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Ein Hamburger Original
Lotto King Karl

Musiker, ehemaliger Stadionsprecher des HSV, Geschwindigkeits-Junkie: der Barmbeker Jung Lotto King Karl ist Kult – nicht nur in Hamburg. Im Interview spricht der 53-Jährige, der in Winterhude lebt, über seine Liebe zur Musik und zum Mopedfahren, über Klischees, Kreativität und Kindheitsträume.

Lotto King Karl mit Mikrofon
Foto © Torsten Sörup

Ich bin dieserKlischees müde,
in denen esimmer nur um
Saufen, Weiberoder Fußballgeht.

Frauen, Fußball, schnelle Autos und Dosenbier: Lotto King Karl. Als Kult-Hamburger bedienst Du mit Deinen Songs Männerklischees. Was ist wahr? Was hat sich verändert?

Lotto King Karl Dieser Klischees, in denen es immer nur um Saufen, Weiber oder Fußball geht, bin ich müde. Weil ich glaube, dass wir schon seit längerer Zeit ein bisschen breiter aufgestellt sind, was die Themen angeht. Das hat sich ja so entwickelt. Wir spielen immer noch viele Songs der ersten Alben, obwohl diese sich nicht so gut verkauft haben, weil es ja auch noch Fans der ersten Stunde gibt. Dazu kommen natürlich die neueren Songs, die auch in den Charts höher angesiedelt waren.

Es ist ein echtes Phänomen, dass sich Deine Songs längst nicht so abnutzen wie die anderer Musiker.

Lotto King Karl Wir haben den großen Vorteil, dass wir selten im Radio gespielt werden. Deshalb muss man sich schon mit uns auseinandersetzen, will man mit unserer Musik etwas anfangen. Wenn die Musik kaum im Radio läuft, wird sie auch nicht so schnell zu Tode gespielt.

Wird eure Musik überhaupt im Radio gespielt?

Lotto King Karl Schon, aber fast gar nicht in Norddeutschland.

Woran liegt’s?

Lotto King Karl Daran, dass sich die Leute im Rest des Landes den Song erst anhören, bevor sie ihn ablehnen und sich mehr mit den Werken als mit einem Image auseinandersetzten. In Norddeutschland denken die Sender, dass wir ausschließlich in Hamburger Kneipen spielen. Das stimmt aber so gar nicht, auch eine Kölner Kneipe ist mal dabei …

Du machst seit 25 Jahren Musik. Wie viele Auftritte hattet ihr vor der Corona-Krise?

Lotto King Karl 2019 hatten wir ungefähr 50 Auftritte. Es waren aber auch schon mal 150 oder mehr im Jahr.

Lotto King Karl lehnt an Tisch
Foto © Patrick Ludolph

Dir müssen die Konzerte/Auftritte vor dem Publikum mit den damit verbundenen Emotionen doch fehlen?

Lotto King Karl Ja klar! Die Größe spielt dabei gar nicht so sehr eine Rolle. Es ist der Auftritt selbst. Wir haben in den vergangenen Jahren auf sehr vielen Festivals gespielt, teilweise mit guten Co-Headlinern und Zuschauerzahlen im sechsstelligen Bereich. Emotionalisiert da rauszugehen ist ein langes Thema. Es gibt ja diese berühmte Szene vom ersten Depeche-Mode-Auftritt in einem Baseball Stadion, in der alle völlig überwältigt sind und Dave Gahan danach heulend in der Garderobe sitzt. Die Energie, die auf der Bühne freigesetzt wird und auch vom Publikum zurückkommt, ist schon enormer Stress. Den spürt man so richtig erst hinterher.

Positiver Stress?!

Lotto King Karl Ja, total! Dabei ist nicht die Frage, wie toll man sich selbst findet oder wie toll das geklappt hat, sondern was da los war! Dieses Spektakel!

Du hast vor kurzem Dein erstes Autokonzert gespielt, wie passt das in Deine bisherige Sicht von Livemusik?

Lotto King Karl Es hat uns alle überrascht, wie toll das war. Natürlich ist es völlig anders gewesen als jedes Konzert, das wir jemals zuvor gespielt haben. Aber es war lange nicht so schlecht wie diese Konzerte von einigen Hardlinern, die nie ein solches Bild gesehen haben, im Vorwege gemacht wurden. Es war auch einer der Gründe, warum wir es überhaupt gemacht haben: wir wollten einfach wissen wie das ist, statt es einfach nur abzulehnen. Denn dafür gibt es überhaupt keinen Grund.

Wie entwickelt sich eine Band zu einer Live-Band?

Lotto King Karl Es gibt Eckdaten im Leben eines jeden Künstlers: Das fängt an beim ersten Mal, wenn man überhaupt auf der Bühne steht. Dann, wenn dich zum ersten Mal, neben deiner Nachbarschaft, deinen Verwandten und Freunden, Leute sehen wollen, die dich überhaupt nicht kennen. Und die singen dann auch noch drei deiner Songs mit. Dann kommt ein 500er, 1000er, 5000er Auftritt. Auf dem Weg zu deinem eigenen Konzert das erste Mal im Stau zu stehen, ist ein wirklich seltsames Gefühl. Du stehst da und kommst in deine eigene Halle nicht rein. So etwas gibt es auch. Oder wenn du das erste Mal auf einem Konzert vorfährst und es sind tatsächlich junge Leute schon eine längere Zeit dort, um zu sehen, wie man da reinfährt.

Wie verbunden bist Du mit Deiner Band?

Lotto King Karl Wir haben eigentlich immer unsere „Kaderplanung“. Es gibt für jeden von uns Ersatzleute, weil auch nicht immer jeder kann, da die auch in anderen Bands spielen. Manchmal wechselt dann freiwillig jemand von der Erstbesetzung auf die Bank, weil er sagt, er hat noch andere Projekte. Es scheiden aber auch mal Leute aus. Es ist tatsächlich von der ursprünglichen Originalbesetzung außer mir nur noch Uli dabei. Ich denke, dass es in einer Band wichtig ist, das Gewicht zwischen Abstand und Nähe zu halten. Man darf nicht vergessen, bei uns in der Band und im Umfeld gibt es ja sogar schon Großeltern. Und es wohnen auch nicht alle von uns in Hamburg. Dass dann auch mal andere Interessen Vorrang haben, ist ja völlig klar. Die Wege, wie wir zueinander finden, sind völlig unterschiedlich. Zum Beispiel kenne ich Jörn, unseren Gitarristen, seit Mitte der 80er Jahre von seiner Band „The Jeremy Days“. Tom, Manne, Mimi und Jens sind quasi die Nachfolger ihrer Vorgänger, Hannes ist schon ewig dabei und Uli habe ich kennengelernt, als sie mich in den 90ern für ihre Fernsehsendung interviewt hat.

Wir warendavon überzeugt,
es selbst in dieHand zu nehmen
und so ist esbis heute.

Wie kam es zur Gründung der eigenen Plattenfirma?

Lotto King Karl Im Grunde war es einfach, wir hatten keine andere Wahl. Als uns keine Major Firma mehr haben wollte, war der entscheidende Schritt zu sagen: Wir schaffen das selber. Das war übrigens genau das Gegenteil von dem, worum uns unsere letzte Plattenfirma dringend gebeten hatte: „Bitte löst euch sofort auf, bitte hört auf Musik zu machen, bitte kommt nie wieder und bitte werdet bloß nie erfolgreich, denn das wäre für uns im Nachhinein sehr peinlich und unangenehm“. Plattenfirmen helfen dir, die ersten Schritte zu machen. Aber sie verlieren dann auch immer schnell die Lust. In dem Moment waren wir davon überzeugt, es selbst in die Hand zu nehmen und so ist es bis heute.

Themenwechsel: Wie und wann hast Du Deine Leidenschaft für schnelle Autos entdeckt?

Lotto King Karl Wenn ich ganz ehrlich bin, war das Jochen Rindt. Das war mein erstes größtes Idol, was ich hatte. Er fuhr in der Formel-1 Ferrari und starb auch im Ferrari, das müsste Ende der 70er Jahre gewesen sein. Ich hatte dann ja das Glück, mir irgendwann auch mal ein schnelles Auto kaufen zu können und habe festgestellt, dass das genau mein Ding ist. Im Anschluss habe ich mich mit Kart- und Rennsport auseinandergesetzt. Rennsport ist ein Sport, der physisch ist, mit Talent und Erfahrung zusammenhängt und mentale Stärke abverlangt. Man muss sich enorm fokussieren können. Es gibt auch viele Menschen, die auf der Autobahn nicht lange schnell fahren können. Ich habe festgestellt, dass ich das kann. Mich stresst das überhaupt nicht. So lange du hinter dem Steuer sitzt, ist es dein Ding – ohne Plattenfirma, ohne Agentur, etc. Das ist wie eine binäre Formel, die man ausübt. Das ist das Gleiche wie auf der Bühne, übrigens auch der Grund warum so viele Musiker Rennen fahren.

Jedes Auto hatseinen ganz
individuellenReiz.

Wie ist Deine Liebe zu Oldtimern entstanden? Welchen fährst Du am liebsten?

Lotto King Karl Das kann ich so nicht sagen. Ich mag Autos generell. Ich bin auch schon in einem Oldtimer mit Vorkriegstechnik gefahren – das ist ein anderes Autofahren. Ich unterscheide hier nicht, jedes Auto hat seinen ganz individuellen Reiz. Und ich fahre übrigens auch gerne mal Moped eine Honda Dax aus den frühen 70ern.

Gibt es weitere Passionen, die Du auslebst?

Lotto King Karl Ich bin tatsächlich so ein Typ für Computerspiele. Zur Ablenkung, um die Birne freizukriegen und ich sammle auch alte Konsolen.

Stichwort HSV – ist euch der musikalische Hype erhalten geblieben?

Lotto King Karl Nein, man kann ja über die Zahlen, die wir über Social Media erhalten, sehen, was uns der HSV an Fans gekostet hat, also an Followern. Das bewegt sich im Bereich zwischen drei und fünf Prozent. Die anderen kommen wegen der Musik zu meinen Konzerten und nicht wegen der Leistung des HSV.

Würdest Du gefragt, ob Du wieder Stadion-Sprecher werden willst, wie wäre Deine Antwort?

Lotto King Karl Eins vorweg: Ich werde immer HSV-Fan bleiben! 1973 war ich zum ersten Mal im Stadion. Damals haben wir gesagt, der beste Job ist der des Balljungen beim HSV. Stadionsprecher wäre sogar noch besser. Das hat geklappt und war eine tolle Zeit. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, das jetzt noch mal zu machen. Alles, was gesagt worden ist, ist gesagt. Ich hatte parallel zum Abschied von Rafael van der Vaart gemeinsam mit Marek Ehrhardt auch eine wunderbare letzte Stadionshow. Ich konnte mit Tom „Hamburg meine Perle“ einmal so spielen, wie er wirklich ist. Hinter uns stand die gesamte Mannschaft von damals, mit einer Menge Jungs, zu denen der Kontakt nie abgerissen ist. Der Einzige, der an dem ganzen Tag schlechte Laune hatte, war Louis van Gaal, das angebliche Feierbiest – der Trainer vom Gegner. Es war ein toller Tag und ich glaube, das ist es dann auch. Ich habe gesagt, es war eine Ehre, das gemacht haben zu dürfen. Und das stimmt: Es war wirklich immer toll.

Somit hat sich damals Dein Kindheitstraum erfüllt. Wovon träumst Du heute?

Lotto King Karl Was ich tatsächlich immer nochmal gerne machen möchte – ist jetzt vielleicht nicht unmöglich, aber: Es gab mal eine sehr spektakuläre und schöne Zeit für mich im Radio bei Energy, auch landesweit. Das würde ich super finden. Ich bin überzeugt davon, dass diese Form von Mischung aus guter Musik und Comedy sowie tollen Gästen immer noch funktionieren würde. Der Haken ist nur der, dass es damals ein anderes Umfeld gab. Da gab es unter den Promotern den flotten Spruch „Du gehst zu MTV, du gehst zu VIVA, danach gehst du ins Radio zu Lotto.“ Und da ich selber oft bei MTV und VIVA war, hatte man immer ein leichtes Spiel, Gäste zu rekrutieren, weil man im Grunde genommen mit irgendwelchen Leuten irgendwo saß und sie fragte: „Bist du übermorgen noch in Deutschland, kannst du in meine Sendung kommen?“ Das hat immer super funktioniert. Ich hatte spektakuläre Gäste zu Besuch – von David Hasselhoff über Metallica bis Reinhard Mey. Das war eine echt schöne Zeit im Radio. Eine lustige Sendung mit einem forschen Claim: „Freibier, Nutten, alle nackt“.

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