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Erik Manke
Identitätsdiebstahl
Erik Manke ist Fachbereichsvertreter Kriminalpolizei der Gewerkschaft der Polizei im Landesverband Hamburg und seit über 20 Jahren bei der Polizei Hamburg beschäftigt. Lange Jahre hat er Polizeibeamte in Hamburg intern im Bereich Betrugsbekämpfung aus- und fortgebildet. Seit Neuestem hält er Vorträge auf Kongressen der freien Wirtschaft mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Revisionsabteilungen der Unternehmen effizienter zu gestalten, um so den Betrügern das Leben schwerer zu machen.
Erik, wir leben ja gerade in einer besonderen Situation. Wir haben pandemie-bedingt einige Beschränkungen auf uns nehmen müssen und das Leben hat sich teilweise stark verändert. Gibt es durch die Pandemie auch Auswirkungen auf die Kriminalität in Hamburg?
Erik Manke Die aktuellsten Zahlen liegen mir zwar noch nicht vor; jedoch wird die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) der Polizei Hamburg demnächst veröffentlicht werden und der Wandel dort gut ablesbar sein. Auch, wenn die PKS nur einen Bruchteil der tatsächlich begangenen Straftaten widerspiegelt.
Welchen Wandel erwartest Du?
Erik Manke Nun ja, ein Dieb wird im Volksmund ja gerne als „Langfinger“ bezeichnet. In Zeiten, in denen besonders auf Abstand geachtet wird, muss man erkennen, dass, egal, wie lang die Finger des Langfingers auch sein mögen, diese wohl nicht lang sein dürften, um erfolgreich zu sein. Dazu fällt mir das altbekannte Comic von Inspector Gadget ein, dessen Slogan „go go gadgeto arm“ hier ein nahezu humoristisches Bild zeichnet. Darüber hinaus fällt für Ladendiebe bei geschlossenen Einkaufsläden aufgrund des Lockdowns schlichtweg die Arbeitsgrundlage weg. Man kommt nicht umhin, zu erkennen, dass Täter, die maßgeblich oder ganz von der Begehung von Straftaten leben, in Zeiten der Wegnahme der Möglichkeiten jetzt auf einmal einer legalen und geregelten Arbeit mit Sicherheit nicht nachgehen werden. Vielmehr habe ich bereits im März 2020 davor gewarnt, dass Täter „umschulen" werden und der Betrug immens zunehmen wird. Und das ist auch geschehen. Es überrascht nicht leider nicht.
Woher nimmst du die Gewissheit der Zunahme, wenn doch die PKS noch nicht veröffentlich worden ist?
Erik Manke Ich pflege seit Jahren einen engen Kontakt zu Fraud Managern des E-Commerce und zu Banken. Diese sprechen ausnahmslos von einem massiven Anstieg.
Welche Betrugstaten genau sind das und wie funktionieren die?
Erik Manke Das Feld ist hier breit gespannt und ich könnte stundenlang darüber berichten. Im Wesentlichen ist die Grundlage vieler Taten jedoch der mittlerweile allgemein bekanntgewordene Identitätsdiebstahl.
„Es geht nicht nur um die Identität von Personen, sondern auch um die von Unternehmen.“
Was genau ist denn eigentlich ein Identitätsdiebstahl?
Erik Manke Darunter versteht man im Allgemeinen das Ausspähen einer fremden Identität zur anschließenden missbräuchlichen Nutzung. Wobei ich gleich erwähnen möchte, dass es nicht nur um die Identität von Personen geht, sondern auch um die Identität von Unternehmen.
Wie kann man eine Identität missbräuchlich benutzen?
Erik Manke (lacht) Tja, das alles aufzuzählen, würde jetzt wohl ein paar Seiten Deines Magazins füllen. Aber lass es mich mal so erklären: Noch vor 15 Jahren waren die Prüfungsmechanismen vieler Unternehmen relativ unausgereift und es ist ein einfaches gewesen, sich eine x-beliebige Identität auszudenken und diese für Bestellungen auf Rechnung und Konsumentenkredite zu benutzen.
Das kann ich kaum glauben.
Erik Manke Es wurde und wird da ja auch nicht offen drüber berichtet, da alle Unternehmen betroffen sind und alle einen gewissen Reputationsverlust befürchten, wenn die eigenen Zahlen ans Licht kämen.
Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich, dass diese sich teilweise beklagen, wie sehr man sich offenlegen muss, wenn man einen Kredit beantragt und Du erklärst hier gerade, dass das mit ausgedachten Personalien einfach ist?
Erik Manke Es war einfach! Lass mich das kurz erklären: noch vor 15 Jahren konnte man unter Nutzung eines ausgedachten Namens – bei der Polizei sagt man dazu im Übrigen „Alias-Personalie“ – ziemlich einfach dem Betrug nachgehen. Seinerzeit ist es im Regelfall so gewesen, dass der Händler, bzw. die Bank, die betrogen werden sollte, bei der Schufa nach Negativeintragungen nachgefragt hat und das wurde dann seitens der Schufa verneint.
Ah, ich verstehe. Personen, die es gar nicht gibt, können ja auch keinen Negativeintrag haben.
Erik Manke Exakt. Und heute ist es so, dass die Schufa nach einer gewissen Historie gefragt wird.
Und die ist bei ausgedachten Alias-Personalien nicht vorhanden.
Erik Manke Erstmal nicht. Auch darauf haben die Täter reagiert und es ist unlängst bekannt, dass Personalien schufa-mäßig quasi zum Leben erweckt werden.
Verstehe ich das gerade richtig, dass Täter sich die Mühe machen, Fake-Leben virtuell zu kreieren, um damit dann später Betrugstaten zu begehen?
Erik Manke Absolut richtig. Es gibt darüber zwar keine Studie, aber unter Betrugsjägern ist es unlängst bekannt, dass die Personalien teilweise über ein Jahr lang und länger mit Leben gefüllt werden, um so einen guten Schufa-Score zu erreichen.
Was genau machen die Täter, um das hinzukriegen?
Erik Manke (lacht) Sorry Gunnar, aber das kann ich hier wirklich nicht preisgeben. Nachher kommt noch einer Deiner Leser noch auf dumme Ideen.
Meine Leser sind alle seriös.
Erik Manke Das will ich auch meinen. Aber stell Dir vor, eine Ausgabe gerät in die falschen Hände. Das wollen wir ja nicht. Bitte lass mich aber erwähnen, dass die Betrugsprävention mittlerweile zu einem Industriezweig geworden ist. Neben den vier großen Auskunfteien, wie Arvato, Creditreform-Boniversum, CrifBürgel und Schufa gibt es noch zahlreiche andere Unternehmen, die sich im Gegensatz zu den vieren, die sich neben der Bonitätsprüfung auch mit Betrugsprävention befassen, sondern sich ausschließlich um Betrugsprävention kümmern.
Was ist da der genaue Unterschied?
Erik Manke Zum einen ist der Übergang fließend: Im Rahmen einer Bonitätsprüfung wird die Wahrscheinlichkeit der Befriedigung des Kredites – bzw. andersherum, wie hoch die Ausfallwahrscheinlichkeit ist – errechnet. Dazu bedient man sich unterschiedlicher Parameter. Wenn man hier mal die Lupe ansetzt, dann erkennt man – weil es auf der Hand liegt – dass Personen, die offiziell so pleite sind, dass der Kredit 100%ig abgelehnt wird, ihre eigene Zahlungsunfähigkeit selbst erkannt haben dürften. Da ist dann die Grenze fließend, wann man seitens der Strafverfolgungsbehörde aus der offensichtlichen Zahlungsunfähigkeit eine Zahlungsunwilligkeit ableiten kann. Gelingt dies, muss man einen Betrugsversuch erkennen; und der ist strafbar.
Wie oft wird das erkannt?
Erik Manke Quasi gar nicht. Insbesondere, weil es gar nicht angezeigt wird. Der gute Kaufmann weiß schließlich, dass er schlechtem Geld kein Gutes hinterherwerfen sollte. Das gilt bereits für die Mühen der Bonitätsprüfung im Rahmen der Antragsstrecke. Das Dunkelfeld ist hier enorm. Auch deswegen sagte ich eingangs, dass die PKS nur einen Bruchteil der tatsächlichen Betrugstaten widerspiegelt.
„Jedes Unternehmen ist auf eine hohe Trennschärfe aus, man will die zahlende Kundschaft natürlich nicht verlieren.
Das ist stets ein Ritt auf Messers Schneide.“
Und was genau nun ist der Unterschied zur Betrugsprävention?
Erik Manke Bei der Betrugsprävention geht es unter anderem darum, anhand der bloßen Kundendaten zu erkennen, ob es sich eindeutig oder zumindest mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit um eine betrügerische Bestellabsicht handelt. Der Fachmann spricht von einem fraudulenten Handeln. Jedes Unternehmen ist hier auf eine hohe Trennschärfe aus, weil man die zahlende Kundschaft natürlich nicht verlieren will. Das ist stets ein Ritt auf Messers Schneide. In den einzelnen Unternehmen herrscht immer ein Abwägen zwischen Interessen des Vertriebes versus Interessen der Revision.
Kannst Du bezüglich der auszuwertenden Kundendaten von Details berichten?
Erik Manke Sehr gerne. Ein Ansatz ist eine statistische Auswertung. Big Data Analysten sind hier gefragt, die anhand exorbitant großer Datenmengen und damit einhergehenden Erfahrungswerten, welche der Daten in der Vergangenheit explizit Betrügern zugeordnet werden können, auswerten, bei welchen Datensätzen eine höhere Wahrscheinlichkeit des Betruges vorliegt als bei anderen Daten. Einige dieser Erkenntnisse erscheinen dabei logisch nachvollziehbar und erklärbar, andere muss man erstmal so hinnehmen.
Magst Du ein konkretes Beispiel bringen?
Erik Manke Bei den meisten dieser Auswertungen handelt sich um Geschäftsgeheimnisse, die mir nicht bekannt sind. Schließlich stehen viele Unternehmen in Konkurrenz zueinander. Ein einfaches Bespiel, welches auch gut nachvollzogen werden kann, ist jedoch das Datum der Wohnanschrift. Wenn sich jeder mal versucht, daran zu erinnern, als er das letzte Mal ein Bankkonto eröffnet hat. Da gibt es im Kontoeröffnungsantrag ein Feld, das ausgefüllt werden muss, wenn die aktuelle Wohnanschrift jünger ist als drei Jahre.
Ja, das ist bekannt. Was hat es damit auf sich?
Erik Manke Dem liegt die statistische Erkenntnis zugrunde, dass zum Beispiel die Schufa „weiß“, dass es dann ein erhöhtes Risiko des Zahlungsausfalles gibt.
Und womit ist das erklärbar?
Erik Manke Du kennst doch noch den Begriff des Mietnomaden!? Also Personen, die alle paar Monate ihren Wohnsitz wechseln. Zum einen zahlen die so gut wie nie Miete. Denen wird dann die Wohnung gekündigt. Generell wechseln diese oft die Wohnung, um immer wieder eine neue Bestelladresse zu erhalten, die sie auch überwachen können, indem sie dort kurzzeitig wohnen. Aus diesem Grund sehe ich übrigens auch das Airbnb-Angebot zumindest skeptisch, da insbesondere die vorübergehende Wohnanschrift von Betrügern gerne für ihre kriminellen Machenschaften genutzt wird.
Wie genau geht das mit der neuen Adresse?
Erik Manke Wenn Du etwas im Internet oder ganz oldschool per Telefon bestellst, dann gibst Du Deinen Namen und Deine Adresse an. Das Geburtsdatum ganz oft eben gerade nicht. Das Versandhaus fragt jetzt bei zum Beispiel der Schufa an, ob es mit dem Namen und der Anschrift Negativerfahrungen gibt. Da Du gerade „frisch“ zur Begehung von Straftaten Deinen Wohnsitz geändert hat, weiß die Schufa da noch nichts von und erklärt, dass keine Negativmerkmale vorhanden sind und schon „rutscht“ die Tat durch. Würde der Schufa auch das Geburtsdatum übermittelt werden, könnte sie jetzt prüfen, ob die Personalien anderenorts negativ aufgefallen ist und einen Warnhinweis geben. Aber bei über 83 Millionen Einwohnern wäre es fatal, einen Warnhinweis nur bei Übereinstimmung von Vor- und Nachname zu geben. Dafür gibt es zu viele Kombinationen, die nicht ausreichend individuell sind. Da brauchst Du nur „Müller“, „Meier“, „Lehmann“ oder „Schulze“ heißen und schon hast Du zig Namensvetter. Im Übrigen nenne ich hier dauernd die Schufa, weil die das bekannteste Unternehmen ist. Du kannst anstelle der Schufa auch Arvato, Boniversum oder CrifBürgel setzen.
„Die Unternehmen verstehen teilweise selbst zu wenig von Betrug.“
Aber warum warnen diese nicht besser?
Erik Manke Das ist ganz einfach: Es kommt auf die Fragestellung des Versandhauses drauf an. Wenn Du nur fragst, ob es Negativmerkmale gibt, bekommst Du auch nur darauf eine Antwort, die auch noch günstiger ist, als eine umfangreichere Auskunft. Die Unternehmen verstehen teilweise selbst zu wenig von Betrug und ahnen noch nicht einmal, dass sie besser fragen könnten. Hier gibt es viel Nachholbedarf und gerade junge Onlineshops machen oft bitterliche Erfahrungen.
Also tragen Datensammlungen zu mehr Sicherheit bei?!
Erik Manke Genau so ist es. Natürlich ist der Datenschutz ein sehr wichtiges Gut und es muss natürlich eine exakte Kontrolle seitens der Datenschutzbeauftragten stattfinden, wann welches Datum wie genutzt wird. Aber wie sehr qualitativ hochwertige Daten im Bereich der Prävention wichtig sind, sehen wir bei der Corona-Pandemie. Um Infektionsketten nachvollziehen zu können, müssen außerhalb des Lockdowns Gastronomiebetriebe die Gästedaten erfassen. Ich wünsche mir, dass die Selbstverständlichkeit der Datensammlung zum Erkennen einer Infektionskette auch dazu beitragen wird, dass wir zur Abwehr von Betrug auch bereitwilliger unsere Daten preisgeben.
Das birgt dann doch erheblich Risiken in sich. Du sprichst vom gläsernen Bürger.
Erik Manke Grundsätzlich hast Du Recht, aber genau diese Risiken gilt es zu vermeiden, indem die Daten z.B. verschlüsselt werden. Das ist gar nicht so schwer. Und wenn ich mir anschaue, mit welcher Offenheit Daten bei Gastronomiebetrieben mal ebenso auf Zettelchen oder gar in Bücher, die für jeden weiteren Gast einsehbar gewesen sind, aufgeschrieben wurden, dann kann ich mir gut vorstellen, dass gewitzte Betrüger gezielt in solche Pinten gegangen sein dürften, um an hochwertige Daten zu gelangen.
Womit wir wieder beim Identitätsdiebstahl wären. Ich fasse kurz zusammen: Betrüger spähen heutzutage also echte Personalien aus und nutzen diese, um ihre Taten zu legen. Etwaige Bonitätsauskünfte geben keine Warnsignale, weil die Personalien konkret zugeordnet werden können und bisher nicht negativ aufgefallen sind. So weit so gut. Aber wenn der Täter jetzt zum Beispiel meine Daten ausgespäht hat und etwas zu mir nach Hause bestellt, wie kommt er dann an die Beute? Wenn ich Dich richtig verstanden habe, muss er die ja zu mir senden, weil im Rahmen einer mutmaßlichen Schufa-Nachfrage auch die Adresse abgefragt werden könnte.
Erik Manke Es ist so perfide, wie es klingt: Die Paketversender bieten heute im Rahmen der höchstmöglichen Kundenfreundlichkeit unter anderem an, dass Du die Ware, die sich bereits auf dem Versandwege befindet noch umleiten kannst. Aufgrund der Trackingfunktionen ist das für jeden Täter sehr gut überwach- und steuerbar. Kurz vor Auslieferung an die Adresse der Person, dessen Daten ausgespäht worden sind, wird die Ware dann an zum Beispiel ein Kiosk mit „DHL-Funktion“ umgeleitet. Der Täter holt das Paket dort in aller Ruhe und Bequemlichkeit – und vor allem Schutz vor Entdeckung – ab.
„Europäische Täter haben ihr Wirkungsfeld auf Deutschland verlagert, weil es hier so schön einfach ist.
Der Kauf auf Rechnung macht es möglich.“
Das klingt ja zu einfach.
Erik Manke Ist es auch. Nicht umsonst ist bekannt, dass europäische Täter ihr Wirkungsfeld auf Deutschland verlagert haben, weil es hier so schön einfach ist. Der Kauf auf Rechnung macht es möglich. In anderen Ländern ist diese Art der Bezahlung – oder vielmehr Nicht-Bezahlung – gar nicht möglich. Trotz der Einfachheit ist das Vorgehen höchst kriminell und kann empfindlich bestraft werden.
Was erwartet den Täter für eine Strafe?
Erik Manke Täter, die diese Tatbegehungsweise haben – wir nennen es übrigens Modus Operandi, handeln regelhaft gewerbsmäßig. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten vor.
Kommt es da nicht auch auf die Bestellmenge und den verursachten Schaden drauf an?
Erik Manke Selbstverständlich. Die 6 Monate Mindestfreiheitsstrafe beziehen sich je Bestellung.
Moment mal. Gibt es Erfahrungswerte, wie oft Täter nach Identitätsdiebstahl mit jeder Identität bestellen?
Erik Manke Ja. Erfolgreiche Täter tätigen so ca. 25 bis 30 Bestellungen à durchschnittlich 100 bis 150 Euro.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand für 25 bis 30 Bestellungen 25 bis 30 Mal 6 Monate Freiheitsstrafe bekommt. Der sitzt dann ja bis zu 15 Jahre in Knast. Da hätte ich von gehört.
Erik Manke Dieser Art der Multiplikation findet in Deutschland glücklicherweise nicht statt; das wären ja diktatorische Zustände. Die Strafprozessordnung sieht bei gleich gelagerten und in enger Zeitabfolge zueinander begangenen Taten jedoch eine enge sogenannte Zusammenfassung vor, so dass Ersttäter auch oft mit unter 24 Monaten Freiheitsstrafe davonkommen. Diese wird dann in der Regel zur Bewährung ausgesetzt.
Das heißt, die müssen nicht ins Gefängnis?
Erik Manke Wenn sie nicht weiter auffällig werden, nicht. Denen kommt leider oft zu Gute, dass die Täter dann über die Einsicht in deren Ermittlungsakte klar wird, welche Fehler sie gemacht haben und richten ihr Handeln danach aus. Danach erwischen wir die schwerer.
Von Haftstrafen von Betrügern liest man wenig in den Zeitungen.
Erik Manke Das ist leider so, weil relativ wenig aufgeklärt und somit auch wenig eingesperrt wird.
„Dienststellen sind sowohl personell als auch technisch jahrelang stiefmütterlich behandelt worden.“
Woran liegt das?
Erik Manke Die entsprechenden Dienststellen sind sowohl personell als auch technisch jahrelang stiefmütterlich behandelt worden. Nicht ohne Grund mussten wir in den Hamburger Medien die letzten knapp sieben Jahre immer wieder davon lesen, dass Ermittlungsakten haufenweise auf die Fensterbänke oder gar in Schränke verschlossen gelegt wurden und dort vor sich hin moderten.
Die Kripo braucht also mehr Personal?
Erik Manke Das kann man leider nicht so einfach stehen lassen. Auf der einen Seite würde dem LKA Hamburg natürlich mehr Personal – insbesondere in der Betrugsbekämpfung – gut tun. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass das kein Allheilmittel ist. Vielmehr müsste vielmehr in Technik, Software-Tools und Know-how in Form von Fortbildungen investiert werden.
Das vorhandene Personal wird nicht ausreichend fortgebildet?
Erik Manke Leider überhaupt gar nicht. Die Personen, die dort arbeiten, sind hochmotiviert. Im Regelfall erhalten diese jedoch, wenn sie bei der Betrugsbekämpfung anfangen wollen oder sollen einen Einsteiger-Lehrgang, der mittlerweile auf fünf Tage heruntergestürzt worden ist. Nach fünf Tagen sollen das dann Betrugsspezialisten sein. Nachdem, was ich bisher erzählt habe, dürfte es auf der Hand liegen, dass das nicht der Fall ist.
Das wäre in der freien Wirtschaft kaum denkbar. Dort setzt man vermehrt auf Spezialisierungen.
Erik Manke Das ist mir sehr wohl bekannt. Da hat die Behörde jahrelang geschlafen. Das kann man gar nicht anders sagen. Aufgrund mangelnder Effizienz sprechen Fraud Manager in der Branche auch gerne davon, dass die Konsequenzen der Strafverfolgung keine Abschreckung, sondern vielmehr Werbung für diesen Bereich ist.
Das klingt ja gruselig. Kann man sich als Privatperson davor denn schützen?
Erik Manke Es gibt dazu allgemeine Hinweise, die zwar alle der Wahrheit entsprechend, ich diese jedoch als relativ lasch empfinde. Natürlich ist es unbedingt wichtig, nicht nur sichere Passwörter, sondern für alle seine Online-Accounts auch unterschiedliche Passwörter zu benutzen. Darüber hinaus muss man den Grundsatz verinnerlichen, dass z.B. eine Bank NIEMALS bei einem anrufen und irgendein Passwort am Telefon oder gar die Eingabe einer PIN oder TAN abverlangen wird. Gerade in den vorherrschenden Corona-Zeiten fallen Bürgerinnen und Bürger aber leider immer wieder darauf rein, da der Betrüger am Telefon erklärt, dass man aufgrund der Kontaktbeschränkungen gerade nicht in die Filiale gehen solle und daher eine Sicherheitsabfrage am Telefon stattfinden muss. Der Bürger verkennt, dass das seitens einer Bank niemals stattfinden wird.
Das klingt ja perfide. Das funktioniert?
Erik Manke Wie geschnitten Brot kann ich da nur sagen. Viele Menschen haben durch die Unsicherheit eine gewisse Grundangst und diese Tatsache machen sich Täter seit einigen Monaten vermehrt zu Nutze, indem sie die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie als Masche verwenden.
Gibt es weitere Empfehlungen, die Du aussprechen kannst?
Erik Manke Zurzeit diskutiere ich einige Lösungsansätze mit Unternehmen. Es wäre zu einfach, wenn der Bürger verstehen würde, dass die Abgabe der eigenen Daten an ganz bestimmte Unternehmen ein sehr guter Schutz sein kann. Das ist jedoch ein dickes Brett, das gebohrt werden muss. Da sind wir als Gewerkschaft allerdings dran.
Was macht die Politik diesbezüglich?
Erik Manke Leider viel zu wenig. Und das bisschen, dass sie macht, macht sie oft auch nicht mal richtig. Als vor einigen Jahren zum Beispiel Daten von reichlich Bundestagsabgeordneten ausgespäht und missbräuchlich für Bestellungen genutzt worden sind, hat der Bundestag einige Zeit später der Inkassobranche auferlegt, besser zu prüfen, wem sie da ein Inkassoschreiben zustellt.
Aber dann ist doch die Betrugstat längst geschehen?!
Erik Manke Genau. Bei der „Lösung“ wird der Überbringer der schlechten Botschaft bestraft und gegen den Betrug selbst nichts unternommen. Ich persönlich halte das sogar für totalen Unsinn.
Zurück zum Einzelnen. Was kann ich tun? Wie kann ich mich schützen?
Erik Manke Es gibt eine Lösung, derer ich mich selbst bediene. Die nennt sich Sicurnet. Das ist ein Produkt von CrifBürgel. Der Dienst dabei ist, dass CrifBürgel im Darknet meine Daten einem Monitoring unterzieht und mich warnt, sobald meine Daten missbräuchlich eingesetzt oder gar gehandelt werden.
„Ein gefundenes Fressen für Betrüger sind Personen, deren Daten leicht im Internet zu recherchieren sind.“
Die recherchieren im Darknet nach Deinen Daten?
Erik Manke Ja. Ich finde den Ansatz genau richtig. Natürlich ist das kein 100%iger Schutz. Der Dienst kostet knapp 40 Euro im Jahr. Das sollte jedem diese gewisse Grundsicherheit wert sein. Insbesondere Personen, deren Daten leicht im Internet zu recherchieren sind, wie zum Beispiel im Impressum stehende Geschäftsführer, sind ein gefundenes Fressen für Betrüger. Gerne genommen sind im Übrigen auch Fussballspieler aus der 2. und 3. Liga, die nicht ganz so bekannt sind, wie die Erstligisten und dennoch über höchstwahrscheinlich ausreichend Bonität verfügen, dass es ein Leichtes ist, diese Daten für Bestellung auf Rechnungen, Mobilfunkverträge in dessen Rahmen hochwertige Smartphones herausgegeben werden oder gar Konsumentenkredite zu missbrauchen. Diese Personaldaten sind übrigens auf der Internetseite www.transfermarkt.de zu finden.
Ha! Jetzt gibst Du ja doch Tipps.
Erik Manke (lacht) Die Datenbank „Transfermarkt“ ist so sehr unter Betrügern bekannt, das kann man leider schon offen sagen.
Hast Du noch ein Abschlusswort für uns?
Erik Manke Sehr gerne: Jeder, der z.B. Zustellung eines Mahnbescheides einer nicht getätigten Warenbestellung merkt, dass seine Identität missbraucht wurde, sollte sich umgehend bei der Schufa und bei CrifBürgel online als Betrugsopfer registrieren. Bei der Schufa heißt das „FraudPool“ und bei CrifBürgel „Deutsches Schutzportal“. Dadurch reißt dann die Serie schneller ab und man kann noch einige Taten abwenden. Ansonsten hat man eine nahezu unendliche Rennerei, die Taten sowohl bei der Polizei anzuzeigen als auch, den ganzen Warenversendern zu erklären, dass man Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden ist. Da leidet die Lebensqualität sehr drunter.
Erik, vielen Dank. Ich hoffe, wir können Dich alsbald wieder begrüßen und Du kannst uns noch weitere sowohl spannenden Geschichten erzählen als auch Tipps geben.
Erik Manke Sehr gerne Gunnar. Vielleicht passt es ja, wenn ich nächstes Mal etwas über den Identitätsdiebstahl von Unternehmen erzähle und wie man sich schützen kann?! Der CEO-Fraud zum Beispiel ist dazu ein Unterpunkt und funktioniert ja immer noch, obwohl man da gut präventiv etwas gegen unternehmen kann.
Das hört sich nach einem Plan an. Auf bald.
Erik Manke Tschüss Gunnar und alles Gute. Bleib gesund.
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