels, Ferienwohnungen, Gastronomie durchleben eine nichtgeahnte Boomphase. Immobilienpreise klettern überprozentual schnell empor und die Zahl der Touristen steigt weiterhin rasant…

Bernd Buchholz … da wäre ich etwas vorsichtiger, immerhin hatte ein erheblicher Teil unserer Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe das gesamte erste Quartal geschlossen. Von der Veranstaltungsbranche einmal ganz zu schweigen. Wahr ist aber natürlich, dass wir angesichts guter Inzidenzwerte früher durchstarten konnten oder über Tourismus-Modellprojekte wie in Eckernförde oder in der Schlei-Region auch mutig vorangegangen sind. Ein echtes Boom-Jahr wurde 2021 aber trotzdem nicht mehr. Die Pandemie ist noch nicht vorüber.

Wo steht Schleswig-Holstein in zwei Jahren?

Bernd Buchholz Wir werden – hoffentlich – wieder ein überdurchschnittliches Bruttoinlandsprodukt und hohe Beschäftigungszahlen vorweisen können und das ansonsten im Süden der Republik starke Wachstum diesmal im Norden einfahren können.

Wie kann der Tourismus sicherer werden und eine stabile Konstante bekommen?

Bernd Buchholz Indem wir hier im echten Norden unseren bisherigen erfolgreichen gemeinsamen Kurs fortsetzen. Dieses bedeutet für uns alle auch weiterhin Impfen und Testen, aufeinander achtgeben und dies überall – zuhause, am Urlaubsort und natürlich immer vor dem Betreten von Gaststätten, Veranstaltungsorten und allen anderen öffentlichen Bereichen.

Die Deutsche Bahn plant für Hamburg und SH. eine gravierende Verbesserung der Infrastruktur mit einer Rekordsumme von fast 700 Millionen Euro. Allein auf der Strecke zwischen Hamburg und Westerland auf Sylt sollen 50 Kilometer Gleise und etliche Weichen erneuert werden. Wird  es zu Totalsperrungen kommen und werden die Baumaßnahmen mit den Urlaubszeiten abgestimmt?

Bernd Buchholz Natürlich wird es immer wieder zu Beeinträchtigungen kommen, aber ebenso selbstverständlich tun wir alles, um die Auswirkungen so milde wie möglich zu halten. Das heißt: wir stimmen uns mit der DB genau ab, um gerade für die Berufspendlerinnen und Pendler den Nahverkehr möglichst flüssig zu halten. Für die Unannehmlichkeiten bitte ich schon jetzt herzlichst um Verständnis. Aber die Tatsache, dass wir hier Millionen investieren müssen, ist dem Umstand geschuldet, dass über Jahrzehnte zu wenig an der Infrastruktur gearbeitet wurde, um nicht zu sagen, dass man viele Verkehrswege in Schleswig-Holstein schlicht kaputtgespart hat – übrigens völlig unabhängig von den jeweiligen Regierungen.     

Aber nicht alle Bereiche sehen so rosig aus. Der Werften-Industrie fehlen Aufträge. Wie kann die Landesregierung hier helfen?

Bernd Buchholz Leider nur begrenzt – nämlich indem wir unseren Einfluss etwa bei denjenigen geltend machen, die über öffentliche Aufträge verfügen. Genau deshalb habe ich an die Verteidigungsministerin appelliert, die Flotte unserer Bundesmarine oder auch alle anderen Behördenschiffe JETZT flott zu machen und sämtliche anstehenden Aufträge rasch vorzuziehen. Damit wäre der Werftenlandschaft schon enorm geholfen. Aber wir selbst in Schleswig-Holstein verfügen – abgesehen von einigen Polizei- und Küstenschutzbooten – nun einmal über keine eigenen Schiffe.

Wie schätzen Sie die gesamtwirtschaftliche und momentane gesellschaftliche Ausgangslage in Schleswig-Holstein ein?

Bernd Buchholz Ich glaube, dass man in Schleswig-Holstein nach über vier Jahren Jamaika-Regierungskoalition deutlich besichtigen kann, dass es an vielen Stellen im Land kräftig vorangeht. Das gilt etwa für den Breitband-Ausbau mit Glasfaser, wo wir bundesweit eine einsame Spitzenposition haben, aber auch bei Straßen und Radwegen, sowie bei der Schienen-Infrastruktur. Zudem ist es aus meiner Sicht gelungen, dem Land ein Image zu geben, das beweist: Hier sind Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze, sondern bilden eine glückliche Allianz. Da denke ich etwa auch an den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien oder den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft im Schulterschluss mit den anderen Küstenländern. Natürlich gibt es auch Bereiche, in denen wir noch Luft nach oben haben – etwa bei der Digitalisierung.

Wie sehen die strategischen Ziele für die Wachstumspfade der Maritimen Wirtschaft, der erneuerbaren Energien, der Medizintechnik oder der Ernährungswirtschaft, die das Land prägen, aus?

Bernd Buchholz Weder ich als Politiker noch das Land selbst können ja als Investoren auftreten und damit Zielmarken setzen. Wir können nur Rahmenbedingungen schaffen, damit es für Menschen attraktiv und lohnend ist, hier zu investieren, hier zu arbeiten, hier zu leben oder hier Urlaub zu machen.

Und damit sind wir beispielsweise wieder beim Punkt Infrastruktur: Nur, wenn die Verbindungen intakt sind – und damit meine ich echte Straßen und Schienen ebenso wie Datenautobahnen – werden sich Unternehmen hier ansiedeln. Da sind wir gut unterwegs, allerdings müssen wir industriepolitisch mehr tun, weil der Anteil dieses Sektors in unserer Wirtschaft einfach zu gering ist. Das ist der Grund für unsere massiven Bemühungen, im Bereich der erneuerbaren Energien etwa eine industrielle Produktion von Wasserstoff aus Windstrom aufzubauen oder die Produktion von Batteriezellen aufzunehmen.

Wie würden Sie die wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein am besten beschreiben?

Bernd Buchholz Als extrem – das eine geht ohne das andere nicht. Wir sind eine Metropolregion. Der Wirtschaftsraum im Norden ist ein Wirtschaftsraum und darum müssen wir diesen Wirtschaftsraum auch gemeinsam weiterentwickeln, wenn wir erfolgreich bleiben wollen.

Wo liegen die momentanen Schwächen des Landes?

Bernd Buchholz Das historisch bedingte Fehlen industrieller Bereiche hatte ich bereits genannt – schließlich war Schleswig-Holstein über Jahrhunderte ein reines Agrarland ohne nennenswerte Bodenschätze, die im Süden der Republik die heutigen Industrien erst möglich gemacht haben. Damit einher geht bei uns natürlich ein Mangel an Forschung und Entwicklung. Unsere mehr als 120.000 Mittelstandsbetriebe sind stark und leistungsfähig – und sorgen auch aktuell in der Corona-Pandemie dafür, dass uns Rezessionen nie so hart treffen wie Bundesländer mit einem hohen Industrie-Anteil. Aber kaum ein Mittelständler bei uns hat die kritische Masse, um eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen aufzubauen. Da helfen wir natürlich über unsere Technologie-Netzwerke wie der WT.SH oder auch über unsere mit Hamburg gemeinsam betriebene Cluster-Agentur „Life Science Nord“.  

Welche Chancen sehen Sie für die Zukunft?

Bernd Buchholz Vor allem die Chance, das Mega-Thema ­Klimawandel ideologie- und angstfrei so zu nehmen und zu nutzen, dass wir davon technologisch und am Ende auch wirtschaftlich profitieren.

 

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