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Jan, du bist seit mehr als 30 Jahren im Musikbusiness und hast bestimmt einiges an Veränderungen miterlebt. Wie würdest du die Entwicklung jemandem beschreiben, der keine Ahnung von der Rap-Szene hat?
Jan Delay Dennis aus meiner Band hat es mal so zusammengefasst: Früher, als wir angefangen haben, musste man sich dafür entschuldigen, dass man in den Charts war. Irgendwann hat sich das Blatt dann gewendet. Seit ein bis zwei Jahrzehnten muss man sich entschuldigen, wenn man nicht in den Charts ist.
Genauso hat sich das ganze Hip-Hop-Ding entwickelt. Es war am Anfang garantiert auch dem geschuldet, dass das, was der Untergrund gemacht hat, überhaupt nicht irgendeinem gewissen Anspruch gerecht wurde. Du brauchst einen gewissen Sound, um im Radio zu laufen. Du musst verstanden werden und du brauchst gute Vokalaufnahmen. Das alles hatten wir nicht. Wir haben einfach Mucke gemacht! Wenn jemand Mucke gemacht und diese Dinge bedient hat, so wie die Fantastischen Vier, dann fanden wir das alles Scheiße. Das wurde dann aber gespielt (lacht).
Irgendwann fing es an, dass coole Bands sehr gute Musik gemacht haben. Auch die Fantas. Die klangen dann viel besser und sind in die Charts gekommen. Ab dann war das okay und man musste sich nicht mehr entschuldigen. Dabei ist es letztendlich geblieben. Und irgendwann war es dann komisch, wenn du nicht in den Charts warst. Ich würde sagen, so ist es jetzt seit 20 Jahren.
Apropos Charts: Im Laufe deiner Karriere hast du schon verschiedene Musikgenres aufgemischt. Die Bandbreite reicht von Funk- über Soul- bis Rockmusik. Manchmal bringst du sogar Jazztöne ein. Wie würdest du deine Musik beschreiben?
Jan Delay Auf jeden Fall irgendwie immer funky. Nicht klischeemäßig funky, aber egal in welche Musikrichtung es geht, da ist immer eine Prise Funk drin.
Die meisten Musiker bleiben stets einem Genre treu – du nicht. Warum ist das so?
Jan Delay Weil ich das für mich selber langweilig fände. Ich will nicht immer das Gleiche machen. Ich glaube, dass man niemandem einen Gefallen tut, wenn man sich selber als Künstler langweilt. Sobald man anfängt, etwas zu bedienen, was man gar nicht im Herzen fühlt, dann ist das der Anfang vom Ende. Es gibt viele Bands, die ihren Beruf schon ewig machen und damit Hallen und Stadien füllen, indem sie das Gleiche machen. Aber trotzdem bezweifle ich manchmal, dass gewisse Feuer brennen, die mir ganz wichtig sind. Deswegen mache ich das, was ich fühle, und das, worauf ich Bock habe.
Welche Momente waren im Rückblick die prägendsten deiner Karriere?
Jan Delay Prägende Momente sind weniger so etwas wie das erste Mal eine ganze Halle zu füllen, sondern eher Sachen, bei denen ich ganz viel gelernt habe. Zum Beispiel haben die Beastie Boys uns Ende der 1990er als Vorband mit auf ihre Tour genommen. Und es war so krass für uns zu sehen, wie die riesige Hallen gefüllt haben. Und dabei total cool waren, eine coole Crew hatten und so gut mit denen und auch mit uns umgegangen sind. Zu sehen, wie die sich das bewahrt haben, wie man es eher aus der Indie-Szene kennt, zu sehen, dass es im Pop und in riesigen Betonarenen auch geht, das war so besonders. Wenn man nur genug Liebe mitbringt, dann füllt man diese schrecklichen Betonhallen mit Soul. Das war ganz wichtig. Ohne sowas hätte ich mich zum Beispiel nie getraut zu sagen „Ich hab Bock, ‚Jan Delay & Disko No. 1’, wir machen so gutes Entertainment, wir können auch in den Arenen spielen.“ Ich hätte Angst davor gehabt. Aber durch die Beastie Boys habe ich gesehen, wie das geht. Man kann das und man schafft das. Dann kommen trotzdem so viele Leute und die sind cool, da sind dann keine Arschlöcher dabei.
Was sicherlich auch prägend war: Der Musikbetrieb wurde in der Corona-Krise für viele Kulturschaffenden und andere Branchen auf eine harte Probe gestellt. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Jan Delay Das war halt ‘ne Scheißzeit und wir haben es jetzt hoffentlich geschafft. ich bin froh, dass es weitergeht und wir wieder Musik machen können.
Daran angeknüpft: Die gesellschaftliche Debatte über die „Systemrelevanz“ der Musik und Kultur wurde dadurch verstärkt. Wie hast du das in Hamburg erlebt?
Jan Delay Ich würde nicht sagen, dass klar wurde, wie systemrelevant Musik ist, sondern es hat sich zu doll gezeigt, wie wenig anerkannt Musik und Kultur als systemrelevante Einrichtungen sind. Es wurden mit Milliarden irgendwelche Airlines bezuschusst, damit diese schlimme Klimakaputtmach-Industrie nicht pleitegeht. Aber wenn die Industrie, die für die Herzen zuständig ist und die auch kein Klima kaputt macht, leidet, dann wird da überhaupt nichts supportet und ist erst mal egal. Wenn man dagegenhält, wie viel Kraft die Kultur den Menschen in so einer Zeit gibt, dann passt das überhaupt nicht zusammen – und das ist gemein! Genau diese Lücke haben so viele hart zu spüren bekommen. In Hamburg war es aber schon immer so, dass dies nicht gebührend supportet wurde. Es heißt immer ‚Wir sind die Kulturhauptstadt’. Aber wenn es dann darum geht, Kunstorte zu erhalten oder Gemeinschaftsräume oder Clubs, dann merkt man das nicht. Alles wurde dichtgemacht und nichts gefördert. Diese Diskrepanz ist echt scheiße. Als es ein paar Monate nach dem ersten Lockdown losging mit den Hilfen für Kulturschaffende, da haben die Leute in Hamburg zum Beispiel auch nur die Hälfte wie in Berlin bekommen. Berlin ist arm aber sexy und Hamburg ist reich aber sexy.
Du hast doch selber auch einige Jahre in Berlin gewohnt?
Jan Delay Ja, aber immer auch in Hamburg! Und die Heimatliebe hat mich dann auch wieder zurückgebracht.
Trotz allem hast du im letzten Sommer dein Album ‚Earth, Wind und Feiern’ auf den Markt gebracht. Wann entstand diese Idee?
Jan Delay Die ist vor dem Ganzen entstanden, aber auch da war die Kacke schon am Dampfen. Und zwei große Themen wollte ich mit aufnehmen. Dabei ist mir aber wichtig, dass ich das immer nur positiv und motivierend tue. Wenn man was ändern möchte, dann muss man auch feiern können, weil man diese positive Energie braucht. Dass sich die Themen bzw. die Anwendungsmöglichkeiten teilweise dann so überschneiden, das konnte ich nicht ahnen. Das Intro ‚Es sind finstere Zeiten, aber das muss gar nicht sein. Lass uns die Wolken vertreiben, ich hab‘ Sonne dabei. ’ ergibt jetzt fast noch mehr Sinn.
Wie hast du denn die Resonanz auf dein Album empfunden?
Jan Delay Sehr schön und ich habe, ehrlich gesagt, noch nie so eine durchweg positive Resonanz bekommen, weil ich ja auch eher ein Typ bin, der polarisiert. Es war aber auch negativ krass, weil es um das Feiern geht und ich das Album in einer Zeit rausgebracht habe, in der man nicht feiern konnte. Es gab keine Clubs, keine Bars und zu der Zeit sogar die Ausgangssperre. Ich mache Musik für Leute, die zusammenkommen, und das war dann heftig. Das sind die Verstärker, die ich brauche. Und deswegen habe ich auch das Repack rausgebracht, weil es viele nicht mitbekommen haben und es die Zusammenkünfte nicht gab, gar nicht. Clubs, Bars, Konzerte – das sind meine Verstärker.
Da sind wir ja genau beim Thema Tour: Mit Jan Delay & Disko No. 1 warst du zu dem Album ‚Earth, Wind & Feiern’ auf Tour. Was war daran das Beste?
Jan Delay Das Spielen, die Leute, das Durchdrehen, das befreite Eskalieren. Einfach endlich rein da, das Feiern, das Schwitzen, ohne Bedenken – das war das Beste.
Sowohl in deinen Songs auf deinem Album wie „Spaß“ als auch in „Alles gut“ nimmst du kein Blatt vor den Mund und findest treffende Zeilen zur Lage der Nation. Wie schaffst du es, dass das ewige Feuer im Herzen nie aufhört zu brennen – egal wie sehr die Welt aus den Fugen gerät?
Jan Delay Das ist etwas, was weniger mit dem eigenen Schaffen zu tun hat. Ich bin einfach derbe dankbar und demütig, dass ich so ein neugieriger und ehrgeiziger Mensch bin und immer Bock habe, wieder was zu machen. Ich mach das dann so lange, bis es richtig flasht. Und ich das Glück habe – egal wie lange es dauert – es auch zu schaffen, dass mich das flasht. Es könnte auch der Punkt kommen, an dem ich es nicht mehr schaffe oder keinen Bock habe, was zu machen. Zum Beispiel, als es mit Corona losging, konnte ich nicht auf einen Knopf drücken und hatte erst mal nicht das Bedürfnis. Ich hab‘ ein halbes Jahr gebraucht, bis ich Bock hatte, in so einen Zustand zu kommen und etwas aufzuschreiben.
Gibt es noch etwas, das du uns verraten kannst? Worauf können deine Fans sich freuen?
Jan Delay Es kommen zwar immer wieder Konzerte dazu. Aber ich kann nur sagen: Ich freue mich riesig auf alles, was kommt und eine geile Zeit! Das wünsche ich allen. Auf unser Leben und unsere Wünsche bezogen, dass alle Sehnsüchte mal ein bisschen gestillt werden und jeder eine geile Zeit hat.
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