Business & Money
Judith Rakers
Homefarming mit Herz und Huhn
„Homefarming“, so heißt sowohl ihr aktuelles Buch, als auch Ihr gerade im März gestarteter Podcast. Wie sind Sie auf den Begriff „Homefarming“ gekommen und was verbirgt sich dahinter?
Judith Rakers In meinem Buch und dem Podcast zeige ich, wie einfach es ist, sich gesundes Gemüse im Garten oder auf dem Balkon selbst anzubauen - wie entspannend das auch sein kann. Und wie schön es ist, eigene Hühner im Garten zu halten, die einen dann mit den frischesten Bio-Eiern der Welt verwöhnen. Außerdem geht es auch immer wieder um Tipps, wie man die selbst angebauten Lebensmittel lecker zubereiten oder haltbar machen kann. Für all das habe ich nach einem griffigen, modernen Begriff gesucht, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann. Und weil ich mein kleines Häuschen im Hamburger Umland immer schon liebevoll „Meine kleine Farm“ genannt habe, lag der Begriff „Homefarming“ plötzlich ganz nahe. Der entspannte Gegenentwurf zum Homeoffice und Homeschooling sozusagen.
Könnte man es auch Selbstversorgung nennen?
Judith Rakers Ja, man könnte auch „Selbstversorgung“ sagen, allerdings weckt das bei mir immer so leichte Aluhutträger-Assoziationen, weil der Begriff auch oft im Kontext mit der Versorgung in Krisenzeiten auftaucht. Also habe ich versucht einen neutraleren Begriff zu finden, der in den Mittelpunkt rückt, dass es in meinem Buch und dem Podcast um den eigenen Wohlfühlbereich geht, um Naturverbundenheit und nicht um das pragmatische Schaffen von Lagerbeständen. Und um Hühner, denn es gibt viele Bücher zur Selbstversorgung, in denen Hühner gar keine Rolle spielen. Mir ist das Leben mit den Federfreunden und mit Tieren allgemein aber wichtig und da bin ich gedanklich dann eher bei der „Farm“.
Mit dem Begriff Selbstversorgung assoziieren viele Menschen auch, dass man überhaupt nicht mehr einkaufen geht. Aber ich kann versichern, dass bei mir auch kein Waschmittel auf den Bäumen wächst (lacht). Und wenn im Winter bei uns keine Tomaten wachsen, kaufe ich im Handel auch mal frische Tomaten aus dem Gewächshaus, obwohl ich diese – am liebsten besondere und seltene Sorten, die man auch im Biomarkt nicht bekommt – viel lieber selber anbaue.
Mein Angang ist also ein bisschen offener und sehr undogmatisch. Ich agiere nach dem Prinzip: Wenn der Garten mir im Sommer die Selbstversorgung ermöglicht, dann nehme ich das sehr gerne an. Das führt dann auch tatsächlich dazu, dass ich in den Erntemonaten fast gar kein Gemüse mehr zukaufe. Letztlich tut man natürlich auch etwas für die Umwelt, da es auf unterschiedlichste Weise nachhaltig ist, wenn man etwas selbst anbaut.
Selbst wenn man sich, trotz Ihrer großen Begeisterungsfähigkeit, (noch) nicht zum eigenen Homefarming hinreißen lässt, bekommt man als Leser:in oder jetzt auch Hörer:in eine neue Sensibilität für Begriffe wie Saisonalität und Regionalität. Wie war das früher bei Ihnen?
Judith Rakers Ich hatte keine Ahnung (lacht). Wirklich, ich kannte die Begriffe, wusste aber oft nicht, was jetzt tatsächlich saisonal sein kann und regional. Und das nicht nur, weil ich keine Ahnung vom Thema Garten hatte, sondern ich hatte auch keine Ahnung vom Thema Kochen. Ich konnte einfach alles nicht: Ich hatte keine Ahnung von Hühnern, Gemüse- und Obstanbau und auch nicht vom Kochen.
Die Theorie hatte ich natürlich verstanden. In der Praxis stand ich aber dann im Supermarkt und wusste einfach nicht, was gerade bei uns wächst. Mir war natürlich klar, dass eine Ananas nicht bei uns im Alten Land gedeiht und dass es eine Spargel- und Grünkohlzeit gibt. Ich wusste aber nicht, wann bei uns genau Möhren reif sind und wann man einen regionalen Salat kaufen kann, der nicht aus einem beheizten Gewächshaus stammt. Das alles wird einem bewusst, wenn man selbst Gemüse und Obst anbaut.
Der Gemüse- und Obstanbau im eigenen Garten klingt wirklich verlockend. Worauf sollte ich achten, wenn ich möglichst simpel und mit Erfolgsgarantie starten möchte?
Judith Rakers Darauf, mit dem richtigen Gemüse und Obst zu beginnen. Mit Sorten, die leicht anzubauen sind und deshalb motivieren weiterzumachen. Es gibt nämlich viele Gemüsesorten, die wirklich von alleine wachsen – ohne dass man ständig daran herumfrickelt. Bei Salat ist das beispielsweise so. Samen in die Erde, regelmäßig Wasser und nach vier bis sechs Wochen kann man seinen Rucola, Kopf- oder Pflücksalat ernten. So einfach kann man sich ein Salatbuffet in den eigenen Garten oder auf den Balkon zaubern.
Dann gibt es aber auch Gemüsesorten, die sind extrem kümmerungs-intensiv, gefolgt von denen, die einen regelrecht frustrieren können. Dazu gehören zum Beispiel die Tomaten – echte Diven. Leider wusste ich das zu Beginn meiner Pflanzversuche nicht, da in keinem der Bücher, die ich zur Vorbereitung gelesen hatte, eine Warnung vor den zickigen Sorten ausgesprochen wurde.
Das ist auch der Grund, warum ich das in meinem Buch anders gemacht habe. Es richtet sich ja an Anfängerinnen und Anfänger, wie ich es damals war. Und ich unterscheide das Gemüse in anfängergerechtes Motivationsgemüse, in Gemüse für Fortgeschrittene und in Gemüse für Leidensfähige. Zum Anfängergemüse gehört der schon beschriebene Salat, dem folgt das Gemüse für Fortgeschrittene. Da sind zwischendurch ein paar kleinere und simple Arbeitsschritte notwendig. Kartoffeln anhäufeln zum Beispiel. Zu guter Letzt gibt es dann noch das Gemüse für Leidensfähige. In dieser Kategorie findet man dann auch die Tomate wieder. Die Tomate ist von Anfang an eine Diva und braucht sehr viel Aufmerksamkeit: Sie muss auf der Fensterbank vorgezogen werden, ihre Blätter dürfen nicht nass werden, sie bekommt schnell Krautfäule und muss ständig ausgegeizt und hochgebunden werden. Belohnt wird man dann aber auch einen Sommer lang mit den leckersten Tomaten. Besonders schön ist, dass man alte und robuste Sorten anbauen kann, die man weder im Super- noch im Biomarkt erhält. Diese Sorten sind oftmals schlecht zu transportieren, da sie dünne Schalen haben, aber für deinen eigenen Anbau spielt das keine Rolle. Es gibt da phantastische Sorten und alle schmecken ein wenig anders.
Sie selbst haben sich Ihr Wissen in den letzten Jahren autark angeeignet. War das so intensive befassen mit der Natur eine bewusste Entscheidung oder hat sich diese Liebe heimlich immer mehr in Ihren Alltag reingeschlichen?
Judith Rakers Ich war schon immer jemand, der unglaublich gerne in der Natur war und spätestens der Urlaub hat mich immer wieder dorthin geführt. Und je älter ich wurde, desto stärker wurde auch der Wunsch und der Drang in mir, die Natur noch mehr in mein Leben und in meinen Alltag zu holen. Abends am Lagerfeuer statt auf dem Balkon sitzen. Den Sternenhimmel sehen und das Moos und den Wald riechen, statt nach einem Platz im Café Ausschau halten.
Irgendwann habe ich dann die Entscheidung getroffen, aus Hamburg rauszuziehen und dann bin ich im Norden von Hamburg fündig geworden. Ein Häuschen mit riesigem Garten, ringsherum Weiden und Naturschutzgebiet. Dafür keine Nahverkehrsanbindung, keine Anbindung an fließendes Wasser, stattdessen ein eigener Brunnen und Warmwasser über Solar. Mein Pippi Langstrumpf-Traum wurde Wirklichkeit. Ich habe all meinen Mut zusammengenommen, habe meinem inneren Kompass vertraut und es seitdem keine einzige Sekunde bereut. Mit dem großen Garten kam dann auch der Wille, es mit dem Gemüseanbau zu probieren.
In Ihrem Buch geht es neben Gemüse und Obst auch um Hühner und ihre artgerechte Haltung. Wie oder wann kamen denn die Hühner mit ins Spiel?
Judith Rakers Die Hühner gehörten tatsächlich mit zum Haus. Sie waren bereits alt und sollten nicht umgesiedelt werden. Das war sozusagen der Haken an der Sache und zunächst der einzige Minuspunkt auf meiner Liste. Denn Vögel im Allgemeinen und Hühner im Besonderen waren nicht meine Lieblingstiere. Ich fand sie eher unsympathisch.
Aber ich wollte dieses Haus und dieses Haus war eben nur mit Huhn zu übernehmen. Also schob ich all meine Bedenken zur Seite, vertraute meinem angelesenen Grundwissen und hoffte darauf, dass Hühner tatsächlich wenig Arbeit machen und wir warm werden miteinander.
Als ich dann endlich in das Haus einziehen konnte, war aber leider kein Huhn mehr da. An Altersschwäche verstorben – und ich war darüber tatsächlich traurig. Ein Jahr später, das erste Gemüse war schon im Beet, habe ich mir dann neue Hühner geholt - vom Züchter in Hamburg-Neuengamme. Abschließend kann ich ehrlich sagen, dass die Hühner ursprünglich kein Lebenstraum von mir waren, aber jetzt möchte ich nicht mehr ohne sie sein.
Viele Menschen halten sich heute wieder Hühner und noch mehr würden es gerne. Gibt es Besonderheiten, die man dabei beachten sollte?
Judith Rakers Soviel muss man gar nicht beachten. Hühner sind total unkompliziert und laufen einfach so mit. Und es ist so schön mit Ihnen zu leben. Sie schließen schnell Freundschaft mit uns Menschen und freuen sich dann sehr, uns zu sehen. Vor allem dann, wenn wir ihnen ab und zu mal ein paar Speisereste bringen. Sie sind nämlich auch tolle Resteverwerter.
Wer in seinem Garten etwa 20m² übrig hat, der kann einer kleinen Gruppe von vier Hühnern ein wundervolles Leben schenken. Damit ist eine Familie schon bestens mit Eiern versorgt und man hat viel Gutes getan. Bei vier Hennen benötigt man übrigens auch noch keinen lauten Hahn, der Ordnung in den Hühnerhaufen bringt.
In meinem Buch und dem Podcast gebe ich dazu viele praktische Tipps: von der Einrichtung des Hühnerstalls, über die Auswahl der besten Rassen für den Garten bis hin zum Thema Ernährung und Impfung. Und Funfacts gibt’s auch. Viele wissen beispielsweise nicht, dass es wunderschöne, natürlich bunte Eier gibt und dass das mit der Hühnerrasse zu tun hat. Eben nicht nur weiß oder hellbraun, wie im Supermarktregal, sondern bordeauxrot, schokoladenbraun, hellblau oder moosgrün. Es gibt fast jede Farbe des Regenbogens auch als Ei. Zu Ostern färben muss man dann nicht mehr (lacht).
Es ist ein einfach ein total schönes Miteinander mit diesen Tieren. Bei mir hat sich auch durch sie schnell ein richtiger Kreislauf dadurch entwickelt: Die Hühner essen alle meine Küchenabfälle und den Salat aus dem Beet und beliefern mich dafür mit leckersten Bio-Eiern.
Die Beete dünge ich im Herbst übrigens gerne mit den abgelagerten Pferdeäppeln meiner kleinen Stute Sazou, die mich ab und zu im Garten besucht und die die Hühner herrlich interessant findet. Pferde essen nur Pflanzen und ihre Äppel sind der beste organische Dünger der Welt. Umweltschädlichen chemischen Dünger muss man dann nicht mehr kaufen.
In den ersten Folgen des gleichnamigen Podcasts wurde schon das Konzept und die Idee dahinter deutlich: gemeinsam durchs Gartenjahr. Ist der neue Podcast auch eine Vertiefung und eine Art Praxisteil des Buches, mit dem die (neuen) Hobbygärtner an die Hand genommen werden?
Judith Rakers Genau, das Buch ermöglicht zunächst einen grundsätzlichen Zugang zum Thema Homefarming. Mit der Einteilung in Gemüse für Anfänger, für Fortgeschrittene und für Leidensfähige hebe ich mich von anderen Gartenbüchern ab. Denn wenn man als Anfänger mit der Tomate startet, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass etwas schief geht und man die Schuld bei sich selbst sucht – zu unrecht. Wenn man aber in der richtigen Reihenfolge an die Pflanzen ran geht, wird jeder Erfolg haben. Das bringt Spaß und motiviert weiter zu machen.
Ich habe sehr viel Feedback zu meinem Buch bekommen. Damit, und auch mit dem großen Erfolg, hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Aber es hat mir eben auch gezeigt, dass da ein echter Bedarf besteht und dass ich nicht die Einzige bin, die wenig Ahnung und wenig Zeit hat, sich aber dennoch für Gemüseanbau und Nutztierhaltung interessiert. Der Podcast ergänzt das nun, denn alle zwei Wochen erzähle ich den Hörerinnen und Hörern etwa 30 Minuten lang, was genau jetzt im Gemüsegarten und im Hühnerstall zu tun ist und welches Gemüse gerade saisonal und regional zubereitet werden kann. Vielen Hobbygärtnern fehlt am Anfang nämlich das Zeitgefühl. Was mache ich wann im Garten. Kann ich jetzt schon Salat einsäen? Kann ich im Juli noch irgendwas mit Tomatensamen anstellen? Im Podcast machen wir das alles zusammen. Betreutes Pflanzen sozusagen – mit viel Spaß und lustigen Geschichten von meiner kleinen Farm.
Jetzt im April ist übrigens eine super Zeit, um in das Homefarming einzusteigen. Das Einsäen in die Beete startet erst so richtig im Mai nach den Eisheiligen, aber bereits jetzt kann man den Garten und Balkon dafür vorbereiten und auch schon die ersten Samen auf der Fensterbank vorziehen. Vieles wächst auch ganzjährig in der Wohnung. Selbst wann man nur ein 1-Zimmer-Apartment ohne Balkon hat, kann man Homefarming betreiben.
Das Schöne am Homefarming ist auch, dass man sichtbare Ergebnisse hat. Köstliche Kräuter, gesundes Obst und knackiges Gemüse. Sie gehen in Ihrem Podcast aber einen Schritt weiter. Sie erklären über das Gärtnern hinaus auch, wie man seine eigne Ernte richtig einlagert und auch haltbar machen kann. Wird es in der Erntezeit auch Rezeptideen geben, die gut und simpel umzusetzen sind?
Judith Rakers Ja, auf jeden Fall. Wenn man viel erntet, muss man auch eine Idee haben, was man damit alles machen kann. Auch mir ging es zu Beginn nicht anders. Was mache ich mit einem knackig-frischen Kohlrabi – von der allseits bekannten Kohlrabistifte-in-weißer-Soße-Variante einmal abgesehen. Also habe ich mich mit der Verarbeitung meiner Ernte auseinandergesetzt. Kochen kann ich deshalb immer noch nicht richtig gut, aber ich habe mir einen schönen Fundus an vielfältigen, leckeren und vor allem simplen Rezepten aufgebaut. Alle Rezepte sind für Anfänger geeignet – sonst würde ich sie nämlich auch nicht hinkriegen - und ein paar davon findet man bereits in meinem Buch.
Dabei ist die eigentliche Herausforderung, dass so viel Gemüse gleichzeitig reif wird. Manche Sorten muss man dann auch ernten, damit sie beispielsweise nicht bitter werden. Drei Wochen nur Zucchini essen, ist für mich aber keine Option. Für diese Fälle verrate ich sowohl im Buch, als auch im Podcast, Ideen und Rezepte, wie man das aktuelle Gemüse zubereiten, einlagern oder auch einkochen kann.
Ihr Ausgleich zum Homefarming sind bekanntermaßen die „Tagesschau“, die Talkshow „3 nach 9“ und die „Wunderschön“-Reisereportagen. Ist das für Sie aktuell die perfekte Mischung oder doch zwei Welten zwischen denen Sie sich hin und her bewegen?
Judith Rakers Mein Job ist der Ausgleich (lacht). Soweit ist es leider noch nicht. Aber ich empfinde das alles gerade als perfekte Mischung. In meinem Job als Tagesschau-Moderatorin habe ich so viel mit Druck- und Stresssituationen zu tun, bei Auftritten auch mal mit Lampenfieber – da erdet diese Beschäftigung in der Natur so schön. Es zeigt mir immer wieder, wie schön die kleinen Dinge des Lebens sind.
Und gerade wenn man viel am Computer sitzt und von Technik umgeben ist, kann es so erholsam sein, nach Feierabend barfuß ins Beet zu gehen und noch ein bisschen körperlich zu arbeiten. Die Sinne anzuschalten: zu riechen, zu schmecken, zu fühlen. Mich erdet das immer ungemein und dann ist es zusätzlich auch noch so unglaublich praktisch und lecker.
Früher hatte ich gerade aufgrund meines Jobs und der vielen Reportage-Reisen oft nichts gesundes im Kühlschrank, weil wieder keine Zeit zum Einkaufen da war. Und jetzt gehe ich einfach in den Garten und gucke, was gerade geerntet werden kann. Im empfinde das als großes Glück!

Homefarming: Selbstversorgung ohne grünen Daumen
Hardcover, 240 Seiten
ISBN 978-3833877834
Kommentare
Kommentar von Dorte |
Nicht nur im Fernsehen so unglaublich sympathisch...wer Hühner, Pferde u. Natur liebt, kann nur nett sein;) l. G. Dorte aus Schwanewede mit Rolf u. Helma
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