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Kai Diekmann
Die Kunst des provokanten Journalismus
Immer provokant und oft kontrovers, erhebt Kai Diekmann nicht nur seine Stimme in einer Welt, die von Schlagzeilen und Sensationen beherrscht wird, sondern auch in seinem Buch. In unserem exklusiven Feature tauchen wir ein in das faszinierende Leben und die Karriere dieses außergewöhnlichen Journalisten. Von seinen Begegnungen mit mächtigen Persönlichkeiten bis hin zu den Herausforderungen, objektiv zu bleiben, während er als Augenzeuge in historischen Ereignissen dabei ist – wir enthüllen die Facetten einer Persönlichkeit, die die Medienlandschaft geprägt hat.
Erfahren Sie mehr über Diekmanns Gedanken zu Boulevardjournalismus, seine bemerkenswerten Einsichten in die Welt der Politik und seine unerschrockene Haltung gegenüber der Wahrheit. In einem Exklusivinterview gewährt er uns Einblicke in seine Karriere, seine Überzeugungen und die Entwicklung des Journalismus im digitalen Zeitalter.
Herzlichen Glückwunsch zu deinem Buch „Ich war BILD“, das bereits an der Spitze der „Spiegel“-Bestseller-Liste rangierte! Kannst du uns einen Einblick in den Hauptfokus des Buches geben und warum du dich entschieden hast, dieses spezielle Thema zu behandeln?
Kai Diekmann Wenn du 16 Jahre an der Spitze der BILD-Zeitung stehst, erlebst du so viel, dass es für drei Leben ausreicht. Dort begegnest du Menschen, die Geschichte geschrieben haben oder immer noch schreiben – manchmal mehr Geschichte, als uns lieb ist. Zum Beispiel habe ich Putin so häufig getroffen wie wohl keinen anderen ausländischen Regierungschef. Wie tickt er? Was treibt ihn an? Ist er schon immer der mörderische Nationalist gewesen, als der er sich jetzt erweist? Was macht einen Donald Trump aus, und wie groß ist das Risiko, dass wir ihn bald wieder im Weißen Haus sehen? Wie war das mit Angela Merkel, Gerhard Schröder und Helmut Kohl? All diese Persönlichkeiten sind mehr als nur spannende Protagonisten. Mein Anliegen war es, aufzuschreiben, was ich mit ihnen erlebt habe und was wir daraus lernen können. Am Ende geht es darum, Geschichte und Geschichten zu erzählen.
In deinem Buch beleuchtest du Zeitgeschichte durch deine persönliche Perspektive. Wie haben deine eigenen Erfahrungen und Begegnungen mit einflussreichen Persönlichkeiten wie Ex-US-Präsidenten George Bush, Bill Clinton, Barack Obama, Donald Trump und Wladimir Putin, den du auch schon erwähnt hast, deine Sichtweise auf historische Ereignisse beeinflusst?
Kai Diekmann Ich habe mit der Zeit vor allem begriffen, dass Geschichte nicht zwangsläufig passiert, sondern dass sie von Menschen gemacht wird. Handelnde Personen entscheiden letztendlich darüber, in welche Richtung die Geschehnisse an einer Wegkreuzung führen. Ich habe immer wieder erlebt, wie abhängig manche historischen Entscheidungen oder glücklichen Zufälle davon sind, dass zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute die Verantwortung übernehmen.
Nehmen wir zum Beispiel George Bush Senior. Ohne seine Unterstützung für Helmut Kohls Wiedervereinigungspolitik wäre es wahrscheinlich nicht möglich gewesen, die staatliche Einheit in dem engen Zeitfenster herbeizuführen, das sich bot. Selbst westliche Verbündete, die lange Zeit die Idee der deutschen Wiedervereinigung propagiert hatten, änderten ihre Haltung abrupt, als die Mauer fiel. Politiker wie die britische Premierministerin Margaret Thatcher warnten plötzlich vor einem wiedervereinigten Deutschland. Andere, wie der französische Präsident François Mitterrand, ein enger Freund von Helmut Kohl, änderten ihre Meinung und trafen sich mit den neuen Machthabern in Berlin. Das alles lehrte mich, dass es wirklich darauf ankommt, wer in Verantwortung ist, wer ein Land führt und mit welcher Überzeugung. Diese Erkenntnis ist für mich die Quintessenz meiner zahlreichen Begegnungen mit einflussreichen Persönlichkeiten.
Du hast aber auch Lady Gaga, den Papst, Mark Zuckerberg, den Dalai Lama und Hollywoodstar Tom Cruise getroffen. Kannst du mit uns eine oder zwei faszinierende Geschichten oder Anekdoten aus deinen Interviews mit diesen weltbekannten Persönlichkeiten teilen?
Kai Diekmann Du hast gerade Lady Gaga erwähnt und ich muss gestehen, ich bin ein wenig „promiblind“. Das bedeutet, meine Kollegen mussten mir oft erklären, wer gerade auf meinem Sofa saß. Bei Lady Gaga war das natürlich nicht der Fall. Sie kam in einem Hauch von Nichts zu ihrem Besuch bei BILD und war vor allem barfuß – und das im November. Ich fand das ziemlich beeindruckend. Als sie dann bei mir oben auf dem Sofa saß, stellte sie sich plötzlich minutenlang auf dasselbe. Als ich sie anschließend zu ihrem Auto begleitete, war sie so fasziniert von den Mauerstücken der ehemaligen Berliner Mauer, dass sie trotz der Pressefotografen in ihrer Begleitung barfuß über den ganzen Platz ging. Schließlich ließ sie sich von einem ihrer Leibwächter auf eines dieser Mauerstücke heben und meditierte dort etwa zehn Minuten lang mit ausgebreiteten Armen. Barfuß. Barfuß in der Kälte meditierte sie. Das waren Momente, in denen ich wirklich überrascht war, sie so authentisch zu erleben.
Auf der anderen Seite hatte ich das Vergnügen, Will Smith dreimal in der BILD-Redaktion zu begrüßen. Warum kamen Hollywoodstars so gerne zu BILD? Nun, in der Gegend in Berlin gibt es nicht allzu viele Hochhäuser, von denen aus sie die Geschichte der Stadt so einfach erklärt bekommen: Dort drüben war der Osten mit den bösen Kommunisten, hier war die Mauer, hier der Westen und wir waren die Guten. Dieser Blick aus dem Haus war immer einen Besuch wert. Will Smith kam aus einem ganz besonderen Grund – er liebte unseren Paternoster, der noch immer in dem BILD-Gebäude ist und der noch immer betrieben werden darf. Die Fahrt dauert etwa viereinhalb Minuten vom ersten bis zum neunzehnten Stockwerk. Bei jedem Besuch ist er mit dem Paternoster rauf und runter gefahren und hatte eine Riesenfreude daran.
Ist Will Smith wirklich so lustig, wie er in den Filmen immer wirkt, oder ist er privat ganz anders?
Kai Diekmann Nein, er ist genauso, wie man ihn aus den Filmen kennt. Er ist wahnsinnig schnell, charmant und witzig. Es ist faszinierend, dass viele dieser Künstler, die ich getroffen habe, genau so authentisch sind, wie man es sich erhofft und erwartet. Das gilt für Lady Gaga, Will Smith und ganz sicher auch für Tom Cruise. Tom Cruise hat einen unglaublich sympathischen Umgang mit seinen Fans. Es ist keine Überraschung, wenn ich hier sage, dass unser Newsroom immer überfüllt war, wenn solche Hollywoodstars zu Besuch kamen. Jeder wollte einen Blick auf Tom Cruise, Will Smith oder Lady Gaga erhaschen. Tom Cruise hat wirklich gewartet, bis auch der letzte Kollege sein Selfie hatte, und er hat sich viel Zeit genommen.
Die Memoiren erstrecken sich über 550 Seiten. Welche Botschaft oder Erkenntnis erhoffst du, dass die Leser aus dieser umfassenden Erzählung mitnehmen?
Kai Diekmann Ich habe meine Erfahrungen bei BILD geschildert, so wie ich die Zeitung erlebt habe, von innen heraus. Ich hoffe, dass ich den Lesern Einblicke in die Welt des Boulevardjournalismus gebe und wie er funktioniert. Es geht um die Aufgaben und die Arbeit der Journalisten, was wir machen und was nicht. Ich biete einen Blick hinter die Kulissen der BILD-Zeitung, mit all den Herausforderungen, die ich während meiner Zeit dort erlebt habe. Es geht nicht nur um Begegnungen mit faszinierenden Persönlichkeiten, sondern auch um Skandale und Kontroversen. Zum Beispiel mein Konflikt mit der Rot-Grün-Regierung und der SPD, die damals Strafanzeige gegen mich stellte. Oder meine Auseinandersetzungen mit dem damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der schließlich zurücktreten musste, nachdem er auf meine Mailbox gesprochen und mir gedroht hatte. Ich versuche zu schildern, was sich im Hintergrund zu dieser Zeit ereignet hat, wie wir uns positioniert haben, was ich gedacht und gefühlt habe. Mein Ziel war es, einen Blick hinter die Kulissen von Deutschlands und Europas größter Medienmarke zu gewähren. Gleichzeitig wollte ich meine Begegnungen mit Protagonisten schildern, die uns immer noch beschäftigen. Ich hoffe, dass die Leser aus meinen Erzählungen über diese Begegnungen etwas für ihren Umgang mit diesen Personen mitnehmen können. Vielleicht können sie dann Angela Merkel oder Helmut Kohl anders einschätzen oder sogar verstehen, warum Wladimir Putin das tut, was er gerade tut.
Du hast über deine Freundschaft mit Helmut Kohl geschrieben, einem der einflussreichsten Politiker Deutschlands. Wie hat diese Freundschaft deine Sichtweise auf die politische Landschaft und deine Arbeit als Journalist beeinflusst?
Kai Diekmann Hier sollte man zunächst zwischen Freundschaft und politischer Nähe unterscheiden: Als politischer Journalist und stellvertretender Chefredakteur von BILD habe ich natürlich versucht, eine Nähe zu Helmut Kohl herzustellen. Das ist etwas, was Journalisten tun müssen, sie müssen eine Verbindung zu ihren Protagonisten haben. Der Sportchef von BILD braucht zum Beispiel eine Nähe zum Bundestrainer, um vor dem nächsten Länderspiel exklusiv die Aufstellung der Nationalmannschaft veröffentlichen zu können.
Als ich politisch über Helmut Kohl berichtet habe, hatten wir eine gewisse Nähe, aber waren nicht befreundet. Die Freundschaft entstand erst viel später, nämlich nach 1998, als er nicht mehr im Amt war. Von einer Freundschaft würde ich frühestens ab dem Jahr 2002-2003 sprechen. Das war lange nach der Spendenaffäre und dem tragischen Selbstmord seiner Frau. Zu dieser Zeit gab es eine Annäherung zwischen uns, die schließlich zu einer echten Freundschaft führte. Es macht mich sehr stolz, einen Staatsmann wie Helmut Kohl, dem wir nicht nur die deutsche Einheit, sondern auch die europäische Einigung verdanken, meinen Freund nennen zu dürfen. Deshalb hat mich der spätere Umgang mit Helmut Kohl insbesondere während der Spendenaffäre sehr erschüttert. Es war deprimierend zu erleben, wie jemand, der so viel für sein Land erreicht hat und sein ganzes Leben in den Dienst dieses Landes gestellt hat, anschließend schäbig behandelt wurde. Helmut Kohl hatte leider recht: „In Deutschland liegen Hosianna und kreuzigt ihn ganz nah beieinander.“
Ein Schwerpunkt deines Buches liegt auf dem Fall des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Warum hast du dich entschieden, dieses Kapitel besonders zu betonen, und welche neuen Erkenntnisse bringst du in die Diskussion mit ein? Gibt es da neue Erkenntnisse?
Kai Diekmann Ich habe mich damals sehr zurückgehalten, als Christian Wulff sein Buch ‚Ganz oben, ganz unten‘ veröffentlicht hat. Dort legte er unsere Auseinandersetzung ausführlich aus seiner Sicht dar und ich musste feststellen, dass an vielen Stellen die Fakten schlicht verdreht waren. Zum Beispiel behauptete er, es hätte frühzeitig Spannungen zwischen uns gegeben, dass er das Gefühl gehabt hätte, wir hätten ihn als Bundespräsident vereinnahmen wollen und er habe sich daraus befreien wollen. Als leidenschaftlicher Sammler und Archivar habe ich sämtliche Dokumente aus dieser Zeit aufbewahrt, die genau das Gegenteil belegen. Aus ihnen geht hervor, wie oft er meinen Rat suchte, wie oft er das Gespräch mit mir suchte und wie eng und vertrauensvoll unser Verhältnis damals war, bevor es zum Bruch kam. Der Sturz eines Bundespräsidenten in dieser Form war ein einmaliges politisches Ereignis in Deutschland. Die Aufsprache eines Bundespräsidenten auf die Mailbox eines Chefredakteurs, ein Versuch, die Medien einzuschüchtern, hatte es in dieser Form zuvor nicht gegeben. BILD wurde damals für seine Recherche mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet und diese Affäre ist ganz sicherlich noch vielen Lesern in Erinnerung geblieben. Deshalb habe ich meine Perspektive an den Anfang meines Buches gestellt.
Du hast die BILD-Zeitung 16 Jahre lang geleitet und dabei den Journalismus in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Wie hat sich deiner Meinung nach der Journalismus in dieser Zeit verändert und welche Rolle spielt Boulevardjournalismus in der heutigen Medienlandschaft?
Kai Diekmann Wie in nahezu jeder Branche zerstört die Digitalisierung die bislang erfolgreichen Geschäftsmodelle auch in der Medienbranche. Also wir erleben natürlich einen unglaublichen Strukturwandel und das betrifft zunächst einmal die Oberfläche. Als ich als Chefredakteur angefangen habe, hatte die BILD-Zeitung noch eine verkaufte Auflage auf Papier von 4,4 Millionen Exemplaren, heutzutage ist es noch knapp unter einer Million. Das ist schlicht und ergreifend eine Folge der Digitalisierung, die dazu geführt hat, dass Medieninhalte nicht mehr auf Papier konsumiert werden, sondern auf den Bildschirmen der digitalen Endgeräte. Übrigens ist das in anderen Branchen genauso. Niemand käme auf die Idee, den Erfolg von Helene Fischer oder Taylor Swift anhand ihrer verkauften Schallplatten zu messen – das spielt heute keine Rolle mehr. Genauso ist es im Journalismus, wo die Zahl derer, die eine Medienmarke digital nutzen, sei es über Handy, Laptop oder iPad, stetig zunimmt, während diejenigen, die die Zeitung in gedruckter Form kaufen, abnimmt. Dieser Wandel hat die Medienbranche in den letzten zehn Jahren stark geprägt und ich hatte das Glück, diesen Wandel mitzugestalten. Ich durfte ein Jahr im Silicon Valley verbringen und habe dort hautnah miterlebt, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf unseren Alltag, das Fernsehen, die Zeitungen und Zeitschriften hat.
Wir haben seinerzeit die Marke erfolgreich digitalisiert: Im Ergebnis hat BILD heute über alle Plattformen hinweg die höchste Reichweite in ihrer Geschichte. Papier ist ein in seinen Möglichkeiten sehr begrenztes Medium. Der erste Kontakt zur BILD-Zeitung erfolgte früher vielleicht als Lehrling mit 16 Jahren. In meinem Fall war es bei der Bundeswehr mit 19 Jahren. Heutzutage kann BILD potenzielle Nutzer und Leser bereits im zarten Alter von 12 Jahren erreichen, wenn sie sich für Musik oder Sport interessieren und BILD die entsprechenden Social-Media-Plattformen bespielt. Aus meiner Sicht bieten die digitale Welt und digitale Technologien für den Journalismus enorme Chancen, wenn sie richtig eingesetzt werden. Gleichzeitig stellen sie aber auch große Herausforderungen dar. Es gibt keinen festen Redaktionsschluss mehr; wir müssen in Echtzeit berichten. Wie schwierig das sein kann, wurde gerade wieder deutlich, als es um die angebliche Bombardierung eines palästinensischen Krankenhauses im Gazastreifen durch die israelische Armee ging. Viele Medien, die in Echtzeit berichten mussten, übernahmen falsche Informationen. Das ist eine besondere Aufgabenstellung. Die Medien müssen nicht mehr nur einmal am Tag auf einen Redaktionsschluss hinarbeiten, sondern ständig produzieren. Das bedeutet einen völlig anderen Druck in der Produktion.
Was würdest du jungen Menschen sagen, die eine Karriere im Journalismus anstreben, angesichts der sich ständig verändernden Medienlandschaft?
Kai Diekmann Für mich war Journalist zu sein, nie nur Beruf, sondern es war immer Berufung; häufig musste ich mich kneifen um überrascht festzustellen, dass ich für das, was ich so wahnsinnig gerne und leidenschaftlich mache, auch noch so hervorragend bezahlt werde. Es gibt für mich nach wie vor nichts Schöneres als Journalismus – und unabhängiger Journalismus wird jetzt gerade in einer Zeit, in der sich die Protagonisten auf Social Media selbst inszenieren können, immer wichtiger. By the way: Das von mir gegründete Unternehmen „StoryMachine“ tut genau das – nämlich Unternehmen und ihre CEOs in ihrer Selbstdarstellung auf Social Media zu unterstützen. Trotzdem sage ich, es ist wichtig, dass diese Inszenierungen von unabhängigen Journalisten überprüft werden. Gerade Entwicklungen wie ChatGPT und generell Künstliche Intelligenz werden, sofern sie richtig eingesetzt werden, Journalisten bei dieser Aufgabe unterstützen.
Ein spannender Gedanke. Kannst du uns noch etwas Spannendes über deine persönlichen Interessen und Leidenschaften sagen, außerhalb des Journalismus?
Kai Diekmann Ich kann nach wie vor an keiner Geschichte vorbeigehen, und ich fürchte, dass die Chefredakteure sowohl von den Potsdamer Neuesten Nachrichten als auch von der Ostsee Zeitung, wo wir unser zweites Zuhause haben, schon genervt sind, wenn sie wieder meine Nummer auf dem Display sehen, weil ich schon wieder glaube, etwas entdeckt zu haben. Ich lebe heute meinen Drang zu recherchieren gerne auch im privaten Umfeld aus. So wurde es für mich zum Beispiel eine echte Entdeckung, eine wahre Leidenschaft, als wir vor einigen Jahren herausfanden, dass der Komponist von „Hänsel und Gretel“, Engelbert Humperdinck, viel Zeit in unserem Haus auf Usedom, einem Haus aus dem Jahr 1850, verbracht hat, um dort zu arbeiten und zu komponieren. Ich hatte gar nicht gewusst, dass „Hänsel und Gretel“ nach der „Zauberflöte“ die meistgespielte Oper der Welt ist. Die Oper „Hänsel und Gretel“ ist so erfolgreich – und war es vor über 100 Jahren auch schon –, dass das übrige Werk von Engelbert Humperdinck, einem Schüler von Richard Wagner, völlig in Vergessenheit geraten ist. In den letzten Jahren habe ich begonnen, mich in dieses Werk einzuarbeiten, in sein Leben einzutauchen. So ist es mir sogar gelungen, in einem Poesiealbum seiner Schwester, die mit 16 Jahren verstarb und ausgerechnet an seinem 18. Geburtstag beerdigt wurde, eine frühe Komposition von ihm zu finden, die bis dato unbekannt war. Eine Komposition, die er mit 16 Jahren geschrieben hat und die die zweitälteste erhaltene Komposition von ihm überhaupt ist, da sein gesamtes frühes Werk bei einem Dachstuhlbrand vernichtet wurde. Zunächst gingen wir davon aus, dass Humperdinck nur einmal in unserem Haus auf Usedom zu Gast gewesen ist, bis wir seine Musiktagebücher in der Universitätsbibliothek Frankfurt eingesehen haben und feststellten, dass er immer wieder zu uns in die Villa Meeresstern zurückkehrte. Das ein wenig tiefer zu ergründen, was er dort gemacht hat, produziert lustige Einblicke. Zum Beispiel gibt es ein Hotel in Heringsdorf auf Usedom, vor dem ein Schild steht, sinngemäß: „Hier unterbrach Engelbert Humperdinck am soundsovielten eine Kutschfahrt, um einen Kaffee zu trinken.“ Das habe ich dann auch in seinem Musiktagebuch bestätigt gefunden, allerdings mit dem Zusatz: „Der Kaffee war schlecht.“
Aber wäre das nicht ein Anlass für einen Geschichtenerzähler wie dich, wieder ein Buch zu schreiben?
Kai Diekmann Nein, ehrlicherweise nicht.
Vielleicht online?
Kai Diekmann Das muss ich mir mal überlegen – bei Büchern bin ich einfach ein großer Fan des haptischen Erlebnisses. Wenn es um Bücher geht, hat das Buch für mich einen besonderen Wert. Anders als bei Zeitungen ist ein Buch bei uns ein Kulturgut und durch die Buchpreisbindung entsprechend geschützt. Das hat seine Gründe. Ich genieße es, ein echtes Buch in der Hand zu halten. Übrigens habe ich mein Buch auch als Hörbuch selbst eingesprochen. Das war ebenfalls eine großartige Erfahrung – zehn Tage lang, jeweils vier Stunden. Natürlich schwirrt mir das ein oder andere Buchprojekt im Kopf herum, aber jetzt, nachdem ich fast zwei Jahre an „Ich war BILD“ gearbeitet habe, muss ich mir erst einmal eine Pause gönnen.
Super, vielen lieben Dank für deine Offenheit und deine Gedanken.
Ich war BILD: Ein Leben zwischen Schlagzeilen, Staatsaffären und Skandalen
Gebundene Ausgabe, 544 Seiten
Verlag: Deutsche Verlagsanstalt
ISBN 978-3421070135
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