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Joja Wendt
Die Magie eines pianistischen Virtuosen und Entertainers
Lieber Joja, wie hat deine musikalische Reise begonnen und wann hast du festgestellt, dass deine Leidenschaft für das Klavierspielen, so groß ist, wie sie es auch heute noch ist?
Joja Wendt Ich habe immer Klavier gespielt, schon seitdem ich klein bin. Aber ich war nie einer, der Wettbewerbe mitgemacht hat oder bei „Jugend musiziert“ aufgetreten ist, dazu hatte ich nie die Gelegenheit, denn es gab niemanden, der mich dazu angemeldet hätte.
Wie lief es ab, als du beschlossen hast, Musiker zu werden?
Joja Wendt Also, dieser Prozess erstreckte sich über einen längeren Zeitraum. Während der Primetime meines Lebens, zwischen Jugend und Erwachsenwerden, spielte ich vor allem viel Klavier. Ich begann, in der Hamburger Szene zu spielen, zunächst mit meiner ersten Band oder auch in der Schule. Anfangs machte ich einfach nur Musik, wurde dabei besser und spielte mit anderen Leuten auf der Straße zusammen. Zu dieser Zeit dachte ich noch nicht daran, dass Musik jemals mein Beruf werden könnte. Dann kam jedoch der Moment, da kamen internationale Stars nach Hamburg, die mich spielen sahen und auf mich aufmerksam wurden. Sie mochten alle Live-Musik und hatten selbst diese Subkultur erlebt, als sie jung waren. Einige Musiker erkannten sich vielleicht selbst in meiner Musik wieder und kamen deshalb auf mich zu.
Alles klar, das war bestimmt eine spannende Zeit. Gibt es Pianisten, die dich in deiner Entwicklung besonders inspiriert oder beeinflusst haben?
Joja Wendt Ja, selbstverständlich. Vince Weber wäre so ein Beispiel. Ein sehr authentischer Boogie-Woogie- und Rhythm-and-Blues-Spieler und der König unseres kleinen Klavierbiotops. Selbst ein Autodidakt, der keine Noten lesen konnte und trotzdem hinreißend gespielt hat. Dann gibt es noch meine Lehrer, während der Schulzeit und des Studiums, mit denen bin ich auf einer ganz anderen Ebene zusammengekommen, häufig auf einer intellektuellen Ebene. Ich habe meine Ohren offengehalten und fand besonders den ganzen alten Jazz und die Swing-Pianisten großartig. Ich war auch in so einer Bubble drin von anderen Pianisten, die das ebenfalls alle großartig fanden, wir haben das gepflegt, und uns gegenseitig Sachen gezeigt. Dann habe ich studiert, da kam der Jazz dann auch dazu, in das Thema bin ich dadurch tiefer eingestiegen. Dabei entdeckte ich auch die reiche Geschichte dieser Musikrichtung. Überall wurde ich von verschiedenen Musikstilen inspiriert, darunter natürlich auch von der klassischen Musik.
Gibt es einen Stil, den du besonders gut spielst?
Joja Wendt Besonders kenne ich mich in der alten Jazzmusik aus, beispielsweise mit Fats Waller und Art Tatum. Das sind sozusagen meine musikalischen Wurzeln, meine Herkunft in der Musik. Aber auch die klassische Musik ist eine Quelle großartiger Musik und Technik. Technik spielt eine wichtige Rolle, sei es beim Spielen oder bei der Lösung musikalischer Probleme. Es gibt auch andere beeindruckende Künstler wie Victor Borge, ein Däne, der später in die USA auswanderte und während des Zweiten Weltkriegs ähnlich wie Loriot einen hohen Status genoss, einen Status des freien und hintergründigen Humoristen. Er spielte fantastisch Klavier und zeigte mir, dass Klavierkonzerte auch sehr unterhaltsam sein können.
Aber wenn es um deine eigenen musikalischen Ideen geht, da gab es zum Beispiel in einem deiner Konzerte eine Komposition, die von deiner Fahrt mit einem VW-Bus über die Kasseler Berge handelte. Die langsame, steile Fahrt hinauf und dann schnell wieder hinunter. Diese Erfahrung fand sich dann auch in deinem Spiel wieder. Ich fand diese Komposition sehr gelungen. Nimmst du solche persönlichen Erlebnisse oft als Inspiration für deine Musik?
Joja Wendt Also, unser aktuelles Programm ist sehr authentisch passend zu meinem Buch „Spiel doch mal leiser“, in dem ich dem Leser einen Einblick in meinen Lebensweg gebe. Auch in dem Konzert, bei dem du warst, habe ich natürlich Stücke aufgegriffen, die mich in meinem Leben begleitet haben. Zu dem Stück, was du gerade angesprochen hast, gibt es den Hintergrund, dass ich damals wirklich nur mit einem Bulli, in dem ein Klavier steckte, über die Kasseler Berge und später über die Alpen gefahren bin. Dabei kam mir die Idee, diese Erfahrung musikalisch umzusetzen. Neben anderen Stücken habe ich auch „Helix“ komponiert, bei dem zwei musikalische Stränge ineinander verwoben werden, sowie „Palindrom“, bei dem sich die Melodie vorwärts und rückwärts gleich lesen lässt, wie zum Beispiel die Worte „Otto“ oder „Anna“. Es gibt verschiedene Themen, die ich musikalisch umsetze, indem ich Ideen aus meinem Leben oder Dinge, über die ich gelesen habe, einfließen lasse – das sind meine Hauptinspirationsquellen.
Du bist bekannt für deine energiegeladenen Live-Auftritte, die nicht immer ruhig sind. Wie bereitest du dich auf solche Shows vor? Wenn du zum Beispiel drei Vorstellungen an einem Tag in der Elbphilharmonie hast und mit dem Publikum agierst, dann spielst du nicht nur einfach deine Stücke, sondern moderierst auch und bist sowohl Entertainer als auch Pianist. Wie schaffst du es, diese Aufgaben ohne Pause zu bewältigen?
Joja Wendt Es gibt viele Leute, die bereits mit einem Konzert überfordert sind, weil man sich auf die Musik konzentrieren muss, aber gleichzeitig schon einen Schritt weiter sein muss, um das nächste Stück zu moderieren und mit dem Publikum zu kommunizieren. Das erfordert eine gute Balance. Außerdem spielen wir in verschiedenen Genres und Stilen, was die Herausforderung noch größer macht. Ich habe jedoch herausgefunden, dass ich in der Lage bin, drei aufeinanderfolgende Konzerte zu geben. Ich habe einmal sogar 20 Konzerte in einer Woche gespielt, immer eine Stunde lang hintereinander. Das war eine wichtige Erfahrung für mich. Nach den letzten Jahren, in denen ich bereits zwei Konzerte hintereinander in der Elbphilharmonie gespielt habe, habe ich festgestellt, dass ich mich auch auf ein drittes Spiel vorbereiten kann. Man ist so in das Thema und die Konzentration vertieft. Natürlich bereite ich mich auch vor. Ich muss gut ausgeschlafen sein, das Programm muss stehen und ich muss körperlich fit sein. Das ist genauso wichtig wie geistige Fitness. Wenn diese Vorbereitungen stimmen, dann läuft es.
Wenn man sich deine Biografie anschaut, fällt einem auf, dass du nicht nur viel unterwegs bist, sondern auch mit einigen großen Namen zusammengearbeitet hast, darunter Joe Cocker, der ja nun glaube ich allen bekannt ist. War diese Zusammenarbeit dein Durchbruch und wie ist es dazu gekommen?
Joja Wendt Diese Geschichte steht eigentlich stellvertretend für die Zeit damals, hier in Hamburg. Es gab eine lebendige Subkultur rund um das Klavier. In jeder Kneipe, rund um den Großneumarkt, stand ein Klavier und wir zogen umher und spielten. Die ganze Piano-Gang spielte eine große Rolle. Ich war nicht allein, es gab viele andere Jungs, die genauso spielten und gestartet sind wie ich. Klar, Leute wie Weber und Axel Zwingenberger waren die Überväter, die schon weiter waren und den Sprung in die Konzerthallen geschafft hatten. Aber wir zogen durch Kneipen und über den Kiez und selbst die Domenica, die bekannte Edelhure, hatte damals ein Klavier in ihrem Puff. Wir gingen hin und spielten. Das war eine Art „Bubble“, in der ich viel gelernt habe. Dann kamen internationale Stars nach Hamburg. Zu der Zeit waren Hamburg und Berlin dafür die beliebtesten Orte. Sie übernachteten hier und bespielten Deutschland von hier aus. An den Off-Days sind sie abends in die Kneipen gegangen. Gerade ins Ramada Hotel, das ganz in der Nähe des Großneumarkts lag, da war die oberste Etage für die Stars reserviert. Wenn sie Lust hatten, gingen sie einfach die Straße hinauf und kamen zu den Kneipen in der Nähe, wo wir standen und spielten. An einem Abend saß ich nicht nur mit Joe Cocker zusammen, sondern auch mit Robert Cray und Angus Young von AC/DC. Er hat sich die Gitarre von der Wand genommen und wir haben gemeinsam „Highway to Hell“ gespielt.
Und dann, es war Ende der 80er Jahre, ich war noch in der Schule und saß eines Abends am Klavier und spielte. Joe Cocker kam mit ein paar Leuten herein und hörte mich spielen. Sein Vorprogramm, Tony Joe White, ein Singer-Songwriter, der viele Songs für Tina Turner geschrieben hat, war ausgefallen. Über Barry Marshall, den Agenten, versuchten sie einen Ersatz als Support-Act zu finden. Dieser muss ja immer gut vorbereitet sein, insofern war das nicht einfach. Als er reinkam und mich spielen hörte, schlug er vor, mich als Ersatz zu nehmen. Ein Flügel war vor Ort und er dachte sich, warum nicht den jungen Klavierspieler aus Hamburg als Vorprogramm einsetzen, um das Publikum einzustimmen? Joe Cocker war das wichtig, weil seine Auftritte relativ kurz waren, etwa eine Stunde ohne Zugaben. Durch den Support konnten die Leute jedoch zweieinhalb Stunden lang Spaß haben. So wurde ich schließlich Teil des Konzerts. Das kam beim Publikum mega gut an und dann haben sie gesagt, weißt du was, wir nehmen dich mit auf Tournee.
Einige deiner Kollegen sind ja leider bereits verstorben. Mit welchen Musikern hättest du gerne einmal gespielt?
Joja Wendt Also, auf jeden Fall wäre Victor Borge jemand, mit dem ich gerne spielen würde, wenn er noch leben würde. Außerdem würde ich gerne etwas mit Jamie Cullum machen, das fände ich großartig. Ich hätte auch Lust, mit Jacob Collier etwas zu machen. Das wäre eine aktuelle Musik-Ikone, den ich sehr inspirierend finde. Aber es macht eben auch Spaß, hier mit meinen drei anderen Pianisten in Hamburg zusammenzuspielen. Dieses Piano-Sommerprojekt, das wir machen. Axel Zwingenberger ist eine Legende, was Boogie-Woogie angeht, und er lebt noch. Wir können froh sein, dass es solche Leute wie ihn gibt. Auch Martin Tingvall ist ein großartiger, wahnsinnig inspirierender, noch junger Jazzpianist. Ich finde es toll, dass ich mit ihm spielen kann.
Das würde ich auch gerne einmal hören, wie ihr zusammen spielt. Um jetzt noch einmal in die Zukunft zu schauen, zukünftige Projekte und musikalische Ziele hast du bestimmt noch. Willst du uns da was verraten, außer dem, was du zu Anfang ja schon gesagt hast?
Joja Wendt Ich möchte sechs Konzerte an zwei aufeinanderfolgenden Tagen geben und damit ins Guinness-Buch der Rekorde eingehen. Ich würde sogar die Nacht durchspielen, obwohl ich keine Ahnung habe, wie wir das bewerkstelligen sollen. Es gibt bereits Langspiel-Weltrekorde, aber das müssen wir noch einmal überprüfen, ob wir das hinbekommen. Aktuell habe ich ein spannendes Projekt vor mir: Das Wacken Open Air, wo ich bereits einmal war, hat mich angesprochen, einen Heavy-Metal-Flügel zu bauen und darauf harte Klaviermusik zu spielen. Es ist ein aufregendes Projekt, ich weiß noch nicht genau, wer mir dabei helfen wird, den Flügel zu bauen, aber ich habe bereits eine klare Vorstellung davon, wie er aussehen soll. Ich habe auch eine Vision davon, wie er klingen wird und alle Details sind bereits ausgearbeitet. Jetzt muss es nur noch umgesetzt werden, denn selbst die beste Idee ist nichts wert, wenn sie nicht wirklich umgesetzt wird. Das ist eine wichtige Erkenntnis.
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