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Jürgen Renken
Liebhaberei in neuem Glanz
Hallo Jürgen.
Jürgen Renken Moin.
Schön habt ihr es hier und eindrucksvoll!
Jürgen Renken Ich liebe es!
Und was machst du, wenn du nicht gerade eine Riva restaurierst?
Jürgen Renken Sonst bin ich mit der Planung und Einrichtung von Arztpraxen, Bars, Kantinen, Kinos, Restaurants, Wellness-Anlagen oder Werbeagenturen beschäftigt. Das ist quasi mein Butter- und Brotjob. Da geht’s rund! Dauernd irgendwelche Abstimmungen, E-Mails kommen und gehen und ewig klingelt das Handy. Du weißt ja, wie das ist!
Du bist gelernter Tischler. Woher kommt deine Affinität zu filigranen Holzarbeiten?
Jürgen Renken Quasi aus meiner Kindheit. Großvater, Vater, Onkel und Bruder waren oder sind alle Tischler. Meine Eltern hatten eine Möbelbaufirma mit 120 Angestellten.
Meine Güte, das ist ja ein riesiger Betrieb gewesen!
Jürgen Renken Allerdings! Ich habe alles aufgesogen und mir hat es Spaß gemacht und das macht es heute immer noch! Dass ich alles von der Pike auf gelernt habe, hat mir sehr geholfen. Ich habe Holzbetriebstechnik und Innenarchitektur in Hildesheim studiert und danach in Bremen Innenausbauten gemacht. Das lief irgendwann nicht mehr und dann bin ich nach Hamburg und gründete Ende der Achtzigerjahre eine Firma, in der Möbeldesigner ihre Produkte präsentieren konnten. Das lief gar nicht gut und mir ist das ziemlich an die Nieren gegangen. Der Nachfolger ist nun die heutige Public Image Design GmbH.
Bist du damit nur im Raum Hamburg tätig?
Jürgen Renken Nein, nein, nicht nur in Hamburg. Überall in Deutschland und Europa – in Prag, London, Paris, wo du willst.
Das spricht für viel Energie und Fleiß!
Jürgen Renken Richtig. Ab spätestens sieben Uhr bin ich im Büro. Erstens gibt’s um die Uhrzeit immer einen Parkplatz und zweitens kann ich ungestört telefonieren. Mit Einsatz, Willen, aber auch mit Glück ging es dann richtig nach vorne.
Und plötzlich stand eine Riva vor dir?
Jürgen Renken Nicht ganz. Aber tatsächlich, als der Laden lief, so Anfang des neuen Jahrtausends, dachte ich darüber nach, für mich einen Raum zu finden, wo ich ganz allein meinem Traum nachhängen und das machen könnte, was mir Spaß macht, wo ich entspannen und entschleunigen kann – aber auch, womit ich trotzdem Geld verdienen kann. Und da fiel mir ein, wie ich in meiner Bremer Zeit als Jugendlicher an eleganten Sperrholzmotorbooten gearbeitet habe. So bin ich auf die Riva gekommen.
Nicht die schlechteste Idee!
Jürgen Renken Nee, bestimmt nicht! Und dann stand sie wirklich vor mir. Meine erste Riva! Eine „Riva Junior“ von 1968. Total renovierungsbedürftig – nichts glitzerte oder funkelte. Der Motor stotterte wie nichts Gutes. Ich werde den traurigen, aber auch faszinierenden Anblick nie vergessen.
Das glaub’ ich dir gerne. Anscheinend hast du die Restaurierung gut hinbekommen?!
Jürgen Renken Gott sei Dank! Drei Jahre habe ich dafür gebraucht, von 1999 bis 2002. Ich lobe mich nicht gerne selbst, aber das ist wirklich ein Schmuckstück geworden, vom Feinsten!
Und eine sehens- und vor allem erstrebenswerte Antiquität für Sympathisanten, Sammler, Liebhaber und Rivarista.
Jürgen Renken De facto war es meine Visitenkarte in die gesamte Riva-Szene.
Glückwunsch. Da hat sich der Einsatz doch gelohnt.
Jürgen Renken Ganz so würde ich das nicht ausdrücken. Für mich hat das viel mit Liebe und Leidenschaft zu tun. Und mit Besinnung auf das Wesentliche und vor allem Entschleunigung, mal rauszukommen aus dem Hamsterrad, für sich selbst sein, sich auf sich besinnen und auf das Leben. Worum geht es eigentlich?
Und worum geht es?
Jürgen Renken Um Genuss und Spaß am Leben. Um mehr Menschlichkeit und ein besseres Miteinander.
Das kann man hier auch gut leben. Mir scheint, dieser Ort auf der Peute hat etwas besonderes, urbanes, aber trotzdem voller Ruhe – irgendwie etwas sehr Meditatives.
Jürgen Renken Das stimmt. Es war schon länger mein Traum, auf einem wassernahen Grundstück Boote zu restaurieren. Wir können sie hier sogar zu Wasser lassen! Übrigens, für die Art der Bebauung hier sind wir von einem Containerdorf im Londoner Stadtteil Brixton nach Plänen des Architekten Carl Turner inspiriert worden. Es erlaubt uns maximale Flexibilität. Und die Ruhe ist natürlich perfekt. Wir Restauratoren arbeiten sehr gerne in der Stille. Unsere Arbeit braucht auch eine unbedingte Konzentration, denn es geht immer um Alles. Wenn wir nur einen kleinen Fehler machen, wird dadurch das Gesamtbild gestört. Derjenige, der es kauft, sieht es vielleicht gar nicht – aber ich! Das möchte ich nicht. Insofern ist bei diesen sensiblen, doch nur noch sehr rar vorhandenen Schönheiten, ein hohes Maß an handwerklicher Perfektion gefragt. Wir machen alles nur einmal! Das hat auch viel mit Meditation zu tun. Du bist total im Einklang mit deiner Arbeit und wirst Eins mit ihr. Daraus gewinnst du auch wieder viel Kraft für das Leben. Es schenkt dir mehr Lebensqualität.
Das sieht und spürt man an den Ergebnissen! Sicherlich möchten sich hier bei dir auf der Peute weitere kleine Unternehmen ansiedeln. Bekommst du viele Anfragen?
Jürgen Renken Ja, die bekomm’ ich schon, aber wir nehmen hier natürlich nicht jeden. Das können wir auch gar nicht, von der Fläche her gesehen. Aber wenn, dann sollten das Unternehmen oder der Freiberufler auch etwas mit dem Element Wasser zu tun haben.
Das ergibt Sinn. Wie viel Rivas gibt es denn überhaupt noch und wie viele nehmt ihr hier in die Mangel?
Jürgen Renken Also in der Zeit von 1946 bis 1979 wurden bei Riva unter Carlo Riva insgesamt so um die 4.000 dieser klassischen Riva-Boote gebaut. Davon existiert vielleicht noch die Hälfte. Irgendwann taucht die eine oder andere Riva auf, dann versinkt irgendwo eine. Für uns gibt es aber immer was zu tun, mehr denn je. Wie du siehst, stehe ich hier nicht mehr allein an einem Boot, sondern wir arbeiten mittlerweile in einem Team, wo jeder weiß, was zu tun ist und jeder Handgriff sitzt. Wir können uns gut miteinander abstimmen. Egal wie viele Rivas wir hier haben und was anliegt. Mal sind bis zu 18 polierte Lackschichten gefragt, mal das ganze Programm mit neuen Planken. Je nach Pflege hält eine Lackierung drei bis fünf Jahre. Dann sehen wir die Boote wieder. Im Moment haben wir fünf Boote hier. Insgesamt waren es bis jetzt wohl 35.
Ich habe gehört, dass der legendäre Carlo Riva eine neue Tritone in 36 Tagen hinbekam und ihr braucht hier bis zu zwei Jahre ... wie kann das sein?
Jürgen Renken Das kann nicht nur sein, sondern das ist tatsächlich so! Den Bau der Tritone hatte Carlo Riva damals perfektioniert. Die letzten Exemplare entstanden nicht mehr aus einzelnen Planken, sondern mit homogenen und dauerhaft fugenlosen Mahagoni-Bordwänden. Diese waren zuvor in Spezialpressen von Pirelli in Form gebracht worden. Es ging also nur Dank vorgefertigter Teile und nur mit Hilfe der damals 300 Mann starken Bootsmanufaktur. Wir reden bei uns über detailgetreue Restauration in Handarbeit mit drei Mann.
So gesehen kann ich das verstehen. Seinerzeit sind die Riva-Boote für vermögende Leute gemacht worden, die sich gern zum kernigen Klang amerikanischer Vintage-Achtzylinder den Fahrtwind um die Nase wehen lassen wollen. Wer war denn so alles dabei?
Jürgen Renken Naja, ehrlich gesagt ist Namedropping nicht so mein Ding! Aber natürlich waren darunter Stars wie Sophia Loren, Brigitte Bardot, Peggy Guggenheim, Rex Harrison, der König von Burundi; Ferruccio Lamborghini, Gunter Sachs, Sean Connery oder George Clooney oder sind es heute noch. Nebenbei gesagt, ließ sich auch die internationale Aristokratie von der Riva-Werft beliefern. Im Grunde war damit der Riva-Kult geboren.
Waren außer Gunter Sachs noch andere Deutsche stolze Besitzer einer Riva?
Jürgen Renken Na gut, einen noch, dann ist aber gut. Da muss ich natürlich als erstes an Axel Springer denken. Der gönnte sich seinerzeit eine elegante Riva „Tritone 258“ mit dem Baujahr 1966. Es war die letzte ihrer Art! Er hatte sie unter anderem eine Weile an der Wannseeinsel Schwanenwerder liegen.
Ist es die Riva Tritone, über die ein Buch geschrieben wurde?
Jürgen Renken Ja, korrekt, das wurde es. Das Buch heißt auch so: „Riva Tritone 258“.
Und? Gibt’s die noch irgendwo?
Jürgen Renken Sie galt jahrzehntelang als verschollen, wurde aber vor ein paar Jahren ziemlich heruntergekommen im Harz wiederentdeckt. 2012 habe ich sie in gut anderthalb Jahren renoviert. Heutzutage fährt sie wieder auf den Kanälen und Seen in Berlin.
Aha, dieses Mal also zurück zu alten Ufern ... Und wer sind heute so deine Käufer?
Jürgen Renken Dieselben wie früher. Aber es gibt auch immer mehr die stillen Genießer. Dabei müssen Vertrauen und Geduld auf beiden Seiten gegeben sein. Denn manchmal kann die Fertigstellung über zwei Jahre in Anspruch nehmen. Der Kunde muss das Vertrauen haben, dass wir nicht rumtrödeln, sondern immer ganz hart am Wind arbeiten! Denn das geht auf der anderen Seite natürlich auch mächtig ins Geld. Denn die vollständige, detailgetreue Herrichtung eines Bootes kann schon mal in die Hunderttausende gehen.
Das muss man auch erstmal haben!
Jürgen Renken Da hast du Recht! Wobei meine Klientel das Geld hat. Ich bin ja nun seit Anfang der Zweitausender-Jahre sehr gut vernetzt in der Rivaristi-Szene und Mitglied in der Riva-Historical-Society. Meine Klientel hat aber auch die Gewissheit, dass sie einen Gegenwert bekommt, der das auch wert ist. Sie weiß um unseren hohen Anspruch.
Ihr arbeitet doch sehr detailgetreu!
Jürgen Renken Wir arbeiten absolut detailgetreu. Authentizität ist unser Auftrag und unsere Mission. Schnickschnack gibt es bei uns nicht. Keine TV-Monitore, keine Eiswürfel-Maschinen. Wir bleiben kompromisslos am Original und arbeiten nur mit Originalteilen. Diese wunderschönen Instrumente von damals gibt es ja nicht mehr. Deshalb werden die alten von uns aufgearbeitet. Oft schicken wir sie an Spezialisten in Italien, die schon seit Ewigkeiten für Riva gearbeitet haben. Wir wollen diese Schmuckstücke von damals wieder im alten Glanz erstrahlen lassen. Auch deshalb sind diese Boote heute gefragte Antiquitäten.
Schon der Anblick ist ein Traum. Dieses klassische Mahagonidesign und das prägnante Türkis unterstützen den Wiedererkennungswert und steigern den Wert der Rivas als Marke.
Jürgen Renken Auf jeden Fall!
Und dann diese Beschläge!
Jürgen Renken Allerdings. Sie haben alle ihre Funktionen. Sie werden die Juwelen des Bootes genannt, da sie die Schönheit und Markanz unterstützen und dazu beitragen, dass jede Fahrt und jeder Kontakt zu einem Riva-Boot auch zu einem optischen Genuss wird.
Ich finde, eine Riva ist ein Genuss für alle Sinne!
Jürgen Renken Damit magst du sehr Recht haben, denn ich spüre immer wieder, wie stark auch sehr vermögende Menschen von der Schönheit der Boote überwältigt sind. Das mag auch daran liegen, dass die restaurierten Boote ihre Seele behalten haben, respektive sie wiedergefunden haben. Diese Ausstrahlung ist es, die die Menschen fasziniert.
Was war stellvertretend das größte Lob, das du erhalten hast?
Jürgen Renken Da fallen mir sofort zwei Statements ein. Eins wurde mir zugetragen. „Sorgfalt wird selten geliefert, auch wenn sie bezahlt wurde. Bei Jürgen Renken kann ich sicher sein, dass ich diese Sorgfalt auch bekomme!“ Das zweite Lob war die Feststellung eines angesehenen Werft-Besitzers seinerzeit auf der Hamburger Bootsausstellung, als der das letzte frisch restaurierte Exemplar der Tritone-Serie nach langer Betrachtung kopfschüttelnd kommentierte: „Das ist ja Wahnsinn. Ich möchte nicht wissen, wie viele Stunden da drinstecken! So ein Möbel darf man gar nicht mehr in die Elbe heben.“
Mehr Lob geht nicht! Wie oft bist Du eigentlich hier?
Jürgen Renken Fast jeden Tag, außer sonntags. Da ruhe ich mich tatsächlich aus!
Das können wir uns eigentlich gar nicht richtig vorstellen.
Jürgen Renken Doch, doch, das könnt ihr gerne machen. Der Sonntag gehört meiner Frau. Mit ihr bin ich wirklich gesegnet – und das schon seit über 30 Jahren! Eine Bessere hätte ich mir nicht erträumen können. Ich bin dankbar für ihre Treue, ihre Liebe und ihr Verständnis für mich und meine Vorlieben.Mehr geht nicht!
Das Glück scheint dir hold, aber du musst auch viel dafür tun. Nichts kommt von Nichts. Dir weiterhin viel Glück und Erfolg und vor allem schöne Sonntage!
Jürgen Renken Dankeschön!
In zweijähriger umfassender Restauration entsteht die letzte Baunummer der Tritone-Serie in originaler Schönheit. Das Projekt wurde über die gesamte Zeit in Deutschland und Italien fotografisch begleitet. Dieses aufwendig produzierte Buch beschreibt den gesamten Prozess der Restauration und erzählt die Geschichte der Riva Tritone 258.
Riva Tritone 258
Hardcover, 224 Seiten
Erhältlich unter: www.tritone258.de
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