Food & Beverage
Ingo C. Peters
Der Gast hat nicht immer recht.
Herr Peters, 25 Jahre Hoteldirektor in einem Haus das gerade 125-jähriges feiert. Das klingt nach unzähligen zwischenmenschlichen Erlebnissen, das klingt nach Psychologie. Sehen Sie sich selbst als Menschenkenner?
Ingo C. Peters Doch absolut. Ich denke, sonst könnte man diesen Beruf nicht gut ausführen.
Es gibt bei einem Grand Hotel - oder zumindest erwartet man das - den stillen Klassiker: Den vermögenden Privatier. Erkennen Sie diesen sofort bei Betreten des Hauses oder anders gefragt: Gilt auch heute noch „Kleider machen Leute“?
Ingo C. Peters Ich glaube, dass man schon eine sehr hohe Trefferquote dabei hat. Wie jemand reinkommt, wie jemand sich bewegt, wie jemand geht und oft auch daraus, wie sich jemand kleidet. Aber der alte Ausspruch, dass Kleider Leute machen, gilt auch in einem Luxushotel wie unserem nicht mehr so wie früher. Es gibt Gäste, die kommen mit einer Jeans, ein paar Mokassins und einer Jacke ins Haerlin. Die Jeans und das Paar Schuhe - oder sogar Sneakers – sind aber weitaus teurer, als wenn man hier in einem sehr renommierten Herrenausstatter am Jungfernstieg einkaufen würde. Aber das muss man erst einmal erkennen und für sich auch einordnen.
Haben Sie sich denn schon einmal getäuscht?
Ingo C. Peters Natürlich habe auch ich mich schon vertan. Allerdings nicht so oft und je länger man dabei ist, desto seltener vertut man sich. Vor allem muss man immer aufpassen, dass man die Gäste nicht unterschätzt und vor allem nie vom Äußeren. Das passiert manchmal auch, aber man muss da immer sehr am Puls der Zeit bleiben. Lieber jemanden überschätzen als unterschätzen.
Bei der Kategorisierung von Gästen fällt eine Spezies mit nicht zwingend positiver Natur auf: Wichtigtuer, Gäste mit auffallender Anspruchshaltung und die Lauten. Damit meine ich jetzt nicht die Akustik …
Ingo C. Peters Anspruchshaltung ist völlig in Ordnung. Dafür sind wir da, wir sind ein Top-Haus und wir sind daran gewöhnt, den Gästen wirklich alle Wünsche zu erfüllen, so lange die Wünsche legal sind. Es bringt Spaß auch ungewöhnliche Wünsche zu erfüllen und zu sagen: „Wir machen das gerne!“ Von daher ist eine Anspruchshaltung überhaupt kein Problem für uns. Voraussetzung ist natürlich, dass der Gast seine Wünsche auch mitteilt. Insgesamt kann ich wirklich sagen, dass jeder dieser Gästetypen seine Berechtigung hat.
Sind Sie ein Mensch mit großer Selbstbeherrschung und wurden Sie in den 25 Jahren dennoch wütend, vielleicht sogar über Gäste?
Ingo C. Peters Ja, ich bin in der Tat sehr beherrscht. Um mich aus der Fassung zu bringen, da braucht es schon ein bisschen was. Ich habe mich, glaube ich, sehr gut unter Kontrolle. Nichtsdestotrotz gibt es Situationen, die mich wütend machen – auch Gäste. Das erklärt sich auch daraus, dass wir nicht tolerieren, wenn Gäste unsere Mitarbeiter nicht ordentlich behandeln oder gar beleidigen. Egal wie viel Umsatz hier im Haus mit dem Gast gemacht wird. Da haben wir auch schon das eine oder andere Hausverbot ausgesprochen. Ein unangemessenes Verhalten wird bei mir nicht toleriert.
Der Hamburger an sich, und natürlich auch die Hamburgerin, beanspruchen das Grand Hotel auch ein bisschen als ihr Eigenes, eben weil es ihr Hamburg repräsentiert. Hat der Hanseat noch eine zusätzliche Haltung?
Ingo C. Peters Absolut. Der Hanseat, und das empfinde ich als sehr positiv, hat oft den Anspruch, dass das Vier Jahreszeiten sein Wohnzimmer ist. Und das Verrücken einer Lampe wird dann auch kommentiert und hinterfragt. Aber das ist positiv zu bewerten, da man daran sieht, dass die Hamburger sich mit dem Hotel identifizieren und das ist eine schöne Sache. Und bis jetzt war es immer so, auch wenn für einige Gäste Veränderungen schwierig zu akzeptieren sind, dass wir letztendlich eine positive Rückmeldung erhalten haben. Von daher finde ich es ganz schön, dass diese Anspruchshaltung der Hamburger da ist.
Für viele ist das Vier Jahreszeiten eine Hamburgensie, wie der Michel, die Elbphilharmonie, der HSV oder St. Pauli.
Ingo C. Peters Ja, ich denke das ist es auch. Was Sie nicht vergessen dürfen, ganz viele Hamburger haben eine sehr persönliche Beziehung zum Haus. Vielleicht haben die Eltern oder sie selbst hier geheiratet, die Tauffeier wurde durch uns ausgerichtet oder runde Geburtstage bei uns gefeiert. Viele haben hier mal ein Praktikum oder sogar eine Ausbildung gemacht. Die Berührungspunkte sind also extrem vielfältig. All das schafft eine große emotionale Bindung zum Vier Jahreszeiten.
Sie haben hier als Page angefangen und sind seit 25 Jahren als geschäftsführender Hoteldirektor diesem Hause treu. Inwieweit hat sich der Gast in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Der Gast hat sich sehr geändert. Zum einen rein äußerlich. Das hängt auch damit zusammen, dass die Gesellschaft heutzutage viel toleranter ist. Zu der Zeit als ich hier meine Ausbildung gemacht habe, gab es hauptsächlich den Anzug mit Krawatte. Aber selbst als ich zurück kam, 1997, war es noch üblich, dass im Haerlin Anzug und Krawatte getragen wurde. Oder zumindest eine Kombination. Wir hatten damals von Größe 48 bis Größe 56 blaue Blazer parat hängen und Krawatten in verschiedenen Schattierungen und Mustern. Wenn jemand ohne Blazer oder ohne Krawatte kam, haben wir ganz nett das fehlende Kleidungsstück rübergereicht. Das ist heute natürlich nicht mehr so.
Aber auch die Anspruchshaltung hat sich verändert. Der Gast ist heute viel anspruchsvoller, als er es früher war. Vor allem muss es heute schneller gehen. Die Zeit ist schnelllebiger geworden. Ein vorhandener Wunsch muss quasi sofort erfüllt werden.
Infiziert Sie das oder sind Sie ein geduldiger Mensch?
Ingo C. Peters Ich bin geduldig, aber wir sind immer dabei uns auch sofort wieder anzupassen. Ich habe den Anspruch, dass wir jeden Tag jede Serviceleistung wieder auf den Prüfstand stellen. Wir prüfen, was heute noch zeitgemäß ist. Wo müssen wir uns verbessern und was müssen wir anders machen. Wir müssen und wir möchten uns auf die Bedürfnisse der Gäste einstellen und anpassen. Dass wir das, was sie gerne hätten und sich als Service vorstellen, liefern können. Und das mit einer angenehmen Leichtigkeit.
Ganz nach oben zu kommen ist sehr schwierig. Aber oben zu bleiben ist viel schwieriger. Das kann man gut mit erfolgreichen Fußballvereinen vergleichen. Wie viele Clubs sind Deutscher Meister geworden und dann in der nächsten Saison ins Mittelfeld abgerutscht oder sogar abgestiegen. Es gibt kaum Vereine – und ich bin kein Bayern München-Fan – aber dieser Verein ist immer ganz weit vorne mit dabei und das in Deutschland und in Europa. Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Den muss man sich hart erarbeiten. Und das ist auch genau das, was wir tun. In dem Augenblick in dem wir sagen würden: „Wir sind die Besten und die Schönsten“, wäre es schon vorbei. Der Erfolg von heute, ist der Schnee von gestern. Ich bin nur so gut wie die letzte Suppe, die ich gekocht habe.
Ein Top-Haus mit top Leistungen, in dem es eigentlich nichts zu bemängeln gibt. Trotzdem gibt es Nörgler und Beschwerdeleute, die es von Haus aus sind. Wie gehen Sie mit diesen um?
Ingo C. Peters Ja, das muss man verstehen. Es gibt auch Stammgäste, die sind einfach nicht glücklich, wenn Sie nicht irgendetwas zu meckern haben. Das hat nichts mit dem Hotel zu tun. Sie müssen einfach etwas zu meckern haben. Dieses Nörgeln gehört für viele einfach dazu, man kann fast sagen, dass es in der Natur des Menschen liegt. Ich bin ja nun ein ganz anderer Typ, denn ich bin der geborene Optimist. Wenn ich aufstehe, dann freue ich mich schon auf den Tag. Ich sehe das Glas Wasser tatsächlich immer als halb voll und niemals als halb leer an. Ich sage immer, das schaffen wir, das bekommen wir hin.
Aber es gibt eben auch Leute die gerne pessimistisch ans Leben rangehen und die haben überall etwas auszusetzen. Den Umgang mit den Pessimisten muss man lernen. Ganz früher, als ich meine erste Hoteldirektorenstellung in Asien hatte, da kamen Gäste und sagten zu mir, dass hier alles schlecht ist und sie nicht wiederkommen würden. Dann kamen diese Gäste im nächsten Jahr wieder. Und dann hab ich es so langsam verstanden. Darüber ärgere ich mich nicht.
Aber man muss aufpassen und darf nie nachlässig werden. Man muss jeder Sache auf den Grund gehen und prüfen, ob da etwas dran ist oder eben nicht.
Es erreicht Sie eine Beschwerde über einen Mitarbeiter und diese ist nicht gerechtfertigt. Hat der Gast trotzdem immer Recht?
Ingo C. Peters Nein, der Gast hat nicht immer recht. Wenn eine Beschwerde über einen Mitarbeiter kommt, werde ich auf keinen Fall - egal wie gut ich auch den Gast kenne - ungeprüft zum Mitarbeiter sagen: „Was hast du hier gemacht!“ Ich gehe der Sache immer erst einmal auf den Grund. Frage genau nach und frage natürlich auch den Mitarbeiter, was vorgefallen ist. Und ich kann sagen, dass in mehr als der Hälfte der Fälle, das Geschehene nicht korrekt vom Gast wiedergegeben wurde. Oft ist die Wahrheit irgendwo in der Mitte, aber ich gehe der Sache immer auf den Grund. Das hatte ich mir immer schon zur Maxime gemacht und daran halte ich mich uneingeschränkt.
Wir hatten Mal einen Vorfall kurz vor Weihnachten. Eine sehr heftige Beschwerde erreichte mich und mein Gefühl sagte mir, dass da etwas nicht stimmt. Es war eine aneinander Reihung von Sachverhalten, die nicht plausibel waren. Ich habe den Gast angerufen und nach einiger Zeit begann der Gast auch mich zu beleidigen. Ich legte ihm Nahe, sich ein anderes Hotel zu suchen, da wir das, was er offenbar haben möchten, unsererseits nicht leisten können. Ich hatte alles notiert, mich höflich verabschiedet und gesagt, dass das Gespräch beendet ist. Da war der Gast dann ziemlich perplex. So eine Situation ist allerdings die absolute Ausnahme. Aber es passiert schon ab und zu und dann muss man auch konsequent sein. Vor 20 Jahren habe ich mir auch in solchen Situationen gesagt, dass der Kunde immer König ist. Aber da habe ich meine Meinung geändert. Man muss sich nicht alles gefallen lassen und hat auch seinen Mitarbeitern gegenüber eine Fürsorgepflicht. Das darf man nie aus den Augen verlieren.
Das Haus hat 300 Mitarbeiter und eine große Fluktuation ist nicht bekannt. Ist das Betriebsklima top?
Ingo C. Peters Ich würde sagen, ja. Wir lassen regelmäßig eine Mitarbeiterumfrage durchführen. Die letzte haben wir ganz aktuell mit 93 % Zufriedenheit abgeschlossen. Damit sind wir das beste Haus in ganz Europa unter allen unseren Konkurrenten.
Das Thema Influencer ist ein Phänomen der letzten Jahre. Sehr viel wird über die sozialen Medien in Form von Bewertungen kolportiert und das vor allem in den Bereichen Gastronomie und Hotellerie. Wie gehen Sie damit um?
Ingo C. Peters Das ist in der Tat ein Bereich, in dem man ein gewisses Fingerspitzengefühl benötigt. Für uns relevant sind natürlich die Bewertungen, die über die klassischen Portale stattfinden.
In den letzten Jahren bekommen aber auch meinungsstarke Influencer eine immer größer werdende Relevanz. Wobei wir da eine klare Richtlinie verfolgen, denn wir erleben es in diesem Zusammenhang auch, dass Influencer zu uns kommen und sagen, dass sie beispielsweise zwei Millionen Follower haben und jetzt gerne mal eine Woche kostenlos in unserem Hause wohnen möchten.
Das stimmt. Es gibt Influencer die letztendlich auf Grundlage der Berichterstattung und derer großen Followerzahl PR verkaufen und es gibt Influencer, die alles Mögliche bewerten und vielleicht auch bestimmte Forderung stellen. Wie reagieren Sie auf Letzteres?
Ingo C. Peters Da sind wir ganz relaxt. Jeder kann sich hier einbuchen und natürlich haben wir auch Presseraten, wenn jemand ein Bericht über unser Haus machen möchte. Wir sind aber generell nicht die, die Personen einladen und ein Geschäft daraus machen, für unsere Leistung im Gegenzug einen positiven Bericht zu erwarten. So etwas machen wir nicht.
In unserem Hotel haben wir um die 40.000 Übernachtungen und wenn unter diesen Gästen dann ein oder zwei Personen sind, die etwas Negatives schreiben möchten, dann ist das so. Andere (zukünftige) Gäste werden sich den Bericht durchlesen oder auch anschauen und im Normalfall hinterfragen, ob das wirklich alles so den Tatsachen entspricht. Wir sind von unserem Produkt überzeugt, für das wir jeden Tag immer unser Bestes geben.
Dann wünschen wir Ihnen für die nächsten 25 Jahre weitere 93 % Zufriedenheit!
Kommentare
Kommentar von Karina Obermayer |
Sehr geehrter Herr Peters
Sie machen einen sehr kostbaren Job.
Unsere Tochter Stefanie wird die Zeit in ihrem Hotel als Mitarbeiterin nie vergessen.
Wer weiß, vielleicht kommt sie eines Tages zurück.
Herzliche Grüße und alles Liebe
Karina U.Johann Obermayer
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