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CEO Gruner + Jahr
Julia Jäkel
Frau Jäkel, Sie stehen an der Spitze eines der größten Verlagshäuser Europas, haben zwei Kinder im Grundschulalter und sind mit einem „Promi” verheiratet, dem Publizisten und früheren Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert. Bitte erzählen Sie uns doch mal, wie ihr Tag aussieht.
Julia Jäkel Ich vermute, so ähnlich wie bei vielen anderen Menschen: früh aufstehen, Kinder zum Zähneputzen bewegen, zur Arbeit gehen – was in diesen Zeiten häufig bedeutet: den Laptop zu Hause aufklappen – und abends manchmal joggen, häufiger lieber ein Glas Wein trinken. Durch meine Aufgabe bei Gruner + Jahr habe ich das Glück, mit vielen klugen und anregenden Menschen zusammenzukommen. Wir kümmern uns im Kern um etwas, was für eine demokratische Gesellschaft wertvoll ist: die öffentliche Meinungsbildung. Das ist wirklich sehr erfüllend.
„Wir wollen erfolgreiches Digitalgeschäft betreiben und der beste und innovativste Magazinverlag sein“, das war bisher ihr Diktum. Bleibt es bei dieser Strategie?
Julia Jäkel Ja, das gilt für unsere vielen starken Marken – etwa STERN, BRIGITTE, GALA, GEO oder BARBARA – ebenso wie für unsere digitalen Produkte. Als Verlag finanzieren wir Kreativität, deshalb passt der Begriff nach wie vor so gut zu uns. Wir sind mutig, probieren vieles aus und leben Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg, etwa im Vermarktungsbündnis Ad Alliance oder der Bertelsmann Content Alliance. Und im vergangenen Jahr haben wir Nachhaltigkeit zu einem der zentralen Unternehmensziele erklärt. Wir sind auf einer langen Reise, ich glaube nicht, dass sie sobald endet.
Sie haben den Verlag kräftig umgebaut und die digitale Transformation in den vergangenen Jahren vorangetrieben. Wo lagen Ihre größten Hebel?
Julia Jäkel Unser digitales Geschäft trägt mittlerweile zu etwa 40 Prozent unseres Umsatzes bei, das war vor einigen Jahren noch ganz anders. Unsere Websites halten durchweg führende Positionen in ihren jeweiligen Segmenten, von News über Frauen bis Wirtschaft. Wir betreiben stark wachsende App-Marketing-Geschäfte. Und wir freuen uns an einem digitalen Abo-Geschäft, das gerade in der Coronazeit deutlich zugelegt hat. Aber auch im Gedruckten liegen große Chancen. Wir haben in den vergangenen Jahren rund 30 neue Magazine auf den Markt gebracht. Magazine, die nicht trotz, sondern wegen der Digitalisierung erfolgreich sind: angenehm anzufassen, mit einem Anfang und einem Ende, sehr ästhetisch, hochwertig. Mit Neueinführungen wie BARBARA, GUIDO oder HIRSCHHAUSENS STERN GESUND LEBEN haben wir ein neues Zeitschriftensegment geschaffen: die Persönlichkeitsmagazine. Und daneben entwickeln wir aus unseren Marken weiteres Geschäft, etwa die SCHÖNER WOHNEN-Kollektion, mit Produkten wie Wandfarben, Teppichen und Möbeln.
2015 titelte das Handelsblatt: Julia Jäkel bringt Gruner + Jahr wieder auf Kurs. War dazu ein Kurswechsel nötig?
Julia Jäkel An einen Kurswechsel im Sinne einer harten Disruption - Altes weg, Neues her - habe ich nie geglaubt. Wandel und Innovation mussten sein, ja, teils auch deutlich, aber nicht um der Veränderung willen. Denn wir haben ein Haus mit starken Marken, und mit denen gehen wir in die Zukunft. Wir transformieren uns aus uns selbst heraus. Es ist vielleicht der anstrengendere Weg, aber es lohnt sich.
Die Folgen der Corona-Pandemie sind für digitale journalistische Medienmacher vielleicht der historisch goldene Moment überhaupt. Welche Weichen werden bei Gruner + Jahr gestellt?
Julia Jäkel Ja, Journalismus war in diesem Jahr nachgefragt wie schon lange nicht mehr. Auch digital ist dafür die Zahlungsbereitschaft deutlich gestiegen. Wir sehen das bei unseren Paid-Angeboten beim STERN und bei STERN CRIME, aber auch bei CAPITAL Plus, das zuletzt hinzugekommen ist. In den ersten Monaten der Pandemie haben mehr als doppelt so viele Menschen Plus-Abos abgeschlossen, und der positive Trend hält an.
Durch die Corona-Krise ist das Interesse der Leser an den Auswirkungen der Virus-Infektionen auf Gesundheit und Wirtschaft riesig. Wie reagieren Sie darauf?
Julia Jäkel Gerade in Krisenmonaten suchen Menschen verstärkt nach Informationen, denen sie vertrauen können. Dabei geht es nicht nur um gründlich recherchierte und verlässliche Fakten, sondern auch um Zerstreuung. Die steigende Nachfrage haben wir bei den Verkäufen unserer Magazine wie STERN, BRIGITTE oder GALA genauso beobachtet wie bei unseren digitalen Bezahlangeboten. Es werden mehr Abos abgeschlossen, was in einer Zeit, in der wir alle deutlich mehr Zeit zu Hause verbringen, nachvollziehbar ist. Wir haben auf die Corona-Zeit mit einem vielfältigen publizistischen Angebot reagiert, wie zum Beispiel der Aktion #stayathomeandcook von ESSEN & TRINKEN und CHEFKOCH oder dem STERN-Podcast „Wir und Corona“.
Welche Rolle spielen Podcasts für Gruner + Jahr?
Julia Jäkel Eine große! Podcasts sind eine wunderbare Möglichkeit, Geschichten neu zu erzählen und zum Leben zu erwecken. Zum Beispiel bei „Faking Hitler“ ist das den Kolleginnen und Kollegen vom STERN hervorragend gelungen: Sie haben diesen Fall, den wirklich jeder kennt, auf neue Art, mit besonderen Stimmen und Original-Tonaufnahmen neu erzählt. Insgesamt bieten wir über das ganze Haus hinweg rund 50 Podcasts an, von „Paaradox“ über Liebe und Beziehung mit dem Paartherapeuten-Paar Holzberg über „Sag mal, du als Physiker“ von PM bis zu Verbrechens-Podcasts von STERN CRIME.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Werbemarkt?
Julia Jäkel Der Werbemarkt musste Umsatzeinbußen aufgrund der Corona-Krise hinnehmen, das ist so. Aber wir sehen wieder, wie sich das Geschäft belebt.
RTL und Gruner + Jahr schmiedeten 2017 mit der Ad Alliance ein neues erfolgreiches Vermarktungsangebot. Was macht die Ad Alliance so attraktiv und besonders?
Julia Jäkel Wir reagieren mit der Ad Alliance auf die steigende Nachfrage nach gattungsübergreifender Vermarktung. Gemeinsam können wir in der Ad Alliance Werbung auf allen Kanälen vermarkten und crossmediale Kampagnen orchestrieren. Die Idee und die Stärke dieser Allianz haben eine Sogwirkung entfaltet, und weitere Partner sind dazu gekommen. Gemeinsam erreichen die von Ad Alliance vermarkteten Medienkanäle 99 Prozent der deutschen Bevölkerung. Im Gegensatz zu großen Plattformen wie Facebook und Google bieten wir unseren Werbepartnern neben Größe und Kraft auch schlaue und relevante Inhalte. Wir können wichtige Themen wie Nachhaltigkeit, Mobilität oder gesunde Ernährung im großen Stil aufbereiten und schaffen attraktive Werbeumfelder.
Als Board-Vorsitzende der Bertelsmann Content Alliance sorgen Sie dafür, dass sich die Bertelsmann-Divisionen enger abstimmen und zusammenarbeiten. Warum ist das wichtig?
Julia Jäkel In allen Häusern der Bertelsmann Content Alliance entstehen täglich kreative Inhalte: Film- und Fernsehinhalte bei der UFA, Bücher bei Penguin Random House, Hörfunk und Fernsehen bei der Mediengruppe RTL, Musik bei der BMG und Magazine bei G+J. Die Bertelsmann Content Alliance bündelt diese Kräfte. Wir machen den Kreativen in Deutschland ein einmaliges Angebot: Du hast eine Idee? Dann lass uns gemeinsam überlegen, was wir daraus entwickeln können. Über alle Medienkanäle, für das passende Publikum. Und das klappt. Die Bertelsmann Content Alliance fördert Talente, entdeckt Inhalte und spielt diese über möglichst viele unserer Plattformen aus.
Wie kann die durch Corona ausgebremste Wirtschaft wieder Tritt fassen?
Julia Jäkel Indem wir lernen, mit den veränderten Bedingungen umzugehen – in manchen Branchen ist das natürlich einfacher als in anderen, aber vielen gelingt das schon sehr gut. Ich lasse mir den Optimismus nicht nehmen.
Welche Zeitschriften lesen Sie aus Ihrem Hause und welche aus anderen Verlagen?
Julia Jäkel Von uns alles, was zeitlich geht, mein Entspannungsliebling ist unser Magazin SALON. Und sonst? Gern die New York Times digital, den Economist gedruckt und den Social Media Watchblog. Und ich fand das Hamburger Abendblatt gerade in Corona-Zeiten besonders gelungen und nützlich.
Haben Sie noch Zeit, ein Buch Ihrer Wahl zu lesen?
Julia Jäkel Na, klar. Wenn Sie einen Tipp haben möchten: Michelle Obama, “Becoming”. Die beeindruckende Geschichte einer jungen Schwarzen aus Chicago. Über Rassismus, Bildung und persönliches Wachsen. Und als nächstes freue ich mich auf das Buch ihres Ehemannes.
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