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Aki, dein achtes Studioalbum ist im vergangenen August erschienen und wird von deinen Fans geliebt. Der Albumname SUNNYSIDE verheißt die Leichtigkeit des Sommers und gute Laune. Wie kam es zu dem Albumnamen?
Bosse Also die Grundintention war schon, dass der Albumname schön und leicht sein soll. Auf dem Album geht es sehr oft darum, von der dunklen Seite auf die helle Seite zu kommen. Es sind viele tiefe Themen: Einsamkeit, Depressionen, es geht auch um die rennende Zeit. Trotzdem wollte ich die Geschichten positiv ausgehen lassen. Das wusste ich schon vorher. Und manchmal geht es auch einfach nur um den Sommer oder ums Campen, aber insgesamt ist es gar keine leichte Platte - so wie es der Name vielleicht verspricht.
Und ich finde es manchmal ganz schön, etwas anzutäuschen. Also die Platte Sunnyside zu nennen und am Ende bekommt man ein paar um die Ohren, weil man sich vielleicht auf etwas ganz leichtes eingestellt hat – wobei die Leute, die meine Musik hören, sich wohl nie auf irgendwas Leichtes einstellen, außer manchmal. Letztendlich gefiel mir Sunnyside sehr schnell als Albumname, genauso wie die Sonnenblumen auf dem Cover. Sonnenblumen sind schön und groß und trotzdem gibt es auch auf dem Cover ein paar Sonnenblumen, die leicht verrottet sind. Das gehört eben mit dazu, zum Leben.

„Blumen über Dreck“ (feat. Disarstar) beschreibt die kaputte und ungerechte Welt, aber auch, dass es Menschen gibt, die für Lichtblicke sorgen. Der Song scheint wie gerade erst geschrieben. Hat dich ein bestimmtes Ereignis für diesen Song besonders inspiriert?
Bosse Ja, der Auslöser war das Ehrenamt im Allgemeinen. Das hatte jetzt auch nicht viel mit Corona zu tun, wobei mein Pianist Intensivmediziner ist und der hat mir in der Zeit natürlich sehr viel aus dem Krankenhausalltag berichtet. Über Pflegekräfte, Ärzte und Ärztinnen, die nicht mehr können. Das war für mich auch noch einmal ein Punkt, der mir so bewusst machte, dass es Wahnsinn ist, dass in dem bestehenden System ganz oft super viele Sachen einfach nur funktionieren, weil einzelne Leute, die wahnsinnig unterbezahlt sind, sich aufopfern und selber keine Kraft mehr haben. Das gleiche gilt für das Ehrenamt. An so vielen Stellen würde so viel nicht funktionieren und nicht umgesetzt werden, wenn es keine ehrenamtlichen Helfer geben würde.
Und darum geht es eben auch in „Blumen über Dreck“. Dieses Bild von der Sunnyside-Sonnenblume, die mitten im Morast wächst und weit oben alles überstrahlt. Unten das Böse und trotzdem gibt es einen Hoffnungsschimmer in Form von Mitmenschen.
Und klar passt der Song auch auf die aktuelle Situation, aber ich glaube, der Song passt wahrscheinlich immer, weil leicht wird es irgendwie nicht mehr. Dennoch finde ich es gerade echt positiv, wie viele Leute auf die Straße gehen und wie viele Leute Lust haben, sich zu äußern. Das ist der positive Gegentrend und darum geht es auch in diesem Song. Das ist einer der wenigen Songs auf diesem Album, der sehr schnell entstanden ist.
Wie arbeitest du? Setzt du dich morgens um acht an deinen Schreibtisch oder wartest du auf kreative Phasen und legst dann los?
Bosse Ich arbeite tatsächlich von morgens bis abends. Das ist leider so. Ganz manchmal, wie bei dieser Nummer, ist es anders. Aber ich habe in meinem Leben wahrscheinlich nur 10 Songs so schnell geschrieben, von insgesamt vielleicht 300 Songs. Das ist dann wie die Belohnung dafür, dass man drei Wochen keine einzige Idee hatte.
Aber die absolute Wahrheit ist, dass es eine Erstfassung gibt und die 50te Version bekommt man erst zu hören. Das ganze Making of bekommt natürlich keiner mit und am Ende wirkt alles leicht, auch wenn es das nicht war. Bei gesellschaftskritischen und politischen Inhalten ist das Schreiben dann noch viel schwieriger und komplexer. Ich freue mich über jeden Song, den ich fertig bekomme und bei dem ich das Gefühl habe, dass ich den vertreten kann, weil es wirklich nichts alltägliches ist.
Immerhin geht es allen Musikern und Musikerinnen so. Denn würde es allen leicht fallen, würde jeder fünf Top-Alben im Jahr veröffentlichen und es würde nur gute Musik geben. Aber so ist es nicht: es gibt super viel Scheißmusik, weil es einfach total schwierig ist.
Insgesamt ist das Album maximal vielfältig. Du beschreibst gesellschaftliche Missstände (Paradies & Blumen über Dreck), schenkst private Einblicke (Vater) und lädst den Hörer ein, den Alltag wegzutanzen (Vorfreude, Der letzte Tanz & Ende der Einsamkeit). Ergibt sich so eine gute Mischung immer von selbst?
Bosse Ich kann das natürlich nicht konkret steuern und ich mach mir vorher auch keinen Plan. Aber ich merke schon, dass ich mich auch immer nach einem Gegengewicht sehne. Nachdem ich „Vater“ geschrieben habe – und dann zwei, drei Leute angefangen haben zu weinen, als ich ihnen das Demo vorgespielt habe – habe ich danach schnell „Vorfreude“ geschrieben, weil ich dann das Gefühl hatte, dass ich einen emotionalen Ausgleich schaffen muss.
Den Song „Nebensaison“ singst du auch gemeinsam mit Nora Tschirner – wie habt ihr euch gefunden?
Bosse Nora und ich kennen uns schon ewig. Bei diesem Song habe ich Nora schon auf dem Schirm gehabt, aufgrund ihres großen Engagements bei der Petition gegen die Rastertherapie. Irgendwann hat es sich dann nach einem gemeinsamen Treffen und einem Deep-Talk ergeben. Eigentlich viel zu spät, denn der Song war bereits auf der Platte, aber wir haben den Song dann einfach noch einmal gemeinsam aufgenommen. Das ging super schnell, weil es einfach passte und da Nora auch so eine unglaubliche Aktivistin in diesem Themenbereich ist.
Und hattest du auch sofort eine Idee für das Video?
Bosse Ja, sofort. Ich mag es immer gerne, wenn man zwei Sachen miteinander vermischt. Das habe ich in diesem Video auch gemacht. Gedankliche Vorlage waren meine Erinnerungen aus der Türkei. Wenn ein Urlaubsort – wie beispielsweise Bodrum – im Januar komplett trostlos ist. Leer, alles geschlossen, der Animateur langweilt sich, Nieselregen. Irgendwann kippt die Stimmung ein bisschen und das dann mit sich und den Menschen und alldem zu vermischen fand ich gut.
Und Nora trägt das Thema auch gut, weil sie eben so ist wie sie ist. Beim Videodreh blieb dann kein Auge trocken. Wir beide in einem Raum, das ist schon richtig lustig – so lustig, dass wir uns oft räumlich trennen mussten. Nur so waren wir beide in der Lage unseren jeweiligen Part ernsthaft aufzunehmen.
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Bosse und unsere Nathalie hatten sichtlich viel Spaß während des Interviews. -
Nun hast du ein weiteres kreatives Projekt gestartet und zwar den Podcast „Lecker Mittach“. Das Konzept – Freunde einladen und deren Lieblingsessen kochen – weckt das schon fast vergessene gute Gefühl der Küchenparty. Ist die Idee dazu tatsächlich in der küchenpartyfreien Lockdown-Zeit entstanden?
Bosse Das Konzept habe ich schon vor fünf Jahren geschrieben, weil ich mir immer gedacht habe, dass es eine Sache noch nicht im Podcast-Bereich gibt und das ist einfach etwas zusammen zu tun. Daher war meine Idee, dass man zusammen kocht. Es gibt eine Einkaufsliste, man geht einkaufen und kann dann einen Tag später gemeinsam kochen. Außerdem weiß ich, dass ich mit Leuten anders spreche, wenn man gemeinsam vielleicht bereits ein Glas Wein getrunken hat und man sich nebenbei auch noch auf etwas anderes konzentriert, was man zusammen macht. So erreicht man die Leute ganz anders und kommt an ganz andere Knackpunkte. Genau das war mein Konzept für meinen Podcast.
Zunächst habe ich mir Freunde eingeladen, von denen ich wusste, dass die etwas zu erzählen haben, die mich interessieren und von denen ich auch noch nicht alles weiß. Mittlerweile habe ich weitere Leute eingeladen, mit denen ich gar nicht befreundet bin und es haben sich bereits ein paar Leute gemeldet, große Ex-Sportler oder auch Politiker:innen, das ist dann noch einmal ein ganz anderes Spielfeld.
Und warum hast du den Podcast jetzt erst umgesetzt?
Bosse Es war für mich jetzt erst im Alltag realisierbar. Und eigentlich fand ich es auch ein bisschen spät, da ich die Umsetzung im Zuge des Albums geplant hatte. Aber jetzt habe ich mir eine Küche in Berlin organisiert und einfach erst einmal gestartet. An einem Tag nehme ich jeweils zwei Folgen auf und da steckt auch viel organisatorischer Aufwand hinter, das war ein ganz schöner Aufriss, aber jetzt sind wir einigermaßen eingegroovt.
Deine Konzertagentur „Auf die feine Tour“ ist auch ein Corona-Baby, wie kam es dazu?
Bosse Stimmt. Direkt zum Lockdown habe ich mich mit einer Booking Agentur mit-selbstständig gemacht. Das hat sich auch so ergeben, denn einer meiner ältesten Freunde, der auch mein Booker ist, hat seine Agentur verlassen. Also war für mich klar, dass ich mit ihm gehe. Und dann haben wir uns gedacht, dass wir das auch alles selber machen können. Also haben wir das Konzept erstellt, haben noch jemanden eingestellt, haben dann Disarstar dazu geholt und noch eine Hand voll anderer Bands - das war’s. Wir haben aktuell sehr viel zu tun, viele Verlegungen und viele organisatorische Dinge. Eigentlich ist es auch ganz gut so, denn jetzt haben wir schon mal alles gemacht, was man eigentlich nicht so gerne macht. Ich finde es auf jeden Fall super und ich hätte es schon viel früher machen müssen.
Im September startet endlich deine SUNNYSIDE Tour 2022 – endlich aus Sicht deiner Fans, aber wahrscheinlich beruht die Sehnsucht auf Gegenseitigkeit. Worauf freust du dich bei dieser Tour am meisten?
Bosse Ja, genau. Im Juni geht es endlich mit den ganzen Festivals los und die September-Tour ist eigentlich die Tour, die wir vor einem Jahr gespielt hätten. Und es gibt keinen Grund, sich nicht total zu freuen. Gerade was den September angeht, bin ich wirklich zuversichtlich und freue mich besonders auf den 17. September 2022, wenn ich hier in Hamburg in der Barclays Arena auf der Bühne stehe. Die Leute wollen kommen, aber ich glaube, dass man erst dann wieder so richtig spürt, was man alles vermisst hat. Im vergangenen Jahr hatte ich auch Konzerte, aber eben alles coronakonform. Das war klasse, aber ist eben nicht vergleichbar. Ich weiß nicht mehr, wie es ist, wenn es da draußen richtig knallt. Ich hab’s echt vergessen, weil es einfach so lange her ist.
Dann wünschen wir dir einen tollen Festival-Sommer und eine unvergessliche Sunnyside-Tour auf der es richtig knallt!

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