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John Ment
Das Gesicht von Radio Hamburg
Du kannst auf mehr als drei Jahrzehnte beeindruckende Lebensleistung bei “Radio Hamburg” zurückblicken und gibst dem Sender ein unverwechselbares Profil. Wie bist du zum Radio gekommen?
John Ment In erster Linie durch meinen Vater, Jo Ment. Er hat selber mit einem eigenen Orchester Platten produziert, war 40 Jahre Musiker in der Bigband des NDR und 20 Jahre mit dem Orchester James Last auf Tour. Und das immer mit seinem Instrument, dem Bandoneon. Durch ihn habe ich die große weite Welt des Show-Business kennengelernt. Mir war schnell klar, da möchte ich auch hin!
Viele Promis treffen, Spaß haben und das Ganze natürlich in Verbindung mit Musik. Ich liebe Musik, sie ist immer um mich herum. Als Musiker, genauer gesagt Bassist, war ich aber nicht gut genug. Und da ich „Darstellendes Spiel“ schon in der Schule geliebt habe, war meine Rechnung ganz einfach: Theater + Musik + Spaß = Radiomoderator! Ein Freund meines Vaters arbeitete bei Radio Bremen 1, der Hansawelle. Bei ihm durfte ich 1984 eine Probesendung aufzeichnen, die natürlich nie gesendet wurde. Aber die „Sendung“ gefiel den Verantwortlichen und so hatte ich bald meine erste Live-Radio-Show am Nachmittag. Mit Mitschnitten dieser Show habe ich mich dann 1986 bei Radio Hamburg beworben, dem ersten Privatsender der Stadt. Allerdings wurde ich zunächst abgelehnt. Die Begründung, dass ich nicht ins Konzept passe, konnte und wollte ich als 22-jähriger nicht auf mir sitzen lassen. Also habe ich eine zweite, kopfschüttelnde Bewerbung hinterhergejagt und ich wurde tatsächlich eingeladen. Hartnäckigkeit hat sich auch schon damals ausgezahlt und meine Rechnung ist schlussendlich aufgegangen. Der Rest ist Morning-Show!
Du hast dir den Satz auf die Fahne geschrieben: „Wenn du deine Arbeit liebst, musst du nie wieder arbeiten.“. Wie findet man seine Passion und noch viel spannender: Wie hält man diese ein Leben lang aufrecht?
John Ment Bei mir war und ist das ganz einfach: Ich mache einfach das, was ich am besten kann. Wer gerne Mathe mag und zahlenaffin ist, landet vielleicht bei einer Bank. Ich inszeniere gerne im Radio. Wir Radiomoderatoren haben drei Elemente, mit denen wir unsere eigenen Star-Regisseure sein dürfen: Stimme, Musik, Geräusche! Diese drei Bestandteile immer wieder zu einem kleinen „Film“ zusammenzufügen, das ist echtes Radio und das macht großen Spaß! Ich liebe die deutsche Sprache und habe unfassbar viel Freude an Wortspielen, die ich gerne liebevoll vorbereite. Hinzu kommt, dass der Radioalltag extrem abwechslungsreich ist. Die Inhalte meiner Morning-Show ergeben sich zu einem großen Teil aus den aktuellen Ereignissen. Die Aktualität, das Aufgreifen von Themen, die den Morgen spannend machen und das Finden immer neuer Zugänge zum Ereignis – das ist schon ein ganz besonderer Arbeitsalltag. Zumal ich nicht alleine im Studio sitze. Mit meinen beiden Partnern Luca und Stübi liefern wir dem Hörer oft kontroverse Diskussionen. Ganz wichtig dabei ist das Zuhören. Zuhören, was der andere meint und keine Fragenkataloge abhaken. Das macht Spaß, beleuchtet aktuelle Ereignisse von vielen Seiten und bringt auch mal eine neue Einsicht.
Und last but not least trage ich auch Sorge dafür, dass in unserer Morning-Show die Präsentation der Vielfalt, also der Hits, stimmt. Auch das ist spannend - jeden Morgen immer wieder Neues aus dem Leben der Megastars zu berichten.
Das klingt nach einem kreativen Prozess. Die “Radio Hamburg - Morning-Show” ist die seit Jahren meistgehörte Morgensendung der Hansestadt, daraus ergibt sich doch bestimmt auch ein gewisser Leistungsdruck. Gibt es ein größeres Team, das dir zuarbeitet?
John Ment Im Wesentlichen sind drei Leute an der Vorbereitung der Show beteiligt – tagsüber zwei und am Morgen unser „Showregisseur“ Andre. Ich bereite mich vor, in dem ich ganz viel lese. Printzeitungen und natürlich auch Online. Ich speichere Erlebtes aus dem Alltag. Maßstab ist für mich immer die Relevanz aus Zuhörersicht. Was ist für den Hörer zu der Zeit, zu der er uns einschaltet, nämlich am Morgen, relevant? Das ist die Grundlage meiner Vorbereitung. Viel entsteht auch spontan während der Sendung, wenn uns Hörer aktiv anrufen oder uns WhatsApps schreiben.
Seid ihr dann bei der Nachrichtenaufbereitung völlig frei oder zensiert der Sender Nachrichten für eure Hörer?
John Ment Nein, der Sender zensiert gar nicht. Unsere Aufgabe ist es, Nachrichten kurz und kompakt zu präsentieren. Dabei achten wir darauf, dass dies mit dem gebündelten Extrakt des Wichtigsten und einer hilfreichen, kurzen Einordnung geschieht. Das macht unser Nachrichtenchef Rainer Hirsch so gut wie kein Zweiter!
Radio ist nach wie vor ein Massenmedium mit besonderen und einzigartigen Charakteristika. Wieso hören die Menschen deiner Meinung nach so gerne Radio?
John Ment Radio ist Heimat, Stimmen sind Heimat. Als damals die Kassette kam, wurde das Radio totgesagt, da sich jeder sein Programm selbst zusammenstellen kann. Die ganzen Streamingportale sind nichts anderes als eine Art moderne Kassette und das Radio besteht auch heute sehr gut weiter. Denn eine Kassette spricht nicht mit dir! Radio nimmt dich in den Arm, vermittelt Gefühle, bildet deine Meinung ab oder du reibst dich an einer anderen Meinung. Du erfährst, ob die Welt vor deiner Haustür noch in Ordnung ist. Dieses spezielle Lebensgefühl kann nur Radio!
Stimmt, das Radio spiegelt viele unterschiedliche Emotionen wider. Aber zur Erfolgsgeschichte vom Radio gehört sicherlich auch die stetige Veränderung. Inwieweit muss sich ein Moderator den Veränderungen anpassen?
John Ment Meine Hörer entwickeln sich weiter, jeden Tag, und das mache ich als Mensch und Moderator unweigerlich auch. Dazu erfordern aktuelle Ereignisse, wie zuletzt Corona, natürlich auch Veränderungen in der Show. Plötzlich wird das gesprochene Wort noch relevanter bei einem Sender, der eigentlich ein Musiksender ist. Wir schaffen dann Platz für unseren Bürgermeister oder unseren Schulsenator, der dann eine Stunde ohne Musik die Fragen unserer Hörer beantwortet. Da muss sich die Sendung den Veränderungen anpassen und damit automatisch auch ich als Moderator. Genau das sind dann aber auch die wundervollen Herausforderungen. Das gleiche gilt auch für Live-Situationen. Da musst du einfach aus deiner „Komfort-Zone“ rauskommen. Ich stelle dabei fest, dass sich meine Sendung vor zwei Jahren anders angehört hat als heute und in zwei weiteren Jahren sicher auch wieder eine andere Farbe haben wird.
Der langfristige Sendungserfolg ist auch einer kontinuierlichen Hörerbindung zu verdanken. Wie schaffst du es, genau diese Bindung zu jungen und älteren Hörern gleichermaßen aufzubauen und dann eben auch zu halten?
John Ment Das Geheimnis könnte sein, dass ich meine Hörer in mein Leben lasse. Die älteren Hörer schalten mich ein, die jüngeren Hörer hören dann mit und merken vielleicht: „Oh, der Moderator ist ja interessant. Und ehrlich zu mir!“. Ich verkaufe meinem Hörer nichts, ich rede mit ihm. Mein Hörer nimmt an meinen Fehlern ebenso teil, wie an meinen Erfolgen oder Misserfolgen. Ich lasse meinen Hörer immer in mein Privatleben schauen, wenn es thematisch passt oder es eine Geschichte zu erzählen gibt. Und da ich immer offen und ehrlich, auch über sehr persönliches in der Sendung rede, öffnen sich auch die Hörer und vertrauen sich mir „on air“ an. Mein Hörer weiß von mir fast alles – wie bei einem besten Freund. Dieses Vertrauen zwischen mir und dem Hörer verbindet.
Ich erzähle was mir im Alltag passiert. Das sind oft nur kleine Geschichten, wie zum Beispiel als ich meine kurze Hose nach langer Zeit aus dem Kleiderschrank geholt und in der linken Hosentasche einen 20-Euro-Schein gefunden hatte. Ich erzählte mein Erlebnis am Morgen und endete mit dem Aufruf: „Schaut doch mal schnell nach in EUREN kurzen Hosen – vielleicht habt ihr ja auch diesen Glücksmoment!“. Ein persönliches Erlebnis braucht nicht immer eine große Showtreppe.
Eine andere Geschichte habe ich mit meinem Freund Frank in Paris erlebt. Wir überquerten einen Zebrastreifen und während ich links schwenke, übersehe ich eine Bettlerin am Wegesrand und kicke mit dem linken Fuß ihren vor sich aufgestellten Plastikbecher mit Münzen weg. Die Münzen flogen durch die Gegend und verteilten sich auf dem Gehweg. Die arme Frau war ja eh schon am Boden und dann auch noch die Hamburger Kartoffel, die ihren Becher unabsichtlich umkickt. Schnell die Münzen wieder eingesammelt und schnell noch was dazu gespendet. Diese Story habe ich ehrlich erzählt und unsere Hörer gefragt, was sie selbst schon peinliches erlebt haben. Und auch das ist ganz sicher eine Bindung zwischen meinem Hörer und mir, der sich öffnet nachdem ich mich auch geöffnet habe.
Und welche Themen bewegen deine Hörer im Sendegebiet derzeit?
John Ment Das ändert sich täglich. Über allem schweben momentan die Geschehnisse in der Ukraine und die damit verbundenen Folgen und natürlich ist Corona immer noch ein Thema. Jeden Morgen um 4 Uhr 30, wenn wir uns im Sender treffen, überlegen wir was heute besonders wichtig ist. Welche Aspekte müssen wir beleuchten und wie können wir das am besten in unserer Morning-Show abbilden. Reichen die Nachrichten aus oder müssen wir neue Fenster aufmachen – dafür vielleicht geplante Ideen rausschmeißen?
Es gibt aber auch zeitlose Klassiker. Das ist zum einen alles rund um das Thema Geld und Sparen und Haustiere spielen in unserer Hörerschaft eine große Rolle. Immerhin hat jeder zweite Hörer ein eigenes Haustier. Da haben wir sicher ein gutes Gespür in den vielen Jahren für entwickelt.
Das sind dann ja tatsächlich tendenziell ernste Themen. Die „Morning-Show“ besticht aber auch durch Sprachwitz und viel Humor. Hat sich letzterer denn in den vergangenen Jahren bei den Zuhörern gewandelt?
John Ment Der „Oneliner“ ist tot – es lebe der Humor, der sich in einem Gespräch entwickelt, möglichst spontan. Was nach wie vor super funktioniert, ist produzierte Comedy mit klaren Rollenverteilungen – da ist unsere Comedy „Guten Quatsch Hamburg“ ganz vorne mit dabei und zwar jeden Morgen um 7 Uhr 17.
Gibt es im Radio – oder vielleicht auch speziell für die „Morning-Show“ – absolute No-Go‘s?
John Ment Da fallen mir spontan Überheblichkeit und Besserwisserei ein. Außerdem sind Wörter wie „müssen“, „sollen“ oder „dürfen“ eher auf dem Index. Diese Worte sind meist negativ behaftet. Auch sonst achten wir auf eine positive Sprache, wie zum Beispiel, dass wir nicht „nur 3 Grad“, sondern „immerhin 3 Grad“ haben. Unsere Hörer sollen gut in den Morgen kommen. Wichtig ist, dass ich alles was ich sage auch meine und fühle. Der Hörer merkt unterschwellig, wenn Du ihm nur etwas „verkaufen“ willst. Ansonsten sind bei uns Parolen, Rassismus und Sexismus natürlich ein absolutes No-Go.
Ein No-Go als Radiomoderator ist doch aber bestimmt auch Sprachlosigkeit, oder? Gab es schon mal die Situation, dass du in einer Sendung sprachlos warst?
John Ment Ja, die Situation gab es. Als uns 2017 in der Show verraten wurde, dass wir für den „Deutschen Radiopreis“ als „Beste Morgensendung“ nominiert sind und dazu noch meine Nominierung als „Bester Moderator“. Erstere haben wir dann gewonnen, zweitere ging an Wolfgang Leikermoser von „Antenne Bayern“. Da war ich sprachlos von so viel Ehre.
Wie wichtig sind Familie und Freunde für dich?
John Ment Familie und Freunde sind für mich einer der Hauptgründe, jeden Morgen Vollgasfraktion zu sein! Wenn ich weiß, dass mein Sohn Liam seinem Vater am Morgen zuhört oder meine Freundin Nicola ihrem Freund, dann ist das für mich ein besonderer Ansporn.
Zuhause kann ich mich fallen lassen. Nicola hält mir den Rücken frei. Und wenn mein Sohn mit seiner Freundin bei uns übernachtet und wir am nächsten Morgen zusammen frühstücken, ist für mich die Welt in Ordnung. Meine Freunde kennen meine Tagesabläufe in der Woche und wissen, dass sich mein Leben dann hauptsächlich am Wochenende abspielt.
Wo trifft man dich außerhalb des Senders und was liebst du an Hamburg?
John Ment Zweimal in der Woche trainiere ich mit Freunden junge Fußballer beim TSV DUWO 08. Im Wohldorfer Wald bin ich täglich beim Laufen anzutreffen. Außerdem genieße ich die große Restaurantvielfalt Hamburgs. Ich liebe das Steakrestaurant „MASH“ in der Großen Elbstraße genauso wie das Restaurant Lenz in Duvenstedt oder das Sushi im „Stock`s“ in Poppenbüttel.
Ansonsten liebe ich das „Moin“, das jeder Hamburger freundlich auf den Lippen hat, die „Elphi“ und die City zum Shoppen.
Welche Ziele hast du dir noch gesteckt bzw. was wünschst du dir für deine Zukunft?
John Ment Ich möchte gerne weiterhin bei Radio Hamburg die „Morning-Show“ moderieren. Mit all ihren wunderbaren Facetten – dann bin ich glücklich. Und wenn mal Schluss ist mit Radio, mein Sohn seine Familie hat und glücklich ist, dann möchte ich mit meiner Freundin in Gersau (Schweiz) ganz entspannt in meinem Schaukelstuhl – Decke über den Knien und ein dampfender Milchkaffee in den Händen haltend – sitzen. Und im Hintergrund läuft natürlich das Radio.
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