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OPIUM sprach mit Konstantin Heidrich, dem Cellist des Fauré Quartetts und Professor für Violoncello an der Universität der Künste Berlin, dem Magnet für Musiker aus aller Welt. Die Studenten des gebürtigen Hamburgers gewannen bereits zahlreiche Preise bei wichtigen internationalen Wettbewerben und sind Mitglieder namhafter Orchester. 2017 übernahm er mit seinem Kollegen Prof. Markus Groh die künstlerische Leitung des “crescendo-Musikfestival” an der UdK Berlin.
Das Fauré Quartett zählt heute zu den bekanntesten und auch dienstältesten “Klavierquartetten”- mit unveränderter Besetzung. Das ist einzigartig. Worin liegt das Geheimnis dieses langjährigen Zusammenhalts?
Konstantin Heidrich Das konnte ja keiner ahnen! Es ist schon ein großes Glück, dass wir uns getroffen haben. Letztlich war und ist der gemeinsame Wunsch, sich auszudrücken und die Begeisterung für die Musik zu teilen - miteinander und mit dem Publikum - eine nicht verhandelbare Gemeinsamkeit. Zum Zusammenbleiben braucht man Offenheit, Neugierde und viel Humor.
Gewöhnlich sind Klavierquartette Zufallsbesetzungen. Woran liegt das?
Konstantin Heidrich Sie spielen wahrscheinlich auf die Solistenformationen an, die mitunter hochenergetisch, aber manchmal etwas an der Partitur vorbei klingen. Das ist häufig sehr spannend und hat seine Berechtigung. Aber die Tiefe und Feinheit, die diese Werke haben und brauchen, gehen bei solchen meist auf Festivals formierten Gruppen etwas verloren. Wir wollten immer mit der Leidenschaft eines Streichquartetts in die Partitur eintauchen, um sie möglichst plastisch darzustellen. Das kostet Zeit und Mühe. So ein bisschen hat sich das Bild vom Klavierquartett aber auch gewandelt. Z. B. gibt es diese Kategorie jetzt auch bei wichtigen Wettbewerben - solche, bei denen wir noch als „Sonder-Ensembles“ antreten mussten.
Wie gelingt es, die sehr unterschiedlichen Temperamente im Ensemble zusammenzubringen?
Konstantin Heidrich Eine schöne Frage. Tatsächlich haben wir die Idee von den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft auch mal zum Festivalthema gemacht. Die Temperamente im Goethe´schen Sinne sind auch sehr interessant. Doch phlegmatisch zu sein, kann man sich heutzutage als Künstler kaum leisten. Praktisch betrachtet muss jeder seine Individualität ausleben dürfen und so zur Energie im Ensemble beitragen. Um weiterzukommen, sollte man für Impulse der Kollegen radikal offenbleiben. Außerdem braucht es Vertrauen und Offenheit im Umgang.
Sie haben Ihr Quartett nach dem französischen Komponisten Gabriel Fauré benannt. Wie sind Sie dazu gekommen?
Konstantin Heidrich Wir haben schon immer Faurés poetische Natur und seine Musik geliebt. So sehr, dass wir uns Geschenkchen in Form von Arrangements einiger seiner Lieder haben anfertigen lassen für unsere vergangene CD. Wie es der Zufall - oder das Schicksal? - so wollte, hatte Fauré seinen 150. Geburtstag in unserem Gründungsjahr 1995. 2020 war dann sein 175. und unser 25. Bei seinen beiden Klavierquartetten fühlen wir uns, falls man das so sagen kann, zu Hause.
Bei der musikalischen Repertoiresuche gibt es sicherlich noch viele Werke, die bisher im Verborgenen blieben. Was ist Ihrer Meinung nach hierbei die spannendste Entdeckung?
Konstantin Heidrich Für viele ist ja schon Fauré selbst eine Entdeckung. Mit diesem Superlativ tue ich mich schwer, denn wenn man gerade gefangen und fasziniert ist von der Musik eines Josef Suk denkt man ja nicht gleichzeitig: ‚Jetzt würde ich aber lieber einen Mendelssohn, Walton, Strauß, Kirchner etc. hören.’ Ob wir bearbeitete Werke wie Mussorgskis Bilder einer Ausstellung oder unsere Popsongs spielen, oder Originale von Mozart, Brahms, Mendelssohn… es ist für uns immer spannend.
Welche großen Komponisten haben Sie auf Ihrem musikalischen Weg geprägt?
Konstantin Heidrich Na ja, da ist natürlich immer wieder: Brahms. Und Schumann. Sicherlich Schostakowitsch. Bernstein würde ich dazu zählen, groß oder genial ist ja eigentlich nebensächlich. Aber Tschaikowski auch, Rachmaninow…Prince…Mendelssohn…Brecker Brothers…schwierige Frage.
Was ist für Sie das Besondere an der Kammermusik?
Konstantin Heidrich Dass man gleichzeitig führen und geführt werden kann. Die Unmittelbarkeit der Energie und der Kommunikation. Man ist sowohl Solist als auch Teil des Ganzen. Nichts ist unwichtig.
Was sind für Sie die wichtigsten Herausforderungen als Künstler? Und wie haben sich diese im Laufe der Jahre verändert?
Konstantin Heidrich Authentizität, aber noch eher Kreativität sind heute wichtiger denn je. Leider geht es dabei zu oft um die Verpackung als um den Inhalt. Alle Welt braucht eine Geschichte hinter dem, was man tut. Früher war es noch mehr wert, einfach überzeugend Musik zu machen.
Was sind die schönsten Momente in einem Konzert für Sie?
Konstantin Heidrich Wenn man auf dem Flow „surft“, aber eigentlich noch mehr die Spannung der Stille nach einem Satz. Hier spürt man, ob und wie stark die Musik gewirkt hat und noch wirkt.
Immer mehr klassische Musiker entdecken Social Media als Kanal für sich und ihre Musik. Die Entwicklung der Pandemie hat das noch einmal verstärkt. Was halten Sie davon?
Konstantin Heidrich Da gibt es ganz tolle, kreative und ganz anbiedernde, schreckliche Dinge zu sehen und zu hören. Zu viel Zeit mit Social Media zu verbringen macht glaube ich krank. Aber man kann es gut nutzen, sich darüber informieren und es wird auch nicht mehr verschwinden.
Muss sich die Konzertbranche neu erfinden?
Konstantin Heidrich Das tut sie ja schon. Fast überall gibt es neue Formate und Ideen. Mitunter muss man da noch mutiger werden, vielleicht auch gerade bei der Kammermusik. Aber es ist auch generell wichtig, dass die Kulturträgheit und die Furcht vor sozialem Kontakt, beides durch Corona befeuert, angegangen und bewusst gemacht wird. Das Glücksgefühl in einem Live-Konzert zu sitzen - das hält vor und ist die beste Werbung für das ins Konzertgehen.
Haben Sie Tipps für Nachwuchsmusiker? Was können Sie diesen auf ihrem beruflichen Weg mitgeben?
Konstantin Heidrich Man muss besessen sein von Musik, diszipliniert, und viel mehr als früher: flexibel. Das Herausfordernde bleibt aber, sich einerseits durch sehr viel „Nein, so noch nicht“ beim Üben nie vom ‚Ja, das werde ich hinbekommen’ abbringen zu lassen.
Welche Ziele und Visionen werden Sie in den kommenden Jahren noch mit dem Quartett verwirklichen?
Konstantin Heidrich Wir wollen noch weiter verfeinern, verändern, umwerfen und neu zusammensetzen, was die Partituren angeht. Ein paar Komponisten wie z. B. Schubert sollen eingespielt werden. Unsere programmatischen Ideen wollen wir wieder in ein Festival-Programm fließen lassen. Und das Standard-Repertoire soll kontrastiert werden durch einige ungewöhnliche Dinge. Doch eigentlich sind wir nur dankbar, so vertraut auf diesem Niveau musizieren zu dürfen.
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