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Wolfgang Joop
Love Affair
Wolfgang, du bist wahrlich ein Multitalent - Zeichnen und Malen, Modedesign und Kosmetik, Redakteur, Journalist…
Wolfgang Joop ...ich schreibe auch und habe sogar zwei Bestseller geschrieben…
… und Autor - in vielen Sparten Autodidakt! Für was hast du eigentlich kein Talent?
Wolfgang Joop Es gibt Dinge, die ich nicht gerne mag. Ich mag ungerne mein Bett beziehen, das ist für mich eine schreckliche Arbeit.
Und Kochen?
Wolfgang Joop Kochen mache ich mit links. Kein Problem! Ich weiß genau, wie man mit verschiedenen Lebensmitteln umgehen muss.
Man bezeichnet dich als eitel und selbstkritisch – wie passt das deiner Meinung nach zusammen?
Wolfgang Joop Ich glaube, alle intelligenten Menschen sind selbstkritisch und auch eitel. Man will ja dem eigenen Anspruch genügen. Das ist manchmal gar nicht so leicht. Ich bin mein eigener Kritiker und ich möchte eigentlich derjenige sein, der mir gefallen würde.
Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Wolfgang Joop Oh, das ist sehr schwer zu sagen. Die Antwort muss ich jetzt eigentlich ablehnen. Ich bin auf jeden Fall introvertierter und melancholischer, als die Leute es vermuten. Auch nachdenklicher als viele Leute denken. Die denken Modeleute sind automatisch oberflächlich, weil die sich mit der Oberfläche beschäftigen. Aber Oscar Wilde hat schon gesagt: „Sei Du selbst! Alle anderen gibt es schon.“
Was kannst du Privates über den Mensch Wolfgang Joop sagen? Irgendetwas, was noch keiner weiß, was man nicht im Internet oder sonst wo findet? Zum Beispiel sagtest du einmal, meine Sensibilität wird unterschätzt!
Wolfgang Joop Ja, das ist so – und damit ist die Geschichte auch schon erzählt. Wenn ich etwas nicht erzählt habe, muss es Gründe dafür geben, dass ich sie nicht erzählt habe. Also werde ich dir jetzt auch nichts erzählen.
Verstehe! Wenn man sich deine Biografie anschaut, wird einem schwindelig. Du hast dich immer wieder neu erfunden und immer wieder etwas Neues probiert. Woher nimmst du diese Energie und den Mut etwas Neues anzufangen?
Wolfgang Joop Es ist einfach die Notwendigkeit. Ich bin nicht in Verhältnissen groß geworden, wo andere Leute denken, es ist einfach alles schon da. Ich bin noch in der DDR groß geworden und habe meine Heimat quasi verloren, als ich in den Westen ging. Allein schon deshalb ist es ein tiefer Konflikt, der bis heute wirkt. Wissen, dass man auch seine Heimat verlieren kann und seinen Status, alles was einem gewohnt ist.
Ich habe großes, großes Mitgefühl mit den Flüchtlingen – es war mir sehr wichtig, auch persönlich zu helfen und deshalb habe ich vor zwei Jahren einen Flüchtling eingestellt und unterstütze ihn und seine Familie seitdem. Ich glaube, viele Menschen die nur über die Zahlen der Flüchtlinge reden und darüber, wohin man sie hinbringen könnte, verstehen nicht, was es bedeutet, nichts mehr zu haben außer der eigenen Haut. Soweit ist es bei mir nicht gegangen, aber ich bin durchaus mit dem Bewusstsein, was Mangel bedeutet, aufgewachsen.
Aus diesem Grund und dieser Erfahrung heraus, versuche ich, mit allen Talenten die mir zur Verfügung stehen, zu überleben und auch mein eigenes Leben und das meiner Umgebung zu finanzieren. Das hat auch einen ganz praktischen Grund, dass ich mich nicht auf den Lorbeeren ausruhe oder mich verabschiede und nach Mallorca gehe. Ich bleibe da wo ich Gott sei Dank hingehöre! Denn ich habe den großen Luxus an meinem Heimatort zu sein, meine Enkelkinder zu sehen und auch meine Ex-Frau. Ich habe meine Familie um mich herum. Und auch Edwin immer und das seit über 40 Jahren. Also, da gibt es auch eine große Beständigkeit, im Kontext zu der Neuerfindung.
Wie wirst du angetrieben bei solchen Sachen? Hast du jemals das Gefühl gehabt, jetzt angekommen zu sein? Vielleicht bei deinem Lebenspartner oder in einer Stadt oder Deiner jetzigen Wohnsituation, deiner alten Heimat?
Wolfgang Joop Ich hatte in bestimmten Momenten meines Lebens große Erfolge und auch finanziell große Glückssträhnen gehabt. Ich war um die 40/42 Jahre alt, als ich das erfolgreichste Parfüm des Globus entworfen habe und unendlich viel Geld für die Verkäufe der Firma Joop bekommen habe. Dann bin ich nach New York gezogen und habe dort eine Wohnung gekauft. Ich habe in Potsdam, glaube ich, drei Häuser gekauft, Kunst gekauft und mich dann gefragt, ob ich hier eigentlich zu Hause bin oder ob es mir woanders besser gefällt. Und ich kann sagen, dass ich hier zu Hause bin! Das ist die Erfahrung, die ich aus allem gesammelt habe. Ich will für die Menschen da sein, die für mich da sind. Und da ist mein zu Hause, da finde ich es am schönsten.
Das klingt gut! Was bedeutet für dich die Zeit, die du in Hamburg verbracht hast? Bist du noch ab und zu in Hamburg?
Wolfgang Joop Immer seltener, leider. Ich habe noch ein paar Freunde da. Einige sind auf Ibiza. Aber die Hamburger bleiben ja auch gerne streng unter sich in ihrer Clique und lassen nur ungern Fremde damit rein. Ich sehe sehr viele mit ähnlichem Lebensstil auf Ibiza oder auf Mallorca glucken, weil es ihnen im Norden doch um die Nase ein bisschen zu kalt ist.
Aber ich habe Hamburg erst richtig gern gehabt, als ich angefangen habe, das Rotlichtviertel zu entdecken. Das war so circa 1992. Domenica habe ich dort kennengelernt mit dem großen Herzen und dem großen Busen. Ich bin mit Streetworkern zu den Obdachlosen gegangen und habe Sachen verteilt, habe den Straßenstrich besucht und somit auch diese Seite von Hamburg gesehen. Und seltsamerweise, die im größten Elend lebten, hatten ihr Herz auf dem rechten Fleck! Der eine sagte zu mir „Mensch, Wolfgang, was habt ihr denn für furchtbare Sachen an?“ Die kamen aus Paris. Und der andere fragte „Und wo ist Claudia?“ Die hatten mich irgendwie, irgendwo im Fernsehen mal mit Claudia Schiffer gesehen. Das hat mir sehr gefallen, obwohl es auf der anderen Seite auch ganz traurig ist. Aber man versteht auch vieles erst im Leben, wenn man auch die Traurigkeit versucht an sich heranzulassen.
Von dir gibt es ein Zitat: „Mit dem Alter musst du dich mit der Ästhetik des Verfalls anfreunden – und das ist ein hartes Unterfangen.“ Du hast ja nun demnächst Geburtstag. Wie empfindest du das Älterwerden?
Wolfgang Joop Beschissen, würde ich schon sagen! Alt ist eben nur alt, da gibt es keine Verklärung. Denn im Gegenteil, viele Leute reden von der Altersweisheit, ich rede bei den meisten Menschen nur von Demenz und Hilflosigkeit. Das ist gar nicht komisch. Man muss sich eigentlich vorbereiten, aber wie soll man das? Das Alter verläuft ja bei jedem etwas anders. Wie es auch bei Corona bei jedem anders verläuft, so ist es im Alter auch bei jedem verschieden. Aber es ist natürlich nichts was mir gefällt. Man könnte sich höchstens noch selbst trösten und sagen, viele haben in deiner Welt, in deinem Alter nicht überlebt. Ich hab hier einen Flüchtling bei mir als Freund. Was diese Menschen erleben müssen und welche Demütigungen diese Menschen ertragen müssen, davor kann man nur erschrecken und sich fragen, warum fokussiert sich alles immer nur so auf die Schwachen? Der liebe Gott ist wirklich nicht bei den Armen, der ist immer nur bei denen, denen es sowieso schon gut geht. Es ist nicht so, dass sich mir der Sinn des Lebens durch das Alter erschließt – keineswegs.
Kommen wir noch einmal zurück zu dir, auf Wolfgang Joop. Es gibt von dir ein Zitat: „Karl Lagerfeld ist ein Phänomen. Geistreich, amüsant, seine Kreativität scheint unerschöpflich.“ Kann man das auch so von Wolfgang Joop sagen?
Wolfgang Joop Ja, wenn du das so schreiben möchtest, dann wäre ich sehr geschmeichelt!
Das würde ich gerne schreiben, weil ich das auch so empfinde. Es ist wohl gerade zwei oder drei Jahre her, dass du so extrem toll die Schimpansen gemalt hast.
Wolfgang Joop Ja genau, das mach ich immer noch. Ich habe gerade einen in Arbeit. Bei der Orang-Utan Dame Brenda, bin ich gerade Patenonkel geworden.
Die sind wahrscheinlich unverkäuflich, oder? Verkaufst du die Bilder oder behältst du sie?
Wolfgang Joop Bis jetzt habe ich ausnahmsweise ein Einziges verkauft. Aber momentan behalte ich sie, weil ich demnächst eine große Ausstellung in Potsdam im dortigen Museum plane.
Glückwunsch! Hattest du eigentlich ein Verhältnis zu dem aus Hamburg stammenden Modeschöpfer Karl Lagerfeld? Seid ihr euch mal begegnet?
Wolfgang Joop Ja, in den 1970er Jahren sind wir uns begegnet. Da hat er uns angesprochen auf der Straße, mich und meine Frau und wir haben dann ein Wochenende bei ihm in der Bretagne auf seinem Schloss verlebt. Steht auch in beiden Büchern drin, im Buch von Alfons Kaiser und auch im Buch von Alicia Drake „The Beautiful Fall“.
Könntest du uns noch etwas über LOOKS – deiner neuen Marke – erzählen?
Wolfgang Joop Ja gerne. LOOKS ist die Marke, die ich nach Wunderkind gegründet habe. Denn nach 15 Jahren Wunderkind war die Marke irgendwie ausgereizt. Ich habe mich dann nur noch selbst zitiert. Aber es war unendlich viel Spaß und viel Arbeit, aber jetzt musste ich mal eine Pause machen. Denn vieles ändert sich gerade und da muss ich dabei sein.
Die Mode wird stark angegriffen, so wie sie sich auch dargestellt hat, mit dem ganzen Konsumkram, der natürlich durch die Billigläden entstanden ist, die Unmengen und Überschüssigkeit produziert haben.
Es ist jetzt die Frage, wie macht man es für die Jugend nachhaltig und auch preiswert genug? Und da haben wir uns vorgenommen, wir arbeiten so grün und so preiswert wie es geht. Da kommen jetzt u.a. die drei „Rs“ ins Spiel: Reduce, Reuse, Recycle. All diese Dinge wollten wir auf jeden Fall berücksichtigen.
Es wird, glaube ich, jetzt eine völlig neue Zeit anbrechen, denn die Jugend wird diese Art von Autos, die produziert werden, nicht mehr akzeptieren wollen. Die Jugend wird auch das Fleischessen nicht mehr akzeptieren wollen – Gott sei Dank. Alles, was gewohnt war, wird anders werden. Die Versprechen für die Zukunft sind nur noch leere Worte. Der Verfall hat wirklich begonnen. Und dazu kommen diese verrückten Diktatoren, die wir überall haben. Ich finde, es ist eine hochgradig gefährliche Zeit! Und ich habe da auch keine tröstenden Worte für irgendjemand. Wenn ich überlege, dass ich Enkelkinder habe und kann ihre Fragen gar nicht beantworten. Das geht gar nicht!
Du hast mittlerweile vier Enkelkinder?
Wolfgang Joop Fünf!
Fünf schon… und wie ist das für dich Opa zu sein?
Wolfgang Joop Schön, sehr schön. Aber ich erinnere mich auch daran, dass bei den vielen Problemen, die gerade sichtbar wurden, als ich mein Buch eben zu Ende gebracht hatte – ich hatte noch Erinnerungen aufgeschrieben mit leichter Feder – und dann, genau eine Woche nachdem es fertig war und auf den Markt kam, kam Corona und die Buchläden machten zu. Das war ein Schock! Und ich wusste auch, warum ich das Buch geschrieben hatte, denn die Zeit, die ich darin beschreibe – es heißt „Die einzig mögliche Zeit“ – die ist vorbei. Die ist nicht nur vorbei, sondern es ist eine Zeit, die wir den Enkeln erklären müssen in ein paar Jahren, wenn ich dann noch da bin…
Deine beiden Töchter, Jette und Florentine, haben offensichtlich deine Kreativität geerbt. Siehst du ihre Kreativität auch in ihren Enkeln?
Wolfgang Joop Kreativität haben sie alle. Ganz erstaunlich! Auch der kleine Sohn von Florentine malt und zeichnet ganz fantastisch! Meine Enkelin hat gerade ihre erste Ausstellung und mein Enkel ist geradezu ein Marketing-Genie, der den Weg, den ich heute betrete, seit Jahren schon betritt. Nee, da kann ich nur sehr stolz sein auf alle!
Sag mal, ist es nicht unheimlich schwierig? Du hast so viel geschaffen! Du hast die bekannte Marke JOOP kreiert und viele weitere Labels auf den Weg gebracht – so wie das Brand Wunderkind. Ist es nicht wahnsinnig anstrengend, immer wieder bei null anzufangen und eine Marke neu zu erfinden?
Wolfgang Joop Nee, ganz und gar nicht! Im Gegenteil, anzufangen macht Spaß. Es ist wie beim Malen. Am Anfang ist die Seite leer und dann kannst du deine Vision auf das leere Blatt projizieren. Der Anfang ist immer leicht gemacht, aber das Durchhalten ist das A und O.
Ist es für dich so eine Art Kunstwerk, wenn du eine Marke schaffst?
Wolfgang Joop Nee, das ist wie ein Kind, da will ich sehen, wie es heranwächst.
Was sind deine Pläne für die Zukunft und was möchtest du noch tun?
Wolfgang Joop Während ich beobachte, wie die Zeit sich ändert, benutze ich sie zum überlegen, was ich auf meine „Reisen“ mitnehme. Ich stelle fest, dass es leichter ist, kleines Gepäck zu tragen. Denn für meine Kreativität brauche ich Freiheit und Beweglichkeit. Ich bin gespannt, was ich mir noch zutrauen will. Es ist weiterhin aufregend, zu entdecken, was hinter den Grenzen passiert, die den Ausblick verhindern. Man kann nicht alles auf einmal machen, aber alles auf einmal lassen.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Wolfgang!
Wolfgang Joop Ich danke dir!
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