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Dr. Eric Huwer
Klare Visionen für den HSV
Als Vorstand der Bereiche Finanzen, Partnerschaften, Organisation, Personal, Recht, Marketing und Digitalisierung, haben Sie ein weitgefächertes Arbeitsfeld. Können Sie uns einen Einblick in Ihre Rolle beim HSV geben und was Sie dazu beitragen, den Verein voranzubringen?
Dr. Eric Huwer In meiner Rolle als Vorstand ist es meine Aufgabe, die Entwicklung und Richtung des HSV mitzulenken, zu leiten und zu beeinflussen, es ist eine sehr gestalterische Rolle. Dabei betonen wir beim HSV eindeutig das Wir – auch in der Verantwortung. Unser Vorstand besteht aus Jonas Boldt und mir, ergänzt um eine sehr starke Führungsmannschaft. Von außen betrachtet reduziert sich die Bewertung des HSV oft nur auf den Tabellenstand, einzelne Ergebnisse oder vielleicht das Jahresergebnis. Es ist erheblich differenzierter und insbesondere mein Blick muss bei aller Dynamik und Emotionalität der Branche deutlich über den nächsten Spieltag und auch das Saisonende hinausgehen. Es wird gern die Frage nach der Erstligatauglichkeit gestellt; ich bevorzuge die beeinflussbare Frage der Zukunftstauglichkeit. Wir wissen, wo wir uns in den nächsten drei bis fünf Jahren verbessern müssen, um unserem Ambitionsniveau auf nachhaltige Art und Weise gerecht zu werden.
Der eingeschlagene hanseatische Kurs bewährt sich: Wir erzielen im Bereich des Zuschauerzuspruchs europaweite Bestwerte, sehen mehr Menschen denn je die Raute tragen, hatten nie mehr Mitglieder. Und unsere Altlasten reduzieren wir beständig: So haben wir im vergangenen Geschäftsjahr die Netto-Finanzverbindlichkeiten auf einen historischen Tiefstwert in Höhe von 14,0 Millionen Euro reduzieren können; das entspricht einer Reduktion von mehr als 80% gegenüber dem Jahr des Abstiegs. Ich habe den HSV in meinen knapp zehn Jahren hier an der Elbe in vielen unterschiedlichen Verfassungen, personellen Konstellationen und Aggregatzuständen erlebt. Die jetzigen Rahmenbedingungen und das finanzsolide Fundament sind vielversprechend.
Gibt es persönliche Werte oder Prinzipien, die Ihre Entscheidungen und Handlungen leiten?
Dr. Eric Huwer Lassen Sie es mich so formulieren: Es gibt Werte des gemeinsamen Miteinanders und Prinzipien des Managements, auf die wir uns intern geeinigt haben. Eine Seriosität in jeglichem Handeln und ein Höchstmaß an Verlässlichkeit sind dabei für mich von besonderer Bedeutung. Dazu zählt die Einhaltung einer maximalen Gesagt-getan-Quote und das Prinzip, nicht über die eigenen Verhältnisse zu leben. Viele Menschen vertrauen uns auf einer sehr emotionalen Ebene: Das motiviert ungemein und stellt zugleich eine besondere Verantwortung dar. Fleiß und Disziplin verstehen sich da von selbst.
Sie sind bereits seit 2014, also nun 10 Jahre, beim HSV tätig. Wie passt der HSV sich im Hinblick auf technologische Entwicklungen und taktische Trends an? Welche wichtigen Veränderungen hat es bereits gegeben?
Dr. Eric Huwer Vielleicht ist es einfacher, Ihnen diese Antwort am Beispiel unseres Volksparkstadions zu geben. Das Stadion wurde zur Jahrtausendwende als einer der modernsten Fußball-Tempel eröffnet, es gab damals einen regelrechten Stadion-Tourismus. Leider wurde es aus unterschiedlichen Gründen über die mehr als 20 Jahre lang versäumt, notwendige Rücklagen für Instandhaltung, Renovierung und Modernisierung zu bilden. Jetzt im Vorlauf zur Fußball-Europameisterschaft, bei der Hamburg ja eine der Veranstaltungsstädte ist, ploppte das Thema massiv auf. Zum Glück haben wir den Bedarf bereits weit vorher erkannt und entsprechende Maßnahmen vorbereitet und Kapital akquiriert. Bezogen auf Ihre Frage heißt das: Leider hat oder konnte der HSV über mindestens ein Jahrzehnt kaum technologische Entwicklungen mitgehen, von Innovation ganz zu schweigen. Aber wir hatten stets treue Begleiter an der Seite, die unseren neu eingeschlagenen Weg der Stabilität erkannt, anerkannt und gefördert haben. So konnten wir im Zusammenspiel in vielen Bereichen unserer Organisation kleine und größere Fortschritte generieren, zum Teil auch sehr zukunftsträchtige Projekte aufsetzen. Über die wollen wir aber auch erst reden, wenn sie sich in der Umsetzung befinden. Wie schon erwähnt: gesagt-getan.
Wie trifft der HSV Entscheidungen über Spielertransfers und -verkäufe und welche Rolle spielen die HSV-Trainer und das Scouting-Team bei der Identifizierung und Rekrutierung neuer Spieler?
Dr. Eric Huwer Diese Frage müssten Sie eigentlich meinem zuständigen Vorstandskollegen Jonas Boldt stellen. Da wir aber eng verzahnt arbeiten und entsprechend abgestimmt sind, kann ich Ihnen hoffentlich eine zufriedenstellende Antwort liefern. Die sportliche Entwicklung und der sportliche Erfolg stehen im Zentrum aller Handlungen und daher stehen Spielertransfers in der besonderen strategischen Verantwortung der Entscheidungsträger. Primär geht das über saubere Prozesse, Analysen, Daten, Bewertungen, Angebot und Nachfrage, Marktlage, Budgets, Verhandlungsgeschick. Am Anfang steht immer die Bewertung des vorhandenen Kaders: Wie sind wir aufgestellt, wo wollen wir hin, kurz- und langfristig? Haben wir Problemzonen? Wo und wie könnten wir uns verbessern? Da greifen unzählige Prozesse ineinander, die sowohl beim Trainerteam als auch beim Sportdirektor und bei der Scoutingleitung zusammenlaufen. Am Ende ist jede Spielertransferentscheidung ein sehr individuell zu betrachtender Prozess, an dem sehr viele Abteilungen des HSV separat und natürlich auch interdisziplinär zusammenwirken. Die Scouts und Datenanalysten fangen nicht erst an zu arbeiten, wenn plötzlicher Bedarf entsteht oder ein Trainer unbedingt einen Spieler haben will. Das Scouting sichtet permanent – mit vorher erstellten, zur HSV-Spielidee und Kader-Philosophie passenden Profilen. Das gilt sowohl für den Senioren- als auch für den Junioren-Bereich. Es gibt dabei bevorzugte Zielmärkte und natürlich auch budgetäre Rahmenbedingungen.
Mit 110.000 Mitgliedern gehört der Sportverein zu den größten der Welt. Welche Bedeutung hat die Unterstützung der Fans für die Spieler und den Verein als Ganzes?
Dr. Eric Huwer Die Mitgliedschaft unseres Muttervereins setzt sich mit mehr als 80.000 Supporters aus HSV-Fußballfans zusammen. Entsprechend groß ist die Bedeutung und Identifikation. Pro Spiel sind tausende Mitglieder, Stimmungsträger, Ticketkäufer und Dauerkartenkunden im Volksparkstadion und machen unser Heimspielerlebnis zu einer auch in Deutschland sehr beachteten Besonderheit, einer bemerkenswerten Co-Produktion zwischen Rasen und Rängen. Wir wissen diese Stärke, diese positive Energie und auch die erkennbare, enge Verbindung zu unserer Mannschaft sehr zu schätzen. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir auch auswärts überall gern gesehene Gäste sind. Standorte mit weniger Heimfans haben uns in der Vergangenheit oft mehr Ticketkäufe ermöglicht als festgeschrieben – und trotzdem sind die Eintrittskarten im Mitgliedervorverkauf in Minutenschnelle vergriffen. Dieses Zusammenspiel mit unseren Fans basiert auf Austausch, Transparenz und Mitnahme. Auch hier gilt: Wir setzen auf das Miteinander. Das treue Bekenntnis zur Raute begeistert mich persönlich jedes Mal aufs Neue.
Wie wird die Bindung zu den Fans und der lokalen Gemeinschaft aufrechterhalten?
Dr. Eric Huwer Auch da gibt es kein Patentrezept. Unsere Anhängerschaft ist heterogen, den einen Fan gibt es nicht. Wir haben alte HSV-Kutten, organisierte Ultragruppierungen, begeisterte Dauerkartenbesitzer über mehrere Generationen, Familien, VIPs, Businesskunden und seit einiger Zeit auch immer mehr Jugendliche und Kinder. Ein Ansprache- oder Bindungskanal reicht da nicht aus. Wir suchen den persönlichen Austausch und nutzen zielgruppenorientierte Clubmedia-Kanäle oder clubgesteuerte Communities wie den Kids Club – dieser zählt mehr als 10.000 Mitglieder – oder die Young Ones, um einen Erstkontakt aufzubauen und dann verlässliche Reiz- und Kontaktpunkte zu setzen. Wer mal ein Training unserer Profis besucht hat, wird sicherlich bestätigen können: Wir sind nahbar. Bei uns gibt es beispielsweise keine Trainingseinheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Wie würden Sie den HSV-Fans Ihre Vision für die Zukunft des Vereins vermitteln und wo ergeben sich in der nahen Zukunft Steigerungspotenziale?
Dr. Eric Huwer Wir stehen für einen besonderen Zusammenhalt, schaffen begeisternde und identitätsstiftende Emotionen und verbinden. Leidenschaft vereint. Durch Emotionen wollen wir Menschen und Momente mit dem HSV auf Lebenszeit verknüpfen. Wir haben durch einen besonderen Zusammenhalt in der jüngeren Vergangenheit eine gute Basis geschaffen, haben uns erfolgreich konsolidiert und weisen eine hohe Ertragskraft fernab von kurzfristigen sportlichen Entwicklungen auf. Es gilt, den HSV weiterhin resilienter, also widerstandsfähiger zu machen. Wir wollen selbstbestimmt agieren, wollen unser hanseatisches Wirken weiter ausbauen und den von uns bewusst eingeschlagenen Weg fortsetzen. Wir werden dabei nichts Blaues vom Himmel versprechen. Natürlich wollen wir schnellstmöglich in die 1. Bundesliga zurück. Konkrete Steigerungspotenziale, auch in naher Zukunft, gibt es viele. Ich sehe aber keinen Grund, sie alle zu benennen. Lasst uns doch inhaltlich daran arbeiten und anschließend darüber sprechen.
Im Volksparkstadion werden 5 Spiele der Europameisterschaft 2024 stattfinden. Inwiefern profitiert Hamburg als Austragungsort der EM und welche Chancen sehen Sie darin für die Stadt?
Dr. Eric Huwer Sportliche Großveranstaltungen wie die Fußball-EM sind aus meiner Sicht absolute Hamburg-Booster. Unsere tolle Stadt bekommt die beste Gelegenheit, ihre Weltoffenheit ebenso zu zeigen wie ihre vielen Vorzüge. Sie kann neben den wöchentlich wechselnden Profi- und Hochleistungssportereignissen in der Hansestadt auch international unterstreichen, dass sie ihren selbst formulierten Anspruch als Sportstadt und als Active City wirklich lebt und diesem Bestreben auch gerecht wird. Die EM in unserer Stadt wird viele Touristen anlocken, das wird sich auch wirtschaftlich positiv auswirken; es ist schön, wenn wir unseren Beitrag dazu leisten können, und damit meine ich nicht nur die erheblichen Investitionen in die Spielstätte „Volksparkstadion“. Ich freue mich jetzt schon auf diese besondere Atmosphäre, den kulturellen Austausch und hoffentlich jede Menge Fußballfeste – im Volksparkstadion, beim Public Viewing und in vielen Bars, Kneipen und anderen Lokalitäten. Die Europameisterschaft wird begeistern.
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