Art & Design
Frank Wartenberg
Fotografie im Wandel
Herr Wartenberg, Sie sind einer der Top-Fotografen in Deutschland. Was sind Ihre Arbeitsfelder? Wo sind Sie zuhause?
Frank Wartenberg Ich bin in der Porträt-Fotografie zuhause und habe mit Mode-Fotografie gestartet – der Wunsch, hübsche Mädchen irgendwo auf der Welt zu fotografieren.
Pressefotografen oder auch Paparazzi haben keine Zeit zum Überlegen. Sie haben und brauchen viel Zeit für Ihre Einstellungen …
Frank Wartenberg Ja, die Kollegen müssen das nehmen, was ihnen geboten wird, während ich natürlich eins zu eins mit dem Porträtierten bin. Es ist dabei egal, ob das jetzt der Bürgermeister oder ein Schauspieler oder eine Sängerin ist. Oder wenn ich jetzt ein Bild von Ihnen machen würde, wären wir eins zu eins.
Wer sind Ihre Kunden?
Frank Wartenberg In den 30 Jahren meiner Laufbahn habe ich für so viele unterschiedliche Kunden gearbeitet. Für alle Hamburger Verlage, also Zeitschriften, für die Katalogfirmen wie Otto und Quelle, für Modefirmen wie s. Oliver, Peek & Cloppenburg und BRAX und für Werbekampagnen wie Schwarzkopf, Coca-Cola und Nivea. In New York habe ich z.B. für Bloomingdale‘s, Saks und ESPN Sports fotografiert. Ich habe auch viel für Fernsehsender gearbeitet und Moderatoren wie Kai Pflaume und Nina Ruge fotografiert und so bemerkt, dass ich das Arbeiten mit Menschen, die keine Models sind, sehr interessant fand. Die Porträtfotografie ist heute das, was ich am allerliebsten mache. Begegnungen mit Katja Riemann, Christian Berkel, Elias M´Barek oder Liv Lisa Fries sind ganz besonders für mich. Aber auch Porträts von Nicht-Prominenten zu shooten macht mir unglaublich viel Spaß, weil ich jeden individuell begleiten kann. Das sind dann Geschäftsführer und Mitarbeiter von Firmen, Freiberufler wie Architekten, Autoren oder auch Menschen, die rein privat porträtiert werden möchten.
Geht es auch bei den Agenturen und Verlagen im Wesentlichen um Menschen?
Frank Wartenberg Ja, auf jeden Fall bei den Aufträgen, die ich mache.
Sie sind nicht der Mann für die Sach-Fotografie?
Frank Wartenberg Genau. Ich fotografiere weder Autos noch Interieur. Auch keine Architektur oder Food.
Die künstliche Intelligenz stellt ja nun die Welt ein wenig auf den Kopf. Wie beeinflusst die KI auch die Fotografie? Haben Sie schon mit der KI gearbeitet?
Frank Wartenberg Nein. Das ist zwar als Antwort so nicht ganz richtig, denn wenn ich hier jetzt ein Bild von diesem herrlichen Hotel mit meinem Handy mache, ist das natürlich auch voll mit KI. Es entscheidet, wie der Ausschnitt sein soll, ich gehe ein bisschen dichter ran oder ein bisschen weg. Bei einem Porträtjob ist das etwas anderes. Nehmen wir an, ich porträtiere die tolle Schauspielerin Anna Bederke – dann mache ich das ganz manuell. Das heißt, selbst die Einstellung der Helligkeit und der Belichtung, also alles das, was so entscheidend ist, das entscheide ich. Ich schalte sozusagen die Programme aus und gehe komplett auf manuell.
Sie beginnen an der Basis, also bei null. Sie haben dabei die Technik im Auge und müssen natürlich die Kreativität berücksichtigen, um Emotionen rüberzubringen. Sind das nicht letztlich Bereiche, die die KI gar nicht liefern kann?
Frank Wartenberg Sagen wir mal so: Ich bin mit meiner Arbeit ein Beispiel dafür, wo es keinen Sinn machen würde, KI einzusetzen. Das bedeutet aber, wenn ich Bilder bearbeite, gehört natürlich auch Photoshop dazu. Das bietet mir heute viele Tools an, die letztlich aus der KI kommen. Das Entscheidende dabei ist, dass ich tatsächlich die Entscheidung habe, ob mir das Bild gefällt, ob es zu dunkel oder zu hell ist. Und es muss natürlich auch dem Kunden oder Betrachter gefallen. Das ist also etwas, was manchmal hinterher passiert – und natürlich auch beim Fotografieren. Das muss ich im Auge behalten. Wenn wir jetzt, wie die Kollegin gerade mit uns, mit Tageslicht fotografieren, haben wir gerade das ideale Licht. Es ist bedeckt, trotzdem ist es ein schönes Licht. Es wechselt nicht permanent. In Hamburg hast du immer mal wieder Wolken und alle drei Sekunden ändert sich die Lichtsituation.
Wenn beispielsweise drei Profi-Fotografen eine Persönlichkeit fotografieren. Wie weit können Sie da Unterschiede wahrnehmen? Was macht das Künstlerisch-kreative aus?
Frank Wartenberg Ich denke, dass die meisten Fotografen, die solche Jobs machen, auch ihren eigenen Stil haben. Das heißt also drei Mal Bilder von Herrn Macron, der ja gerade hier durch die Hallen gegangenen ist, würden auch unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen, wenn man den Fotografen jeweils die Möglichkeiten lässt. Wenn du es in die Hand des Künstlers gibst und es ihn entscheiden lässt, dann tut er das auch.
Wie beschreiben Sie denn den Frank Wartenberg-Stil?
Frank Wartenberg Ein Frank Wartenberg-Stil, eine sehr gute Frage. Es gibt eine gewisse Ästhetik, das heißt, wie baut er ein Bild auf? Wie schaut er auf Gestaltungsmerkmale wie Licht, die Person, auf Emotion und Gefühl? Je mehr Freiraum da ist, desto mehr versuche ich natürlich, bei einem Porträt eine entspannte Situation zu bekommen. Weil der Mensch im Vordergrund steht. Es geht darum, eine schöne Momentaufnahme festzuhalten. Der Moment kann auch traurig sein. Schön ist gar nicht das Wort, was es beschreibt. Es muss sehr persönlich sein. Das ist etwas, wo man einen Kontakt aufbauen muss, wo man das auch fühlen und sehen muss. Ich denke, das ist ein Talent, das ich habe. Ich kann Dinge sehen – was sehr, sehr wichtig ist – und ich kann Dinge fühlen …
„Fühlen ist das, was KI nicht kann.“
… sonst wären Sie nicht da, wo Sie sind …
Frank Wartenberg … und das Fühlen ist das, was KI nicht kann.
Im Alltag knipsen wir mit unserem Handy mehr oder weniger bedeutende Situationen. Der Fotograf fotografiert. Früher noch analog, heute digital. Fotografieren Sie noch analog?
Frank Wartenberg Mache ich tatsächlich zu meinem Bedauern nicht mehr, weil es für mich auch eine Grundsatzentscheidung war. Ich habe sehr, sehr lange meine Kunden mit analogen Bildern beglückt. Im Analogen konnte ich Filme und Bilder beeinflussen, durch längere Entwicklung, durch Verfahren, die dann tatsächlich in meiner Hand lagen. Leider war es irgendwann eine Kostenfrage. Die Kunden waren nicht mehr bereit, die hohen Kosten für Filmmaterial und Entwicklung zu tragen. Ein schleichender Übergang zum Digitalen.
Professionelles Fotografieren setzt technisches Wissen, physikalische und digitale Regeln voraus, die man beherrschen muss.
Frank Wartenberg Ja, das wäre wünschenswert. Es gibt tolle Literatur dazu, z.B. von Ansel Adams, um die Fotografie besser zu verstehen. Es geht um Verschluss und Zeit.
Das ist ein Wissen, das gar nicht mehr so vermittelt wird. Heute geht es vielfach darum, Dinge im Moment umzusetzen. Und es auch sofort prüfen zu können, das ist das Entscheidende. Früher bin ich für einen Kunden drei Wochen auf Kuba gewesen oder ich durfte irgendwo in Afrika sein. Wir haben keinen einzigen Film entwickelt, der ist einfach nicht gesehen worden. Wir haben Polaroids von Szenen gemacht, die wir umgesetzt haben. Die Filme hat man in großen Beuteln zurück nach Hamburg, Paris oder London gebracht, je nachdem, wo ein gutes Labor war. Da hat man dann zum ersten Mal gesehen, was passiert ist.
Trotz der vorherrschenden digitalen Intelligenz, wenn wir das mal so nennen, bleibt ja noch die emotionale Herausforderung des Fotografen. Die kann, Sie haben es gesagt, die KI nicht ersetzen …
Frank Wartenberg … das ist auch schön so. In der Porträt-Fotografie ist ja der direkte Kontakt das Schöne. Für Menschen musst du auch Menschen lieben. Und wenn du Menschen liebst, musst du auch in der Szene einen Kontakt aufbauen können und mit dem Menschen auch respektvoll und anständig umgehen können. Man kann, wenn man offen ist, die Leute auf diese tolle Reise mitnehmen. Ich habe das große Glück gehabt, über die Jahre phantastische Auftraggeber gehabt zu haben, die mir diese Möglichkeiten gegeben haben. Ich habe mir auch selber Themen gestellt und sie frei umgesetzt.
„Der Mafioso - aufgenommen in einem Restaurant in Hamburg.“
… wie den Wartenberg-Klassiker des Mafioso … (Anm. d. Red.: Titelbild dieses Interviews)
Frank Wartenberg … ja, es gibt ein Bild von mir, das ist der Mafioso, das in einem Restaurant in Hamburg in einer Größe von drei mal sechs Metern hing, in Schwarzweiß. Es ist ein Mann, der sein ganzes Leben nicht fotografiert worden war. Den traf ich während eines Shootings. Er war einer der Leute, die zur gesuchten Atmosphäre hinzugebucht worden waren. Ein uralter Italiener mit sehr schlechten Zähnen. Der hat mir einfach unheimlich gut gefallen und ich wollte ihn unbedingt porträtieren. Der arme Mann musste während des Werbe-Shootings unbedingt die Lippen geschlossen halten, damit man die kaputten Zähne nicht sah. Ich fand seine Ausstrahlung toll und er sollte sein Lachen zeigen. Für mich ist das überhaupt nicht schlimm, dass die Zähne nicht in Ordnung sind …
… das Foto ist ja ein sehr bekanntes Motiv geworden …
Frank Wartenberg … genau. Er hat die Sonnenbrille der Stylistin auf, eine Modebrille mit verspiegeltem Glas. Das ist das berühmteste Bild geworden.
Es gab Zeiten, da hätte man mit Photoshop sofort die Zähne korrigiert.
Frank Wartenberg Das war die Zeit, als durch Photoshop alles überperfekt retuschiert wurde. Die Zeiten sind zum Glück vorbei. Es war ein Hype, eine Euphorie über die technischen Möglichkeiten. Dann normalisierte sich das wieder. Ich denke mal, dass diese Entwicklung mit der KI in der Kunst ähnlich sein wird. Heutiger Hype über das, was plötzlich alles möglich ist. Und das wird sich relativieren, normalisieren.
Es verändert sich die Motiv-Situation und KI ist ja möglicherweise auch nicht das Ende der Weisheit. Haben Sie Phantasien, was noch passieren könnte?
Frank Wartenberg Haha, ja. Ich denke, es wird ganz viel passieren. Mein kleiner Bereich der Fotografie in Zusammenhang mit der KI ist überschaubar. In der Fotografie sind viele Dinge noch nicht geklärt. Es geht auch um die Persönlichkeitsrechte. Ist es nur eine Möglichkeit, mit der herumgespielt wird oder um Dinge voranzutreiben und noch kreativer zu machen? Der Hype ist einfach da, geht aber auch, wie wir in unserem Alter wissen, gern wieder vorbei. Machen, um des Machen willen finde ich nicht richtig. Man sollte schon schauen, was man wirklich möchte. Ist es das Überperfekte? Geht es um Kosten? Mit Social Media sind wir ja ständig auf der Probe. Ich nehme schon wahr, dass man mehr auf Charaktere, mehr auf Internationalität, mehr auf Persönlichkeit setzt. Es ist überhaupt nicht wichtig, ob jemand Idealmaße hat oder vielleicht etwas mehr Pfunde mit sich herumträgt. Die Ausstrahlung muss da sein.
„Müssen wir immer perfekt sein?“
Müssen wir immer perfekte Menschen sein? Wenn ein Bild nicht perfekt ist, ist es oft das richtige. Der alte Mann mit den schlechten Zähnen ist ein gutes Beispiel.
Wann haben Sie dieses berühmte Bild gemacht?
Frank Wartenberg Das ist dreißig Jahre her. Über die Zeit ist es immer von Menschen als Fotokunst gekauft worden. Es hat eine Sammlerin in New York gekauft, wo lange verhandelt wurde.
Die Menschheit knipst tagtäglich Fotos wie besessen und kann nie genug bekommen. Das klassische Porträt – gern mit kleinem Fehler – ist aber aussagestärker als so manche Handy-Serie. Knipsen Sie auch mal nur so rum oder können Sie ohne Nachdenken nicht fotografieren?
Frank Wartenberg Natürlich knipse ich auch für mich und natürlich bin ich auch Handy-User, weil ich die Vorteile als unglaublich sehe. Das Fotografieren mit Kameras dauert seine Zeit, auspacken, einstellen. Wenn ich die Kamera so weit hatte, war die Situation durch. Heute nimmst du das Handy. Ich kann da auch noch nachbearbeiten.
Sie holen dann noch mehr raus als andere?
Frank Wartenberg Ja, wenn du ein Bild mit dem Handy machst, hast du immer noch die Möglichkeit warm, kalt, schwarz, weiß, dramatisch, hell, Goldton zu machen. Oder Apps zu nutzen. Alles gut und schön.
Herr Wartenberg, danke für das interessante Gespräch.
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