Business & Money
Patrick Bach
Vom Kinderstar zur TV-Legende
Du hast schon als Kind mit der Schauspielerei begonnen. Wie kam es dazu und wie haben deine Eltern darauf reagiert?
Patrick Bach Meine Mutter war Regieassistentin, sie kam also aus der Branche, und wie ich dazu gekommen bin, hat eigentlich eine kleine Vorgeschichte. Ich war mal für Rudi Carrell in einem Kinderchor im Hintergrund, als Werbung für Spanier Orange gemacht wurde. Alle Kinder haben gesungen, aber ich war das einzige Kind, das gegessen hat. Ich hatte eine Orange in der Hand und während alle sangen, habe ich einfach mal reingebissen. Das fand Rudi Carrell damals sehr amüsant und er fragte mich dann, ob ich in seine Sendung kommen möchte. Das war 1977, als er die Sendung „Am laufenden Band“ gemacht hat. Ich sagte also nach dem Werbespot zu meiner Mutter: „Rudi ruft noch an, der wollte irgendwas wissen.“ Und meine Mutter dachte, Rudi sei irgendjemand aus der Schule oder so. Dann klingelte das Telefon – es war Rudi Carrell. Und so kam ich dann in seine Sendung. Ein Jahr später kam „Timm Thaler“, wo meine Mutter schon Regieassistentin bei Sigi Rothemund, dem Regisseur, war. Ein Jahr später casteten sie unter anderem in Hamburg – auch in München und Berlin – für die Rolle des Silas. Das war meine erste Serie.
Diese Rolle in der gleichnamigen Fernsehserie „Silas“ machte dich dann auch über Nacht berühmt. Wie hast du diese plötzliche Bekanntheit in so jungen Jahren erlebt?
Patrick Bach Das waren damals Zeiten, in denen wir Einschaltquoten irgendwo jenseits der 50 Prozent hatten. Dadurch hatte man eine enorme Popularität zu der Zeit, die man heute wahrscheinlich nur noch als Influencer erreichen würde. Ich bin da relativ bodenständig mit umgegangen, obwohl es für mich mit 12 Jahren nichts war, was man in diesem Alter normalerweise erlebt. Aber die ganze Schule, meine Klassenkameraden, waren sehr fair und fein und fanden das irgendwie ganz spannend. Ich habe mich nicht als etwas Besseres gefühlt. Im Grunde genommen fand ich das am Anfang alles ganz witzig, dass ich auf der Straße erkannt wurde. Die Leute wollten Autogramme, einen anfassen, Fragen stellen und so weiter.
War es immer so?
Patrick Bach Es kam irgendwann der Punkt, an dem es mir keinen Spaß mehr machte, weil es zu anstrengend wurde. Heute ist es eine ganz lustige Geschichte, früher war es natürlich nicht so lustig, dass die BRAVO meine private Adresse damals als Autogrammadresse abgedruckt hat. Das führte dazu, dass wir im Schnitt 2000 Briefe pro Tag bekamen. Der Postbote sagte irgendwann, er werde die Säcke nicht mehr täglich vorbeibringen und bat uns, sie selbst abzuholen. Gleichzeitig standen vor unserer Tür immer 30 Mädchen, die kreischend mit einer Silas-Platte in der Hand meinen Namen riefen oder sogar im Garten übernachteten.
Wie ist das heute?
Patrick Bach Das ist zum Glück alles vorbei und auch der Vorteil, wenn man älter wird. In unserem Alter kreischt man halt nicht mehr, wenn man ein Autogramm von jemandem möchte – sei es auf einem Konzert oder wenn man einen Schauspieler trifft. Ich bin auch nur noch relativ selten im Fernsehen zu sehen, was nicht daran liegt, dass ich nicht möchte, sondern weil der Job schwieriger geworden ist. Es gibt einfach weniger Engagements und Rollen für viel mehr Schauspieler.
Wie hast du dein Leben nach dem Erfolg von Silas verändert? Und hast du die Schauspielerei danach anders wahrgenommen?
Patrick Bach Nach den großen Serien wie „Silas“ und „Jack Holborn“ war ich tatsächlich ein wenig müde vom Filmen und Drehen und wollte das erstmal nicht mehr. Ich wollte auch immer mein Abitur machen und die Schule beenden. Ich habe jedoch nie damit gehadert, nochmal etwas zu drehen. Ich habe zum Beispiel noch mit Karl Dall, Rolf Milser und Jürgen Hingsen eine Komödie auf Mallorca gedreht, „Drei und eine halbe Portion“. Zwischendurch habe ich während meiner Dreharbeiten sukzessive immer etwas für die Schule gemacht. Dann kam „Anna“, und mit „Anna“ kam auch das Abitur. Nach dem Abi hatte ich noch keinen richtigen Plan und dachte: „Prima, dann drehe ich jetzt nochmal etwas.“ Ich wollte allerdings nicht Schauspieler werden, auch wenn es mir immer Spaß gemacht hat. „Silas“ und „Jack Holborn“ waren so ein bisschen Abenteuer, Ponyhof, Piraten und ich dachte gleichzeitig immer, irgendwann mache ich wahrscheinlich etwas anderes.
Gibt es eine Art von Rolle, die dir besonders liegt oder die du besonders gerne spielst?
Patrick Bach Wie viele Schauspieler würde ich sagen, dass es die nicht wirklich gibt, genauso wenig wie die Lieblingsproduktion. Es war nicht „Silas“, „Jack Holborn“ oder „Anna“. Eine der besonderen Produktionen war für mich „Die Baskenmütze“ 1991, basierend auf der Autobiografie von Hans Blickensdörfer. Es war eine unfassbar tolle Erfahrung, bei der wir drei Monate in Polen waren. Ich war der einzige Deutsche, und wir drehten auf Englisch. Es war eine internationale Produktion, gefilmt auf 35 Millimeter. Ein Tag am Set mit 1500 Komparsen und einer schwimmenden Pontonbrücke über die Weichsel in Warschau.
Gibt es eine Rolle oder ein Projekt in deiner Karriere, das für dich besonders prägend war? Wenn ja, warum?
Patrick Bach Mit „Anna“ hatte ich einen gewissen Sprung vom Kinderstar zum Erwachsenen, der ist ja oft nicht machbar und viele Schauspieler sind daran gescheitert.
Wie schwierig war es, den Übergang vom Kinderstar zum Erwachsenen zu schaffen?
Patrick Bach Also dieser Sprung, den kann man nicht selbst planen. Denn Fakt ist einfach, als Kind hat man so eine Frische, so was Naives, so was Ungezwungenes. So wie kleine Hundewelpen, die haben immer eine Faszination. Als Kind denkt man nicht drüber nach, wie man spielt. Das tust du als Erwachsener. Zieh ich eine Augenbraue hoch, gucke ich jetzt böse oder fletsch ich die Zähne. Da geht, glaube ich, viel von der Authentizität verloren.
Du hast auch in vielen populären deutschen Produktionen mitgewirkt und gespielt. Wie siehst du deine Rolle in der Entwicklung der deutschen Fernsehlandschaft?
Patrick Bach Ich glaube, es ist für jeden ersichtlich, dass das Programm deutlich einseitiger geworden ist. Wir haben eine sehr, sehr hohe Krimi-Dichte. Ich gucke gern Krimi, spiele gern Krimi, habe ja auch „Die Wache“ und „Der Kommissar“ gedreht. Was ich vermisse, sind tatsächlich die klassischen Familienszenen, die wir in den 90ern hatten, wie „Ich heirate eine Familie“, „Diese Drombuschs“ oder „Das Erbe der Guldenburgs“. Also, auch mal Geschichten über Familien oder einem ganz anderen Genre. Es gibt so viele Themen, die man wecken könnte. Und irgendwie haben wir uns so ein bisschen darauf festgelegt, zu sagen, wir haben ein Ermittlerteam und dann gibt es jedes Mal eine Leiche oder einen Vermissten.
Aber hat sich das nicht zugespitzt, dass beispielsweise die Krimis brutaler geworden sind? Reality-TV hat ebenfalls eine andere Richtung eingeschlagen und bringt oft ein ganz anderes Niveau an Sensation und Dramatik mit sich.
Patrick Bach Ich glaube, wir sind uns dessen bewusst, dass allgemein und nicht nur in der Filmlandschaft die Schmerzgrenze und die Grenze der Schadenfreude über andere Leute extrem niedrig geworden sind. Und auch der Aufmerksamkeitsfaktor, zu sagen, ich gucke irgendwo hin und ich will jetzt nicht drei Menschen gemütlich am Strand sitzen sehen, die sich über einen Cocktail unterhalten, sondern ich will, dass die sich eigentlich die Köpfe einschlagen. Also versuche ich ein Format zu entwickeln, wo viel Peinlichkeiten oder Reibereien entstehen. Und dann landen wir beim „Dschungelcamp“, „Big Brother“ und „Adam und Eva“. Dann heißt es, angezogen mag es keiner, guckt auch keiner mehr hin, also ziehen wir sie jetzt alle aus. Im Grunde genommen finde ich es schlimm, ganz furchtbar, wie hoffentlich viele andere auch. Wir sind halt eine gewinnoptimierende Gesellschaft geworden.
Woher und wie kommt das?
Patrick Bach Viele Formate kommen aus den Niederlanden, aus Japan, also aus anderen Ländern, wo das schon längst gemacht wird. Ich würde mich freuen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen wieder eine größere Bandbreite bieten würden. Ein bunteres Programm aus Politik, Dokumentationen, Krimi, Comedy und eben auch Familienformaten. Ich glaube, wir sehen genug Leichen und Raketen im Fernsehen durch die Gegend fliegen.
Du hast sowohl im Fernsehen als auch auf der Bühne gearbeitet. Was sind die größten Unterschiede für dich als Schauspieler zwischen diesen beiden Bereichen?
Patrick Bach Beides hat einen sehr großen Reiz. Ich habe auch gern Theater gespielt, auf der Bühne bei Karl May oder in einer Komödie mit Herbert Herrmann und Nora von Collande. Ich bin ein bisschen mehr Fernsehkind, würde ich sagen. Ich mag es, vor der Kamera zu stehen. Ich finde es spannend, täglich das gleiche Stück zu spielen, allerdings ist es auch eine Herausforderung, jeden Abend bei demselben Theaterstück dieselbe Spannung und Energie zu halten. Was toll ist, ist das direkte Feedback, das du beim Theater bekommst, während du es beim Film nicht hast. Was beim Theater besonders ist: Du spielst ein Stück, das sich von A bis Z aufbaut. Man startet und endet das irgendwo. Beim Film drehst du die 20. Szene, in der du vielleicht gerade heulen, kreischen und schreien musst. Eine halbe Stunde später filmst du dann die Eröffnungssequenz, in der du beispielsweise ganz entspannt in ein Haus kommst. Dort hast du dann nur einen normalen Dialog, alles ist entspannt. Diese ständigen Wechsel von emotionalen Zuständen und das Abrufen der passenden Gefühle von jetzt auf gleich, das ist die wahre Kunst beim Film.
Es gab in deiner Karriere sicherlich Momente, wo du auch mal drüber nachgedacht hast, aufzuhören. Was hat dich motiviert, weiterzumachen?
Patrick Bach Ehrlich gesagt hatte ich das gar nicht, weil ich diesen Beruf wirklich liebe. Ich habe zum Glück auch ein gutes Elternhaus und Fundament gehabt und auch eine tolle Kindheit. Ich habe bis heute ein sehr glückliches und angenehmes Leben und dafür bin ich auch immer dankbar. Ich sehe auch mit einer gewissen Demut darauf, weil ich weiß, dass es den meisten Menschen auf diesem Planeten jetzt nicht so gut geht. Insofern habe ich damit auch nie gehadert und habe auch nie irgendwie das infrage gestellt, weil ich gesagt habe, ich habe einen Beruf gefunden und durfte den ausüben in all seinen Facetten. Der ist so traumhaft, selbst wenn mal Phasen und Zeiten kamen, wo es weniger Aufträge gab oder ich nach einem Serienende nach 5 Jahren in so ein Loch fiel. Ich habe dann einfach gesagt, ich gehe jetzt kurz zum Synchronsprechen und dann lief das relativ schnell an. Dann bin ich dadurch in die Werbung, ins Hörspiel oder Hörbuch gekommen. Ich liebe es, Geschichten zu erzählen und Charaktere zu spielen. Das macht Spaß. Das ist, wo ich herkomme. Aber das Synchronsprechen zum Beispiel ist ein tolles Feld, wo wenige wissen, was für einen Aufwand wir betreiben, um eine gute Synchronisation hinzubekommen. Es hat alles irgendwo seinen Reiz.
Du erfindest dich immer wieder neu und veränderst dein Gesamtportfolio. Gibt es irgendwas in näherer Zukunft, was du gerne nochmal machen würdest?
Patrick Bach Bei uns schwebt ein bisschen die KI als Damoklesschwert über den Köpfen. Wir haben eine relativ große Community, die wild diskutiert und miteinander spricht. Wenn man mal realistisch ist, wird es wahrscheinlich in irgendeiner Form passieren, dass wir irgendwann durch ChatGPT und Co. ersetzt werden. In welchen Bereichen und wo es anfängt und wo es am Ende aufhört, ist noch eine Wundertüte. In unserer Branche muss man sich auch oft umschauen oder gewisse Sachen anders angehen. Was ich bisher nie in Angriff genommen habe – wohl aus einer gewissen Bequemlichkeit, da ich es bisher nicht gebraucht habe –, ist die Moderation. In meinen aktuellen Projekten bin ich noch sehr eingespannt und habe schlichtweg kaum Zeit, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Podcast ist auch ein Beispiel, aber das ist gerade wieder sehr rückläufig. Man merkt, dass Firmen einfach wieder weniger investieren in diesen künstlerischen Bereich. Es ist immer ein stetiger Wandel der Prozesse in unserem Beruf.
Wie schaffst du es, deinen Beruf und dein Privatleben zu trennen?
Patrick Bach Ich habe festgestellt – und ich glaube, das ist auch eine Altersfrage, da werden mir wahrscheinlich viele zustimmen –, dass diese Quality Time heute tatsächlich wichtiger ist als früher. Egal, wie sehr ich meine Arbeit liebe, es gibt Tage, an denen ich von 10 bis 18 Uhr in der Regie sitze, danach noch drei Stunden spreche und dann erst um halb elf abends nach Hause komme. Natürlich macht das Spaß, aber irgendwann merkt man einfach, dass die Zeit für Familie, Kinder, Freunde und die kleinen Dinge fehlt.
Hat die Rolle als Vater dein Leben, deine Karriere mit beeinflusst?
Patrick Bach Ja, auf jeden Fall, was die Emotionalität angeht. Ich bin nach der Geburt meines Sohnes deutlich emotionaler geworden. Das ist eigentlich auch eine schöne Geschichte: Ich hatte mein größtes und schönstes Casting für „Herr der Ringe“ damals in München. Da saß die Warner-Riege hinten, zusammen mit dem Regisseur und dem Tonmeister, und ich wurde eine ganze Stunde lang für die Rolle von Samwise Gamgee gecastet – die Rolle von Sean Astin. Mein Sohn war gerade 2002 frisch geboren und in diesem Casting musste ich schreien, weinen, reden – im Prinzip alle Facetten eines Synchronschauspielers zeigen. Ich erinnere mich, dass ich unfassbar gut weinen konnte. Ich habe Rotz und Wasser geheult, als Sam Frodo hinterherging und ihm sagte: „Du gehst nicht alleine, wir gehen zusammen.“ Ich bin heute relativ nah am Wasser gebaut und heule manchmal bei Sendungen, Filmen oder Serien, wo ich denke, das darf jetzt niemand mitbekommen. Außerdem kriegt man ein anderes Verantwortungsbewusstsein, besonders als Vater. Man trägt Verantwortung für seine Kinder und möchte ihnen so viel mitgeben. Meine Kinder sind inzwischen erwachsen, aber sie bleiben immer noch meine Kinder und kommen manchmal mit Fragen auf mich zu, wie: „Papa, wie mache ich das jetzt?“ Es erinnert mich daran, wie ich von meinen eigenen Eltern Rat und Unterstützung bekommen habe. Das Verantwortungsbewusstsein hat sich deutlich verändert. Früher dachte man oft: „Was ich mache, ist mir egal, es betrifft nur mich.“ Aber irgendwann hat man Verantwortung für die Familie, für Kinder und Partner – das ist ein großer Unterschied.
Du hast uns einen Einblick in die Entwicklung vom Kinderstar zur TV-Legende gegeben. Was würdest du jungen Menschen mit auf den Weg geben, die diesen Weg einschlagen, hier und jetzt?
Patrick Bach Das ist im Grunde genommen eine schwierige Frage, weil ich vor 15, 20 Jahren gesagt hätte: „Das ist der beste Beruf, den man machen kann.“ Es gibt verschiedene Wege: Du kannst einen Schauspielkurs belegen, auf eine Schauspielschule gehen, Bühnen- und Theatererfahrungen sammeln und dann vielleicht den Wechsel zum Fernsehen schaffen. Heute muss ich ganz ehrlich sagen, sehe ich viele Kollegen, die Mühe haben, ihre Miete zu bezahlen, und die Veränderungen in der Fernseh- und Filmlandschaft sind deutlich spürbar. So schön und toll der Beruf auch immer noch ist – es bleibt ein Traumberuf –, aber ich würde meinen Kindern heute raten, etwas Solides zu lernen. So doof das klingen mag, auch wenn Schauspiel kein unsolider Beruf im klassischen Sinne ist, würde ich sagen: Lernt ein Handwerk, vielleicht Mechatroniker, oder studiert etwas, das euch sichere Zukunftsaussichten bietet. Ich glaube, man muss heute, nicht nur in unserer Branche, einen Blick darauf werfen, welche Berufe es in 10 Jahren noch geben wird. Es gibt bestimmte Berufe, die wahrscheinlich immer bestehen bleiben, wie beispielsweise in einem Beerdigungsinstitut oder als Friseur. Diese Tätigkeiten sind schwer durch KI zu ersetzen – zumindest noch nicht. Andere Berufe hingegen, wie der des Taxifahrers, könnten durch autonom fahrende Autos ersetzt werden, die irgendwann ganz ohne Fahrer vor deiner Tür stehen könnten. Daher ist es wichtig, bei der Berufswahl zu bedenken, ob ein Beruf langfristig zukunftssicher ist. Was heute noch gut funktioniert, kann in der Zukunft ganz anders aussehen.
Vielen Dank für deine Zeit und deine persönlichen Einblicke.
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