Business & Money
Yvonne, du hast während deines Studiums sieben Jahre lang als Escort gearbeitet. Das ist eine ungewöhnliche Lebensentscheidung. Wie kam es dazu?
Yvonne Es war eine pragmatische Entscheidung. Ich war 20, mitten im Studium, und das Leben in Hamburg ist teuer. Ich habe einen Weg gesucht, mein Studium zu finanzieren, und die Arbeit als Escort bot mir eine flexible Möglichkeit, das Geld zu verdienen, das ich brauchte. Am Anfang war es nur eine temporäre Lösung, aber dann blieb ich sieben Jahre dabei.
Was hast du in dieser Zeit Positives erlebt?
Yvonne Es gab schon viele positive Seiten. Die finanzielle Freiheit war natürlich ein großer Vorteil, aber es war auch spannend, in eine Welt einzutauchen, die ich sonst nie erlebt hätte. Ich habe in den besten Restaurants gegessen, bin in Luxusautos gefahren und habe in Hotels übernachtet, die ich mir als Studentin nie hätte leisten können. Einige Kunden waren sehr respektvoll, charmant und haben mich wie eine Freundin behandelt. Es gab auch Treffen, bei denen ich mich tatsächlich wohlgefühlt habe und sogar eigene Lust entwickeln konnte. Wenn ein Mann weiß, was er tut, warum sollte ich dann nicht auch Spaß haben?
Aber nicht alle Erfahrungen waren so angenehm, richtig?
Yvonne Nein, bei Weitem nicht. Es gab wirklich viel Widerwärtiges, Furchtbares und Schlimmes. Einige Männer, die glauben, dass sie dich besitzen, weil sie zahlen, oder die versuchen, mehr herauszuholen, als vorher vereinbart war. Es gab zum Glück wenige Momente, in denen ich mich komplett ausgeliefert gefühlt habe. In solchen Situationen dachte ich oft: Wenn Männer ohnehin mit mir machen, was sie wollen, sollte ich zumindest viel Geld dafür nehmen.
Du sagtest im Vorgespräch, mit jedem fünften Freier hattest du keinen Sex. Wie ist das zu verstehen?
Yvonne Viele Menschen glauben, dass es beim Escort immer um Sex geht, aber das ist oft nicht der Fall. Manche Männer sind einfach nur einsam. Sie buchen dich für Gesellschaft, wollen reden oder sich in deiner Nähe entspannen. Einige suchen nach emotionaler Nähe, die sie in ihrem Alltag nicht bekommen. Ich war oft mehr eine Gesprächspartnerin oder eine Art „Fluchtpunkt“ für ihre Probleme, als dass es tatsächlich um körperliche Intimität ging.
Gab es in deinem Leben eine Situation, die dich emotional besonders nachdenklich gestimmt hat oder dich seelisch verletzt hat?
Yvonne Ja, es gab tatsächlich eine Begegnung, die mich tief getroffen hat. Ich hatte mich einige Male mit einem sehr gepflegten und attraktiven jüdischen Mann getroffen. Eines Tages nannte er mich plötzlich seine „sexy Schickse“. Zunächst konnte ich mit dem Begriff nichts anfangen, doch nach einiger Recherche erfuhr ich, dass es sich dabei um ein abwertendes jüdisches Schimpfwort handelt, das ein unreines Tier beschreibt. Als ich ihn darauf ansprach, dass jüdische Männer traditionell nur vor der Ehe mit nicht-jüdischen Frauen – sogenannten Schicksen – zusammen sind, bevor sie eine jüdische Frau heiraten, reagierte er ungewöhnlich. Er verdoppelte den vereinbarten Betrag und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Diese Erfahrung hat mich sehr nachdenklich gemacht.
Was waren einige der absurderen oder skurrilen Erlebnisse, die du hattest?
Yvonne Oh, da gab es so einiges. Einmal wollte ein Kunde, dass ich den ganzen Abend als seine „Assistentin“ auftrete und ihm „geschäftliche Entscheidungen“ abnehme, obwohl ich keine Ahnung hatte, wovon er redete. Oder der Mann, der mich stundenlang in seiner Wohnung auf und ab gehen ließ – nackt, aber mit High Heels. Er saß nur da und schaute mir zu. Es war so seltsam, dass ich fast lachen musste.
Es gab auch Kunden mit seltsamen Fetischen, aber solange es harmlos blieb, war das für mich okay. Manchmal denkt man, man ist in einem absurden Theaterstück gelandet. Es gab jedoch auch sehr gefährliche Situationen, in denen ich mich bedroht fühlte. Diese Begegnungen bleiben einem besonders im Gedächtnis.
Gibt es ein Erlebnis, das besonders bizarr war und dich vielleicht auch emotional gefordert hat?
Yvonne Ja, ich hatte einmal einen Kunden, der mich gebeten hat, mich den ganzen Abend als seine „Therapeutin“ auszugeben. Er wollte, dass ich ihn auf eine Couch setze und ihn frage, wie er sich fühlt, während ich Notizen mache. Er hat sich dann wirklich geöffnet und angefangen, von all seinen Problemen zu erzählen. Es war fast, als würde er ein echtes Therapieszenario nachspielen. Obwohl es skurril war, habe ich gemerkt, wie verzweifelt er nach emotionalem Beistand gesucht hat. Das war eine dieser Begegnungen, die mich auch nach dem Treffen noch länger beschäftigt haben
Gab es auch Momente, in denen du selbst überrascht warst, wie sehr du in die Situation involviert warst?
Yvonne Ja, es gab tatsächlich eine solche Situation. Einmal wollte ein sehr attraktiver Mann, dass ich mich vor ihm selbst befriedige, während er einfach nur zusieht. Normalerweise ist das für mich eher Routine, aber in diesem Fall war er sehr attraktiv und der ganze Moment fühlte sich irgendwie intensiv an. Ich war selbst überrascht, als ich dabei einen fantastischen Höhepunkt hatte. Es war ein echtes Erlebnis, das ich so nicht erwartet hatte.
Das Besondere daran war, dass er danach immer noch ruhig zuschaute, als ich duschen ging. Er hat mich durch die Glaswand beobachtet und es fühlte sich nicht unangenehm an – im Gegenteil, es hatte etwas Aufregendes. Nachdem ich fertig war, habe ich spontan, ohne dass er es gefordert hätte, noch eine kleine „Zugabe“ präsentiert. Es war ein Moment, in dem ich für kurze Zeit vergessen habe, dass es nur ein Job war.
Was war für dich das Schwierigste an der Arbeit?
Yvonne Die ständige Gratwanderung zwischen Kontrolle und Kontrollverlust. Männer versuchen häufig, mehr herauszuholen als vereinbart. Man muss immer auf der Hut sein und klare Grenzen setzen, aber das ist nicht immer einfach. Es gibt auch viele, die versuchen, dich zu manipulieren oder unter Druck zu setzen. Das ist psychisch sehr belastend.
Und natürlich bleibt da die emotionale Abspaltung. Du lernst, deine Gefühle auszuschalten und in eine Rolle zu schlüpfen, aber das geht auf Dauer an die Substanz. Diese Entfremdung von dir selbst kann gefährlich werden, besonders wenn du den Unterschied zwischen der Rolle und deinem echten Ich irgendwann nicht mehr richtig spürst.
Gab es jemals einen Kunden, der versucht hat, dich ganz für sich zu gewinnen? Wie ist er dabei vorgegangen und wie hast du darauf reagiert?
Yvonne Ja, das ist tatsächlich ein paar Mal passiert. Es gibt Kunden, die glauben, dass sie durch regelmäßige Treffen oder teure Geschenke eine Art „Exklusivität“ mit dir aufbauen können. Einer ging sogar so weit, mir anzubieten, alle meine zukünftigen Buchungen zu bezahlen, wenn ich nur noch für ihn da wäre. Er hat mir luxuriöse Geschenke gemacht, teure Urlaubsreisen angeboten und immer wieder betont, dass er „mich retten“ wolle.
Zuerst war es schmeichelhaft, weil er charmant und großzügig war, aber irgendwann wurde es zu viel. Er fing an, eifersüchtig zu werden, wenn ich andere Kunden hatte, und wollte immer wissen, wo ich war und was ich machte. Das wurde dann schon kontrollierend.
Und dann?
Yvonne Ich habe ihm klargemacht, dass es für mich keine emotionale Bindung gibt und dass er meine Arbeit respektieren muss. Es war nicht leicht, weil er wirklich hartnäckig war, aber am Ende musste ich den Kontakt abbrechen. Solche Situationen sind kompliziert, weil manche Kunden den Unterschied zwischen Job und echter Beziehung nicht verstehen – und das kann gefährlich werden.
Siehst du rückblickend irgendetwas Positives in dieser Erfahrung?
Yvonne Ja, ich habe viel über Menschen gelernt, über ihre Schwächen, ihre Bedürfnisse und ihre Einsamkeit. Ich habe mich selbst besser kennengelernt und gelernt, wie wichtig es ist, Grenzen zu setzen. Und natürlich war die finanzielle Unabhängigkeit etwas, das mir ermöglicht hat, mein Studium abzuschließen und meinen Lebensunterhalt zu sichern. Aber ich würde nicht lügen und sagen, dass es leicht war. Es gibt viele dunkle Momente, und man zahlt einen emotionalen Preis für diese Art von Arbeit.
Denkst du, dass Prostitution, insbesondere im Escort-Bereich, gesellschaftlich notwendig ist?
Yvonne In gewisser Weise ja. Es gibt viele Männer – und auch Frauen –, die hier eine Art Ventil finden, um ihren Frust oder ihre Einsamkeit abzubauen. Es ist sicherlich nicht die perfekte Lösung, aber es erfüllt eine Funktion in der Gesellschaft. Solange es auf freiwilliger Basis geschieht und niemand zu Schaden kommt, glaube ich, dass es Raum dafür gibt.
Abschließend, was würdest du jungen Frauen raten, die darüber nachdenken, als Escort zu arbeiten?
Yvonne Ich würde ihnen raten, sich sehr genau zu überlegen, ob sie das wirklich wollen. Es gibt glamouröse Seiten, aber auch sehr dunkle. Man muss stark sein und seine Grenzen kennen, sonst verliert man sich schnell. Es ist nicht für jeden und es erfordert viel mentale Stärke. Wenn du es machst, tu es aus den richtigen Gründen und mit vollem Bewusstsein über die Risiken.
Wenn du heute auf deine Erfahrungen zurückblickst, würdest du diesen Weg als Escort nochmal einschlagen?
Yvonne Ich denke nicht. Wenn ich eine andere Möglichkeit gehabt hätte, mein Studium zu finanzieren und mein Leben zu führen, hätte ich sie vielleicht gewählt. Aber unter den damaligen Umständen war es für mich der beste Weg. Würde ich es nochmal tun?
NEIN!
Vielen Dank für deine Offenheit und deine ehrlichen Einblicke.
Yvonne Gern geschehen. Es ist wichtig, dass diese Geschichten erzählt werden, weil sie oft im Dunkeln bleiben.
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