Food & Beverage
Franca Cuneo
Una Passione Italiana
Veröffentlicht
Autor
Bianca Bödeker
Fotos
Ann-Christine Krings
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Bevor sie die Türen ihres Lokals in der Davidstraße für ihre Gäste öffnet, wirft Franca auch heute noch erstmal die Jukebox an. Und hört IHR Lied: „Genova per noi - Genua für uns.“ „Mein Vater hat mich sehr früh das Restaurant zeitweise allein managen lassen, damit ich es lerne. Das waren chaotische Abende und nicht immer einfach für die Gäste“, erzählt sie, die das legendäre „CUNEO“ in vierter Generation führt. „Immer wenn ich verzweifelt war, habe ich das Lied gehört. Es gab mir Mut, Sicherheit und das Gefühl: Es wird schon.“ Und es ist geworden. Seit 14 Jahren lenkt Franca erfolgreich die Geschicke des 1905 eröffneten und damit ältesten italienischen Restaurants in Hamburg. Auf St. Pauli. In der Davidstraße. Dort haben wir die 38-Jährige besucht.
Franca, Ihre Urgroßeltern sind Anfang des 20. Jahrhunderts mit zwei dressierten Äffchen und einem Tanzbären nach St. Pauli gekommen.
Franca Cuneo Ja! Musizierend zu Fuß aus Parma! Ich habe die Vermutung, es war grausig, weil bis heute keiner in der Familie das italienische Geburtstagsständchen „Tanti auguri“ richtig singen kann. In Altona, was noch Dänemark war, haben die beiden dann geheiratet.
Wo sind Sie geboren?
Franca Cuneo Im Marienkrankenhaus. So wie sich das gehört. Das war 1980. Meine Mama hat damals schon nicht mehr selbst im Lokal gekocht. Sie war zuhause bei mir. Das war schön. Meine Eltern sind natürlich viel rumgefahren. Haben im Lokal saubergemacht, Ware geholt. Ich war immer dabei und habe so das CUNEO stets als einen ganz natürlichen Bestandteil der Familie verstanden. Es drehte sich ja alles darum.
Die Wurzeln Ihrer Vorfahren liegen in Italien. Denken Sie an Italien, dann denken Sie an...?
Franca Cuneo Ans Meer. Immer ans Meer.
Warum die Sehnsucht nach dem Meer?
Franca Cuneo Wenn ich mich richtig wohlfühlen will, dann brauche ich Wasser. Das ist das Meer, kann aber auch die Alster sein oder die Elbe.
Was verbinden Sie mit dem Hamburger Hafen?
Franca Cuneo Der Hamburger Hafen erinnert mich sehr an meine Kindheit. Gingen wir auf dem Weg nach Hause die Davidstraße hoch, fiel mein Blick immer auf den Hafen. Das ist bis heute so geblieben und mein absolutes Lieblingspanorama.
Wie waren Sie so als Kind?
Franca Cuneo Wild! Laut meiner Mutter. Heute sagt sie: „Du warst eine Schauspielerin.“ Ich glaube, sie hat das, was ich ihr manchmal so erzählt habe, mit einem Schmunzeln genossen!
2005 haben Sie das „CUNEO“ übernommen. Ihr Vater sagte damals zu Ihnen: „Das Lokal wird für dich sorgen. Es hat ein gutes Karma.“ Hat sich das bestätigt?
Franca Cuneo Als junger Mensch habe ich gedacht: Was redet der Alte? Aber heute glaube ich fest daran: Tut man Gutes, kommt Gutes zurück. So, wie die Geschichten erzählt werden, waren die alten Cuneos keine Schlitzohren, sondern haben sich eher um andere Menschen gekümmert. Davon profitieren wir heute: Wir bekommen Gutes zurück. Viele Gäste sind zu Freunden geworden. So geht es mir immer sehr nah, wenn Gäste wiederkommen, die länger nicht hier waren oder eine schwere Zeit hinter sich hatten, und sagen: „Och angekommen. Jetzt bin ich im CUNEO. Jetzt ist alles gut. Ich bin zu Hause.“ Es gibt natürlich auch Lokale, in denen man sich zusammenreißen muss, wenn man reingeht. Die Maske aufsetzt. Das gibt es bei uns nicht.
Weil auch Sie so authentisch sind?
Franca Cuneo Geworden bin! Ich habe am Anfang immer Jeans, Hemd und Pferdeschwanz getragen, weil ich nicht auffallen wollte. Irgendwann sagte mal ein langjähriger weiblicher Gast: „Franca, du ziehst dich immer an wie dein eigener Kellner. Wenn man hier reinkommt, fehlt der Gastgeber.“ Sie hatte Recht. Das war so gar nicht ich. Selbst in der Schule hatte ich ja schon Rock und hohe Schuhe getragen. Aber ich dachte, ich müsste mich schützen und in eine Rolle schlüpfen. Erst als mein Vater mal im Urlaub war, habe ich begonnen, meine Kleidchen zu tragen. Als er zurückkam, sagte er nur: „Trägst du jetzt Kleider?“ Jawohl, seitdem fühle ich mich wohler. Das bin ich.
Sie führen zehn Mitarbeiter, alle männlich. Wie klappt das so?
Franca Cuneo Über das Gespräch. Meine Mitarbeiter können jederzeit - wenn ich nicht im Stress bin - zu mir kommen, Kritik äußern und konstruktive Vorschläge machen. Jeden Monat führe ich mit jedem einzelnen ein längeres Gespräch. Das ist anders als früher. Mein Vater hat sich immer um alles selbst gekümmert. Nach dem Motto: Es läuft so, wie ich es sage.
Was schätzt Ihr Team an Ihnen?
Franca Cuneo Dass ich gerecht, präsent und immer erreichbar bin. Ich versuche, mich so zu benehmen, dass jeder mit gutem Gewissen sagen kann: Für die arbeite ich gern.
Wen würden Sie gern mal treffen?
Franca Cuneo Mit dem Papst würde ich gerne mal sprechen. Der hat bestimmt nichts anbrennen lassen, bis er Priester wurde. Er war ja mal verlobt und Tangotänzer...
Was würden Sie ihn fragen?
Franca Cuneo Vieles. Vor allem, wie er sich überhaupt durchsetzen kann in der sehr festgefahrenen Struktur der Kirche. Ich denke, er ist derjenige, der am wenigsten Dreck am Stecken hat. Ich würde gerne mal wissen, wie man die Strukturen der Kirche überhaupt in den Griff bekommen kann. Im Gegensatz zu vielen Menschen in meiner Generation lehne ich die Kirche nicht ab. Aber die Art und Weise, wie es intern läuft, kann ein intelligenter Mensch nicht gut finden.
Wie gläubig sind Sie?
Franca Cuneo Mein Glaube ist ein sehr privater Glaube. Ich glaube an einen wachsamen Gott, der mich bis jetzt gut durchs Leben geführt hat. Es gibt natürlich auch immer Phasen, in denen man von sich selbst weit weg ist und sehr im Außen lebt. Deshalb ist es wichtig, religionsübergreifend einen ruhigen Ort zu finden, an dem man sich besinnen kann. Das kann mit Rosenkranzbeten oder einer Meditation sein.
Wie glücklich sind Sie?
Franca Cuneo Sehr glücklich. Es gibt Momente, in denen ich gestresst bin. Dann habe ich keine Lust mehr, könnte alles hinschmeißen. Doch dann denke ich: Nimm dich selbst nicht so ernst. Und alles ist wieder gut. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem durchaus auch schlechte Zeiten ein Thema waren. Es ist jedoch nichts Schlimmes passiert. Das ist schon gut.
Vor sechs Jahren gab’s aber mal eine Erpressung.
Franca Cuneo Ja, das waren Hamburger. Die sind heute noch im Gefängnis. Es gab eine fingierte Übergabe. Für mich war es damals kein Thema, zu sagen: Ok, ich mache das. Im Nachhinein hat die Familie zu mir gesagt: das war mutig.
Das CUNEO liegt in der Davidstraße, umgeben von Prostitution. Wie war das früher für Sie?
Franca Cuneo Als Kind bin ich damit aufgewachsen. Habe mal gefragt: Mami, Mami, warum stehen die Frauen da alle? Sie antwortete: „Na ja, es gibt Männer, die haben niemanden zum Kuscheln und können diese Frauen bezahlen. Dann kuscheln die mit denen. Und damit die Männer sehen, was sie bekommen, machen die Frauen Werbung für sich und haben deshalb nicht so viel an.“ Das habe ich verstanden.
Wie gehen Sie miteinander um?
Franca Cuneo Umsichtig. Auf dem Weg ins Lokal sprach mich kürzlich mal ein Mann an. Sofort kam eine Dame zu ihm und sagte: „So Schatz, du bleibst bei mir. Und die kleine Cuneo geht jetzt nach Hause.“ Sie wollte mich schützen.
Wie berührt Sie die Obdachlosigkeit hier auf dem Kiez?
Franca Cuneo Sehr. Ich wohne ja auch hier. Wichtig ist, die Augen nicht zuzumachen. Den Menschen zu helfen, so wie man seinen Nachbarn hilft. Es gibt durchaus Menschen, die reinkommen und sagen: „Ich habe Hunger.“ Das gab es hier so viele Jahre nicht. Da geben wir natürlich eine Pasta oder so. Die Pastoren auf St. Pauli machen einen tollen Job. Wenn sie Unterstützung brauchen, sprechen Sie uns an: „Könnt ihr ein wenig Pizza vorbeibringen?“ Mein Vater hat schon immer gesagt: „Sagt uns bitte Bescheid. Wir helfen gern.“
Worin finden Sie Ihren Ausgleich zum Job?
Franca Cuneo Was für einen Job? Das ist ja mein Leben. Strukturiert in einen Tagesabschnitt, mit der Pflicht wie Buchhaltung und Einkauf am Tag und der Kür am Abend. Ich habe nicht das Empfinden, dass ich einen Ausgleich dazu brauche. Klar gibt es auch Momente und Gespräche mit langjährigen Freunden, in denen das Lokal keine Rolle spielt. Ein Job ist etwas, für das man einen Start und ein Ende festlegt. Ich habe keinen Job. Ich habe eine Lebensaufgabe.
Haben Sie auch mal frei? Was machen Sie dann am liebsten?
Franca Cuneo Es gibt Abende, an denen ich nicht im Lokal bin. Und dafür gibt es meistens einen Grund: Entweder bin ich eingeladen, oder ich habe was Wichtiges vor. Sonst bin ich da. Wenn tagsüber mal nicht so viel zu tun ist, oder ich Hilfe habe, kann ich sehr gut abschalten. Ich liebe es, Sport zu treiben. Früher sind wir Rennrad gefahren. Dazu habe ich heute nicht mehr so viel Zeit. Ich bin gern draußen. Licht. Sonne. Natürlich habe ich auch mal Urlaub. Dann machen wir den Laden zu, und ich fahre nach Italien ans Meer. Wie schon gesagt: Bin ich am Meer, dann bin ich glücklich.
Was essen Sie selbst am liebsten im CUNEO?
Franca Cuneo Das ist total einfach: Minestrone und Pulposalat. Wir haben ein ganz altes Rezept für unsere Minestrone. Mittlerweile esse ich die jeden zweiten Tag. Wir schnippeln das alles noch von Hand und sie wird immer noch so gekocht, wie bei meiner Großtante. Das ist wirklich ein ganz wichtiges Essen für mich. Und der Pulposalat, den machen die Jungs hier sensationell. Der schmeckt wirklich gut und ist so ein kleiner Luxus, den ich mir gönne.
Wenn Sie nicht im eigenen Lokal essen, wo essen Sie dann in Hamburg? Haben Sie ein Lieblingsrestaurant?
Franca Cuneo Ganz einfach: Sechs Tage die Woche hier und sonntags bei meiner Mama zuhause. Aber wenn wir Familienfeste feiern und tatsächlich mal auswärts essen, sind wir bei Paolino. Außerdem hat er sonntags auf, wenn wir geschlossen haben. Paolino, seine Frau und seine Kinder sind ein Teil unserer Familie und umgekehrt. Ansonsten gibt es auch andere Restaurantbesitzer, mit denen wir freundschaftlich verbunden sind, und man sich gegenseitig immer mal besucht.
Was wünschen Sie sich, Franca?
Franca Cuneo Dass es den Laden in 50 Jahren noch gibt. Und er es so schafft, auch nach mir bestehen zu bleiben.
CUNEO
Davidstraße 11 · 20359 Hamburg
www.cuneo1905.de · info@cuneo1905.de
Kommentare
Kommentar von Angelika Rinck |
Eine wunderbare, warmherzige Frau. Eine vorbildliche Einstellung, die ihr im Elternhaus vorgelebt wurde.
Die südliche Lebenseinstellung wird gelebt.
Ich liebe das, auch wenn ich ein Nordlicht bin- im Herzen bin ich Südländerin.
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