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Ina Bredehorn: Laut, wild, kompromisslos.
Leise kann ich nicht!
Liebe Ina, es ist schön, dich heute hier zu haben. Zu Beginn möchte ich dich fragen: Wie würdest du die Musik, die du spielst, beschreiben? Ist sie eher Rock oder ist es mehr als Rock?
Ina Bredehorn Beides. Es gibt Momente, in denen sie fast wie Punkrock klingt, voller Energie und Wut. Es gibt jedoch auch ruhigere, fast poppige Elemente. Ich bin ein großer Fan von Elton John, Lola Young und auch von Bruce Springsteen. Diese Künstler sind ebenfalls ein wichtiger Teil von mir.
Diese Musiker tragen, wie du und viele andere Menschen in deinem Leben, eine Art Wut in sich. Diese Wut zeigt sich jedoch auf sehr unterschiedliche Weise. Du gibst ihr in deinen Songs Raum. Wie reagieren die Menschen darauf? Erkennen sie, dass das dein Ventil ist, oder ziehen sie etwas anderes aus deiner Musik?
Ina Bredehorn Auf jeden Fall. Letztes Wochenende schrieb ein Fan auf Instagram: „Es ist ihre Art zu atmen, was sie auf der Bühne macht. Sie singt nicht, sie interpretiert nicht ihre Lieder, es ist einfach ihre Art zu atmen, das geht nicht anders.“ Für mich muss eine Show alle Emotionen widerspiegeln, die ich im Leben erlebe. Es gibt Momente, in denen man nicht weiß, wie es weitergehen soll. Jedoch gibt es auch die „Heldenreise“, bei der man immer wieder aufsteht und weitermacht. Ich möchte den Menschen all diese Facetten zeigen, da es für mich die einzige ehrliche Form der Selbstverwirklichung ist.
Du bist in Jardeberg aufgewachsen, einem Ort, der auf den ersten Blick wenig mit Rock ‘n‘ Roll zu tun hat. Wie hat dieser ländliche Hintergrund dich geprägt?
Ina Bredehorn Es war oft langweilig, besonders in einer Zeit, als es noch keine Handys gab. Wir hatten viel Zeit und haben uns dementsprechend viel mit Musik beschäftigt. Viele Eltern meiner Freunde waren Musiker und wir haben Rock ‘n‘ Roll auf unsere Weise gelebt.
Du hast dich entschieden, von einem sicheren Handwerk in die unsichere Musikbranche zu wechseln. Was war der entscheidende Moment, der dich dazu gebracht hat?
Ina Bredehorn Ich konnte beide Welten nicht gleichzeitig leben. Als Jugendliche hatte ich das Leben, das ich heute führe. Irgendwann entfernte sich die Musik immer mehr aus meinem Leben. Eines Morgens wachte ich auf und merkte, dass ich nichts mehr mit Musik zu tun hatte. Ich war nur noch Schlosserin und später Projektmanagerin bei Airbus. Ich wollte dieses Gefühl zurückhaben, wieder 16 zu sein und einfach im Proberaum zu stehen. Ich war bereit, alles dafür zu riskieren.
In einem deiner Songs forderst du gleiche Chancen und keine Sonderbehandlung. Wie erlebst du das Thema Gleichberechtigung in der Musikbranche? Siehst du noch Hürden, die überwunden werden müssen?
Ina Bredehorn In der Musikbranche und allgemein in der Gesellschaft gibt es immer noch so viele Hürden. Eine erfolgreiche Künstlerin sagte mir einmal, dass ich als Mann mit meinen bisherigen Erfolgen meine Festival-Slots drei Stunden später bekommen hätte. Als ich bei Airbus gearbeitet habe, war ich die „Quotenfrau“. In der Region gab es keine kaufmännischen Berufe für Frauen, sodass die Männer die gut bezahlten Jobs hatten. Frauen wurden infrastrukturell benachteiligt. Dieser Job hat mir geholfen, ein eigenes Leben aufzubauen, ohne auf einen Mann angewiesen zu sein.
Du sprichst oft von Weiterentwicklung und dem Drang, Neues zu entdecken. Gibt es bestimmte Momente oder Orte, die deine kreative Arbeit besonders anregen?
Ina Bredehorn Kneipen sind für mich eine wichtige Inspirationsquelle. Ich brauche exzessive Nächte und den Wahnsinn, um kreativ zu werden. Bewegung hilft mir, meine Kreativität zu entfalten. In den Phasen, in denen ich viel schreibe, bin ich auch viel unterwegs.
Du hattest die Gelegenheit, einen Udo-Lindenberg-Song zu singen. War das ein spontaner Moment oder ein längerer kreativer Prozess?
Ina Bredehorn Es war in erster Linie ein Geschenk von Udo. Er hatte die Idee, mich auf dem Song mitsingen zu lassen. Zu der Zeit war „Deine Cousine“ noch nicht so bekannt, und es gab noch nicht so viel Interesse wie heute. Udo hat mir mit dieser Geste viel Aufmerksamkeit geschenkt und dafür bin ich ihm unglaublich dankbar.
Du bist jemand, der keine Angst vor Veränderungen und Herausforderungen hat. Gibt es jemanden, der dich besonders inspiriert hat? Jemand, mit dem du gerne zusammenarbeiten würdest?
Ina Bredehorn Ich würde gerne mit Nick Cave zusammenarbeiten. Er berührt mich künstlerisch zutiefst. Ich glaube, dass ich auf meiner eigenen künstlerischen Reise noch einmal auf diese Suche gehen werde, um diese Schwere zu entdecken, die er so mutig zu zeigen vermag.
Wie beeinflussen deine Reisen und das intensivere Kennenlernen anderer Menschen und Kulturen deine Kreativität? Hat dieser Prozess auch etwas mit deiner persönlichen Entwicklung und Selbstreflexion zu tun?
Ina Bredehorn Ich muss mir Zeit für mich selbst nehmen. Das ist etwas, das diese Reise zu tieferen Themen in der Zukunft noch verstärken wird. Am Ende brauche ich mehr Raum für mich selbst. Nur so komme ich in neue, vielleicht unerforschte Kanäle, die mich an andere Orte führen.
Ich habe einen Songtext von dir gesehen: „Scheiß auf Ironie“. Ein populärer Text, der nicht alltäglich in Songs vorkommt. Schreibst du deine Texte selbst und spiegeln sie Lebenserfahrungen wider, die du gemacht hast?
Ina Bredehorn Meine Songs basieren alle auf Lebenserfahrungen. Viele denken, es seien erfundene Geschichten, aber in der zweiten Strophe von „Raus an dich“ singe ich: „Von Papa jeden Tag, wochenlang an jeden Ort gebracht, dass er ein Mädchen fand, tot in unserer Nachbarstadt.“ Damals war es einer der größten Fälle von Kindesmissbrauch und Mord – direkt bei uns um die Ecke. Für uns Mädchen war das wochenlang die Hölle, weil wir von unseren Familien und Freunden anders behandelt wurden. Das sind alles wahre Geschichten. Bei „Scheiß auf Ironie“ geht es um meine eigenen Erfahrungen. Damals habe ich mir Menschen vorgestellt, an die sich diese Erfahrungen richten, zum Beispiel übergriffige Kollegen, die ich mit 16 oder 17 noch nicht richtig einschätzen konnte. Heute würde ich anders damit umgehen, aber die Erlebnisse begleiten mich bis heute.
Was würdest du am liebsten erreichen?
Ina Bredehorn Ein großer Traum von mir ist es, noch einmal eine Arena-Tournee durch Deutschland zu spielen. Ich wünsche mir, dass meine Musik so viele Menschen erreicht, dass wir ein solches Projekt realisieren können. Denn das würde bedeuten, dass es ein Publikum gibt, das sich für echte, tiefgehende Themen interessiert. Wenn ich auf der Bühne stehe und sehe, wie Eltern mit ihren Kindern zu unseren Konzerten kommen, geht mir einfach das Herz auf. Es zeigt mir, dass da draußen so viele Menschen sind, die genauso denken wie ich. Früher wollte ich zeigen, dass ich nicht verrückt bin und kein „Freak“, nur weil ich anders war als die anderen im Dorf. Oft bekam ich gut gemeinte Ratschläge wie: „Pass dich doch ein bisschen an, dann wird alles leichter.“ Statt mich anzupassen, habe ich meinen eigenen Weg gewählt. Mit erhobenem Kopf habe ich gesagt: „Ja, ich bin anders. Und ich erzähle euch davon.“ Anderen dadurch Mut zu machen, ist für mich das größte Geschenk.
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