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Sue Giers
...einfach nur Sue

Sue Giers hat, nach einer frühen Karriere als Fernsehjournalistin, über zehn Jahre als PR-Chefin bei Closed gearbeitet und dabei den Aufstieg des Labels in die internationale Spielklasse begleitet. Aktuell verantwortet sie den Einkauf der Boutique Linette in Hamburg Eppendorf. Seit einem Jahr ist ihr eigenes Modelabel SoSUE das neueste Baby der dreifachen Mutter. Opium traf die 47-Jährige zum Interview und wollte wissen, wie viele Stunden der Tag haben muss.

Sue Giers liegt entspannt auf einem Sofa
Sue Giers

Es gibt ja einige Karrierefrauen, die arbeiten ihre neun, zehn Stunden, machen dann ihren Laptop zu und haben Feierabend. Aber bei Dir scheint der Tag dann erst zu beginnen. Wo bleibst Du? Wie schaffst Du einen Ausgleich für Dich?

Sue giers Das schaffe ich eigentlich wunderbar. Ich brauche nicht wahnsinnig viel Zeit für mich, aber ich nehme mir auf jeden fall morgens eine Stunde, um einmal um die Alster zu laufen. Da kann ich verarbeiten, da kann ich nachdenken, da komme ich runter. Diese Stunde für mich ist ganz wichtig, da tanke ich Sauerstoff und Energie. Das bringt mich immer gut durch den Tag. Klar, wenn ich auf Reisen bin, ist es danach immer erstmal etwas ruckelig, dann holen sich gerade die Kleinen die verlorene Zeit zurück und wollen in Mamis Bett schlafen.

Gibt es Rituale mit den Kids? Kocht ihr gemeinsam, backt ihr oder geht ihr Kastanien sammeln?

Sue giers In Hamburg muss man ja wegen des Wetters immer ein bisschen gucken und sehen, was möglich ist. Zum Beispiel waren wir im letzten Herbst im Alten Land zur Apfelernte, das war wunderschön. Und ich schleppe die Kinder auch mal - unter großem Protest - in eine Ausstellung. Das kostet mich erst einmal Kraft und Überzeugungsarbeit. Aber wenn wir dann einmal da sind, kommt die Belohnung spätestens, wenn sie vor den Bildern stehen und ihnen lustige Sachen dazu einfallen. Das ist total inspirierend. Und dann verbinden wir so etwas auch gern mit unseren Ritualen: bei „Joe&The Juice“ ein Avocado-Toast-Sandwich essen gehen oder sonntagabends mal ins Block House oder zu Mama.

Die Balance zwischen Arbeit und Familie ist heutzutage schon ein Thema, das viele Leute bewegt. Wie sieht so ein Tag bei Dir aus?

Sue giers Bei mir ist gar kein Tag wie der andere, weil ich immer flexibel sein muss und der Blog täglich neue, aktuelle Geschichten verlangt. Und natürlich hat sich jetzt auch mit der Trennung von meinem Mann mein Arbeitsablauf und Tag verändert. Als ich bei Closed war, hatte ich einen ganz geregelten Tag: Vormittags in der Firma, nachmittags bei Linette, zwischendurch einkaufen und abends die Kinder. Auf der anderen Seite habe ich jetzt auch mal Zeit für mich, wenn die Kinder bei ihrem Vater sind, mindestens alle 14 Tage. Dann gibt es plötzlich viel größere Zeitoasen für mich und ich kann liegengebliebene Dinge aufholen. Das kann man auch ruhig mal sagen.

Trennst Du Linette und Blog strikt? Oder geht das ineinander über?

Sue giers Es gibt Schnittstellen, aber grundsätzlich sind das zwei getrennte Themen. Linette ist eine sehr erfolgreiche, hochwertige Institution, gegründet von meiner Schwiegermutter, und ich versuche, Linette in ihrem Sinne weiterzuführen. Hier bin ich dankbar dafür, einfach nur lernen zu dürfen. Der stationäre Handel ist etwas komplett anderes als das Online-Geschäft. Online ist für mich, wie in ein neues Land ziehen, ein neues Feld ohne Grenzen, höchstens Preis-Grenzen. Und ich lerne tagtäglich, was online funktioniert, welche Geschichten funktionieren, wie lang sie sein dürfen. Der stationäre Handel funktioniert ganz anders. Der funktioniert über die Haptik, das Gefühl, über den persönlichen Kontakt, über den Austausch, die persönliche Nähe. Online muss man erst einmal Vertrauen aufbauen. Das ist wesentlich komplexer und unterliegt ganz anderen Gesetzmäßigkeiten. Es befruchtet sich sicherlich teilweise auch gegenseitig, aber es ist gut, beides zu trennen. Der Blog SoSue war von Anfang bis Ende auch mein eigenes Baby, während ich bei Linette auf eine vorhandene Struktur zurückgreife und damit auch arbeiten und umgehen muss. Wenn ich heute einen Laden machen würde, würde ich den sicherlich so nicht machen. Aber vom Personal bis Interior war eben alles schon da.

„Online ist für mich, wie in ein neues Land ziehen, ein neues Feld ohne Grenzen.“

Wie schafft man es, als kleine Boutique besonders zu sein? Werde ich skurriler, abgehobener oder konzentriere ich mich auf hohe Preislagen, um gegen den Wettbewerb anzukommen?

Sue giers Ich glaube, es ist weniger der Preis. Es gab schon immer obere Preislagen bei Linette, aber es gab auch immer etwas für jeden Geldbeutel. Ich denke, man kann sich heutzutage auch als kleiner Concept Store nur unterscheiden durch den persönlichen Kontakt. Es ist die persönliche Beratung und der Service, den man spürt, wenn man in den Laden kommt. Auf großen Flächen hast du gar keinen Service. Die meisten Kundinnen sind heutzutage durch das Internet gut informiert und wissen, was Trend ist. Trotzdem wissen viele nicht, was ihnen steht. Die sehen den Trend abgebildet und fragen sich: muss ich das mitmachen? Will ich das mitmachen? Und es beantwortet ihnen niemand die Frage: Steht mir das auch? Da kommt Linette ins Spiel. Linette macht auch nicht jeden Trend mit. Auch wenn wir auf der Fashionweek in NY zum Beispiel sehen, dass Pink angesagt ist, weiß ich bereits, dass die Farbe Pink in Hamburg nicht gut funktionieren wird.

Wie ging das mit der Gala-Kolumne los?

Sue giers Erst dachte ich: Oh Gott, wie soll ich das denn hinkriegen, mir jede Woche etwas aus den Rippen zu schneiden. Dann ist mir das aber wahnsinnig leicht gefallen. Ich habe gemerkt, dass es mir Spaß macht, mich auszudrücken und Mode aus einer oberflächlichen Schublade rauszuholen. Mode war ja eigentlich mein Hobby. Ich habe Mode nicht studiert, sondern Germanistik und Journalismus. Ich habe mein Hobby zum Beruf machen dürfen. Und ich fand es auch spannend, weil man so konzentriert und kurz schreiben muss, man ist gezwungen, die Message rüberzubringen: Um was geht es eigentlich? Mode unterstützt eben eine Persönlichkeit, drückt ein Lebensgefühl aus und auch Macht.

Inwiefern Macht?

Sue giers Schau, was Hillary Clinton in ihrem Wahlkampf gemacht hat. Bei der Inauguration kam sie engelsgleich in einem blütenweißen Kleid auf die Bühne. Und sie hat während des ganzen Wahlkampfes immer gezielt machtvolle Farben eingesetzt: Das kraftvolle Rot, das Königsblau, Weiß. Und als sie verloren hatte, stand sie mit ihrem Mann im sakralen Lila auf der Bühne. Das finde ich spannend, was man mit Mode oder mit Klamotten ausdrücken kann. Das man sich damit genauso beschäftigt, wie mit Literatur oder Kunst, gehört für mich zum Lifestyle dazu. Ebenso wie man sich Gedanken macht, wie man leben möchte, ist es keineswegs oberflächlich, zu überlegen, wie man wirken möchte.

Sue Giers steht vor einer weißen Wand

Die Blogger-Szene ist ja im Durchschnitt sehr jung, teilweise erscheinen die Beiträge etwas lächerlich. Mittlerweile entstehen erste Blogs für Ältere und die Generation findet mehr Beachtung. Was unterscheidet Dich von anderen Fashion-Bloggern?

Sue giers Ich finde junge Blogs auch toll. Die entbehren nur jeglicher Lebenserfahrung. Und ich hatte das Gefühl, dass es für meine Zielgruppe im Netz noch nicht so viel gab. Da habe ich eine Lücke erkannt. Einerseits das Alter, andererseits gibt es auch Frauen in kleineren Städten oder vom Dorf, die nicht die Möglichkeit haben, jeden Tag shoppen zu gehen wo sie wollen. Das ist das Tolle am Netz, es bringt die große Welt in jeden Winkel des Landes. Im Prinzip wollen wir Frauen inspirieren. Lustigerweise lesen auch viele Männer unseren Blog und auch jüngere, so ab Mitte 20.

Wie macht ein Blog Profit? Du hast dein Team, das wahrscheinlich nicht immer umsonst arbeiten möchte, oder?

Sue giers Mein Team ist natürlich beteiligt. Das hilft für die Motivation und schafft ein Teamgefühl. Jeder Blog ist anders und finanziert sich anders. Es gibt Blogs, die große Kooperationen mit Firmen machen. Ich wollte mich da grundsätzlich nicht abhängig machen, mit einer Firma eine Kooperation eingehen zu müssen, mit der ich nichts anfangen kann, die nicht zu mir passt.

Das heißt, die Inspiration, die Du dir von irgendwo holst, lässt Du in Deinem Blog wiederkehren, ebenso wie eure eigenen Marken und Produkte?

Sue giers Genau. Wir stellen Designer vor, die noch nicht so bekannt sind. Wenn es passt, ist das eine enge Partnerschaft und wir arbeiten richtig gut zusammen. Es ist eben alles sehr kuratiert in unserem Shop.

Hast Du ein Beispiel, das Du nennen darfst?

Sue giers Das Beautyprodukt von Abhati zum Beispiel. Das ist organisch hergestellt, das gibt’s nicht bei Douglas, nicht am Eppendorfer Baum, das ist ganz neu, ein wunderschönes, wohlriechendes Produkt. Ein echtes Herzensprojekt, weil vom Verkauf ein ganzes Dorf in Indien und Schulen unterstützt werden. Das hat für uns den Anstoß gegeben, im Beauty Bereich aktiv zu werden. Der Deal ist, dass wir die Produkte anbieten, auch in unserem Shop, aber der Versand von Abhati geleistet wird.

Lebst Du Deinen Traum? Was wolltest Du werden, als Du Abi gemacht hast?

Sue giers Naja, den Bereich Journalismus fand ich schon immer super. Und dieses Reisen gibt mir Ruhe. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin auf der Flucht ... Nein, es gibt mir einfach Inspiration. Und ich weiß auch gar nicht, ob ich Hamburg anders ertragen könnte. Ich bin einfach eine Zigeunerin. Ich brauche das. Brauche Inspiration von außen. In der Lebensmitte habe ich noch einmal so einen „Wake-Up-Call“ bekommen. Habe mich gefragt, wo soll die Reise eigentlich hingehen und was will ich mit dem Rest meines Lebens anstellen? Die spannendste Reise ist für mich die zu mir selbst. Ich möchte mir keinen nächsten goldenen Käfig suchen. Ich möchte mich nirgendwo eingliedern.

Der übliche Weg wäre sicherlich gewesen, als Angestellte zu arbeiten. Schließlich hast Du drei Kinder, das hätte Dir Planungssicherheit gegeben.

Sue giers Klar, ich hatte auch eine Beziehung nach der Trennung. Hätte ich das weiterlaufen lassen, wäre das auch bequem für mich gewesen. Aber wie gesagt, die Bequemlichkeit hat mich nie interessiert. Ich habe oft das Gefühl gehabt, ich sei im freien Fall, aber irgendwie bin ich immer auf den Füßen gelandet. Da habe ich ein Urvertrauen. Und ich bin auch nur in einem gewissen Maß bereit, Kompromisse einzugehen. Es muss einfach passen. Ich finde es schon schön, wenn man wieder jemanden findet. Genauso wie mir Familie eine extreme Sicherheit gibt. Das ist eigentlich das Sprungbrett für mich gewesen.

Wie steht es mit Stärken und Schwächen?

Sue giers Ich habe recht viel Energie. Und ich bin Widder. Ich bin in Astrologie gar nicht bewandert, aber wenn ich was will, dann komme ich auch ans Ziel. Ich bin leider ein bisschen ungeduldig. Das macht es mir manchmal schwer.
Letztendlich auch mit SoSUE. Wir haben einen Finanzplan und liegen über dem, was wir uns für dieses Jahr vorgenommen haben. Und trotzdem wäre ich gerne noch viel weiter. Aber das liegt auch in meiner Natur. Das war auch bei Closed so. Ich dachte, das gibt’s doch nicht, dass die Leute jetzt erst sagen: Ihr seid ja eine coole, moderne Firma.

Birgt die Online-Schnelllebigkeit keine Nachteile?

Sue giers Ich finde, es ist eine spannende Zeit. Doof finden das nur die Älteren, die Angst haben, dass die Jüngeren ihnen das Wasser abgraben. Wir leben in der Zeit der Digitalisierung. Es wird bald keine Apotheken mehr geben. Unser ganzes Leben wird sich verändern. Und es werden auch gar nicht mehr so viele Menschen Arbeit haben. Da wird es eine wahnsinnige Veränderung in unserer Gesellschaft geben. Und die Leute, die das belächeln, haben einfach nur Angst. Ich kann das zum Teil verstehen. Ich hab auch manchmal Angst vor der Zukunft. Teilweise höre ich mich auch an wie meine eigene Großmutter: „Früher war das besser“. Klar, das Gewohnte gibt einem natürlich auch Halt.

Was ist das Spannendste an Deinem Job?

Sue giers Ich finde es spannend, in die Gesichter von Menschen zu gucken und zu sehen, was dahintersteckt. Ich guck mir die genau an, gucke woher sie kommen und was sie für ein Leben führen. In der Mode sind es natürlich besonders hübsche Menschen, aber ich bin total wertfrei. Ich beurteile und verurteile Menschen gar nicht aufgrund ihres Äußeren. Im Gegenteil. Für mich muss ein Mann auch keinen bestimmten Sneaker oder ein bestimmtes Hemd tragen. Er muss einfach ein Typ sein und ein Gesamtbild abgeben. Genauso sehe ich das bei einer Frau und wenn ich bei der Typfindung ein wenig helfen darf, ist das für mich total schön. Für mich ist das Schönste, wenn eine Frau auf mich zukommt. Neulich war ich im Karolinenviertel und da kam eine Frau auf mich zugelaufen: „Mensch, du bist doch die mit der rosa Cordhose! Ich verfolge deinen Instagram Account! Das war so ein toller Look. Ich bin gleich zu Urban Outfitters gerannt und die haben sich totgelacht, weil ich mindestens schon die 20. Frau war, die diese Hose haben wollte. Die war natürlich sofort ausverkauft. Hast du noch einen Tipp?“ Das ist für mich eine schöne Bestätigung.

Wie passt das in die Hamburger Modewelt? Laut Wolfgang Joop laufen viele Frauen in Hamburg schon sehr bieder und konservativ, eben sehr hanseatisch rum.

Sue giers Ich finde, dass sich das extrem verändert hat und da funktioniert keine Verallgemeinerung mehr. Das ist auch von Viertel zu Viertel unterschiedlich. Ich bin ja eine große Beobachterin. Selbst in Eppendorf laufen die nicht bieder herum. Es verjüngt sich ja auch gerade extrem und die sind alle recht sportlich unterwegs. Ich sehe hier keine Highheels wie in München oder Paris. Die Frauen in Paris sind ja eher klein, die tragen Stilettos, selbst wenn sie mit dem Motorrad unterwegs sind.

Stehst Du gern im Mittelpunkt?

Sue giers Ich hab mich die letzten zweieinhalb Jahre relativ viel mit mir selbst beschäftigt und bin weitaus reflektierter als vor drei Jahren. Manchmal ist es schwierig mich ständig auf Fotos zu sehen. Auf der anderen Seite bekommt man dadurch auch ein ganz gutes Gefühl für sich.

Online so-sue.com

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