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Roman Schernego
Der Lockdown gilt auch für Ikonen

Den grotesken Kubismus des Hamburger Malers Roman Schernego findet man längst in vielen Privatsammlungen auf der ganzen Welt und in einigen Museen in der ­Ukraine. Jetzt wollte er in seiner neuen Heimat durchstarten – doch dann stoppte ihn das Virus.

Porträtaufnahme von Roman Schernego
Roman Schernego – Der kubistische Maler zeichnet sich durch seinen eigenen expressiven Stil aus.

Corona. Das Wort mag Roman Schernego nicht mehr hören. Abgesehen davon, dass der 55-jährige Maler die Infektion mit nur leichten Krankheitssymptomen glimpflich überstanden hat, sorgte das Virus – wie bei so vielen Künstlerinnen und Künstlern – für Stillstand. Denn am 12. November diesen Jahres wollten sie eigentlich in der Werkstattgalerie von Kappich & Piel in der Lagerstraße seine „Modern Ikons“ auf einer glanzvollen Vernissage präsentieren, der Maler und sein Mäzen Gennadi Rauchmann, einst der Marketing-Manager der Klitschkos. Immerhin: Die „Modern Ikons“ sollen nun spätestens um die Jahreswende im Internet präsentiert werden, die Website wird aktuell noch programmiert.

Diese „Modern Ikons“ sind Roman Schernegos ganz persönliche Heldinnen und Helden, die er Ende der 80er als wehrpflichtiger Marinesoldat auf der sowjetischen Marinebasis in Liepaja im schwedischen Fernsehen sah – Nicole Kidman, Boris Becker, Al Pacino, Jack Nicholson und andere. „Sie wirkten auf mich wie Magnete“, sagt er, dem Gorbatschows „Perestroika“ nicht genügte. Plötzlich will der junge Künstler, der in Taschkent geboren wurde, der schon als Kind lieber Karikaturen zeichnete als sich am Unterricht zu beteiligen und der später im lettischen Riga Malerei studierte, nur noch eins: Er will ­„rübermachen“ in den Westen, um seine Freiheit zu finden. 1995 wagte er die Erfüllung dieses Traums, obwohl er beinahe mittellos in Berlin strandete. „Mir war klar, dass ich rasch meinen eigenen Stil finden musste, um meinen Platz in der Kunstszene zu etablieren. Und die Landschaftsbilder und Stadtansichten, die ich damals malte, um mich über Wasser zu halten, langweilten mich sowieso.“

So entdeckte er im Laufe der Jahre die Meister des Kubismus für sich: Pablo Picasso, Otto Dix, Max Ernst oder Juan Gris, klangvolle Namen, berühmt für ihre Grotesken und Überzeichnungen – und sein Entwicklungsprozess kam nun richtig in Fahrt, vielleicht auch, weil er inzwischen – mit Familie – nach Hamburg gezogen war, raus aus der Hektik Berlins.

Roman Schernego erinnerte sich an die Karikaturen, die er in der Schule gezeichnet hatte. „An diesem Punkt habe ich angesetzt und die Karikaturen in meinen Werken weiterentwickelt, woraus dann der Zyklus der ‚Modernen Ikonen‘ entstanden ist. In der russisch-orthodoxen Kirche stellen Ikonen das Urbild dar“, sagt er, „sie sind die sichtbare Darstellung von etwas, das als nicht sichtbare Wirklichkeit existiert. Doch gemalt werden sie erlebbar und verehrungswürdig. Für die Gläubigen sind Ikonen das Tor zum Himmel, für mich sind sie bis heute auch das Tor zur Freiheit.“ Hier schließt sich wohl der Kreis. Inzwischen hat Roman Schernego ein Dutzend der „Modernen Ikonen“ auf die Leinwand gebracht. Es sind kantige, eckige, leicht überzeichnete Porträts von Berühmtheiten aus Film, Sport und Kultur, denen er – inspiriert von der traditionellen russischen Ikonenmalerei – einen inhaltlichen Rahmen aus zahlreichen Mini-Porträts gibt; derjenigen, die die „Moderne Ikone“ auf ihrem Lebensweg begleiten oder begleitet haben.

Warum aber gerade diese Zwölf? Roman Schernego zuckt mit den Schultern und spricht von einer „Gefühlssache“, die er weder erklären kann noch will. „Ich habe diese Menschen jahrzehntelang in meinen Gedanken und meinem Herzen mit mir herumgetragen, bis ich ihre Leben auf die Leinwand bringen konnte“, sagt er. „Die eckigen Formen und Linien in meinen Porträts empfinde ich dabei wie das menschliche Leben: es hat Kanten, Kurven und Brüche; wir suchen trotzdem nach Harmonie – und früher oder später finden wir sie.“ Die Ausstellung sei jedoch natürlich nicht abgesagt, sondern nur verschoben. „Corona bedingt“, sagt Roman Schernego. Und lächelt bitter.

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