Hamburg Hilft
Hadi Teherani
Architektur macht bessere Menschen
Veröffentlicht
Autor
Gunnar Henke
Fotos
Roger Brandt, Tobias Ladehoff
Wie sind Ihre Erinnerungen an die Zeit, bevor Sie Architekt geworden sind? Spielt Ihre Vergangenheit und Ihre Kindheit eine Rolle für die Gegenwart?
Hadi Teherani Die Kindheit spielt natürlich immer eine große Rolle. So, wie man aufwächst, prägen einen viele Dinge, die sich im späteren Leben dann fortsetzen. Für mich waren das vor allem zwei Dinge: 1960 bin ich als 6 jähriger nach Deutschland gekommen und musste erst einmal Deutsch lernen. Damals haben wir bereits an der Alster in der Nähe einer Moschee gewohnt. Dort hatte ich direkt die ersten schlimmen Erlebnisse während der großen Sturmflut; das ganze Haus stand unter Wasser. Trotzdem hat es mich wieder dorthin zurückgezogen, dort wohne ich heute noch. Was mich noch geprägt hat war, dass ich hier in Hamburg viele Schulen besucht habe. Zu der Zeit waren Ausländer in Deutschland eher selten. Und als Perser wurde ich schnell als „Teppichhändler“ abgestempelt. Das hat mich sehr geprägt. Ich hatte schon immer einen guten Geschäftssinn, wollte aber nie einen Laden haben. Dann wären die Vorurteile meiner damaligen Mitschüler vielleicht Wahrheit geworden. Das war einer der Gründe, warum ich mich für ein Architekturstudium entschieden habe. Als Architekt kann ich mehr Dinge erschaffen, als im kaufmännischen Bereich.
Nachdem Sie Architektur studiert hatten, haben Sie Ihren beruflichen Werdegang als Modedesigner begonnen.
Hadi Teherani Zuerst habe ich nach dem Abitur Architektur studiert. Nach dem Studium bin ich dann nach Köln gegangen, wo ich meinen ersten Job hatte. Nach 3 Jahren habe ich mich dann selbstständig gemacht und parallel habe ich mich dem Bereich Mode zugewandt und dann auch erste eigene Kollektionen entworfen.
In einem klassischen Architekturstudium beschäftigt man sich eigentlich nicht mit Kleiderstoffen. Wie kam es also dazu?
Hadi Teherani Der Bauhaus-Stil hat mich immer schon begeistert, bei dem die Architekten alles selbst gemacht haben, Möbel, Mode bis hin zur Architektur. Zwischen diesen Disziplinen gab es für mich nie eine scharfe Trennung. Ich hatte immer schon den Traum vom ganzheitlichen Arbeiten – den Traum, Architekt zu sein, der auch Mode und Produkte entwirft. Nicht viele Kollegen arbeiten im ganzheitlichen Schöpfen und Entwerfen.
Sie haben den Bürostuhl „Silver“ herausgebracht. War das der Auslöser, Produkte zu entwerfen?
Hadi Teherani Für mich ist es so, dass alle Disziplinen ineinander fließen sollen. Wenn du wirklich ein Architekt mit einer Passion bist, dann versuchst du natürlich auch, Objekte neu zu entwerfen. Wenn du ein Produkt wie den Bürostuhl „Silver“ entworfen hast und er den Menschen gefällt, wird er wo möglich 10 bis 20 Jahre lang verkauft werden. Das ist ein tolles Gefühl.
Die Architektur ist, wenn man es mit anderen kreativen Disziplinen vergleicht, eine beständige und stadtprägende Kreation. Die Sichtbarkeit des Designs einer Flasche oder eines Löffel ist im Vergleich längst nicht so groß. Muss man sich in der Architektur anders in die Menschen hineindenken und überlegen Sie, wie sie wohnen und leben möchten? Was sind in dieser Hinsicht Ihre Maßstäbe?
Hadi Teherani Ich setzte für mich die höchsten Maßstäbe an. Und wenn etwas für mich gut ist, ist es auch für andere gut. So habe ich auch immer meine Büros entworfen. Meinen Mitarbeitern soll es genauso gut gehen, wie mir. Genauso, wie ich leben möchte, was ich morgens sehen möchte, wo ich hereintrete, so soll es auch für die Menschen um mich herum sein. Und so entwerfen wir auch die großen Bauprojekte für die Bauherren. Wenn ich ein großes Bürohaus plane, dann denke ich darüber nach, dass ich auch die abgelegendsten Einheiten so entwerfe, dass ich mich dort auch wohlfühlen würde.
Kann uns gute Architektur zu besseren Menschen machen? Dieser Wohlfühlfaktor, der für Sie wichtig ist und den Sie auf andere Menschen projizieren möchten, hat ja etwas mit dem gesamten Wohlbefinden zu tun und mit der allgemeinen Produktivität des Menschen.
Hadi Teherani Eine gute Energie macht Menschen produktiver und besser. Und Architektur, Räume, Möbel und Produkte haben alle eine Energie, die auf uns einwirkt. Wenn diese Komponenten harmonieren, fühlen wir uns wohl, wir werden auch leistungsfähiger und bleiben gesünder. Das hat natürlich viele Gründe, die hier zusammenspielen wie das Licht, Proportionen und Materialien. Jedes Material hat eine eigene Ausstrahlung und Temperatur. Eine Betonwand hat eine andere Ausstrahlung als eine geputzte oder eine tapezierte Wand. Diese Möglichkeiten kann man als Architekt sehr gut einsetzen, um die höchstmögliche Behaglichkeit zu erreichen.
Sie kommen viel in der Welt herum, Sie sind in Dubai, in Teheran, in Hamburg. Sie fühlen sich in vielen Städten wohl und hier in Hamburg sind Sie heimisch. Welche Stadt ist für Sie die schönste aus Sicht des Architekten?
Hadi Teherani Wichtig ist für mich Harmonie. Hamburg hat etwas Bestechendes und ist sehr komfortabel. In Hamburg hat man kurze Wege, ist nah am Flughafen und hat die Natur in der Stadt und die Perspektiven der Gebäude. Man hat hier keine großen Bausünden begangen, weil man eigentlich immer umsichtig war, wenn etwas Neues entstanden ist. Um dauerhaft hier zu bleiben, wäre es mir allerdings ein bisschen zu klein. Aber Hamburg ist eben die komfortabelste Großstadt, die ich kenne. Daher fahre ich zwar gerne auch mal weg, komme aber immer gerne hierher zurück.
Hamburg baut an jeder Ecke und Kräne bestimmen das Stadtbild. Was ist aus Ihrer Sicht das bedeutendste Projekt der Metropole?
Hadi Teherani Das bedeutendste Projekt Hamburgs ist natürlich uneingeschränkt die Elbphilharmonie.
Es gibt Stimmen, die sagen, dass die Hafencity nicht gut konzipiert ist und dass beim Erschließen des neuen Stadtteils viele Fehler gemacht wurden. Der Hamburger sitzt bekanntlich gerne am Wasser. Fährt man allerdings durch die Hafencity, sieht man kaum etwas vom Wasser. Die erste Sichtlinie ist fast komplett mit Bürogebäuden, der Uni etc. zugebaut. Warum passiert so was?
Hadi Teherani Das kann man so nicht ganz sagen. Es gibt Bereiche in der Hafencity am Wasser, wo es auch Cafés und Restaurants gibt. Es ist zwar nicht die Elbe und es fahren keine großen Schiffe vorbei, aber es ist ein Elbfluss. Es gibt natürlich Dinge, die man hätte besser machen können.
Der Tourismus ist Hamburgs Einnahmequelle Nr. 1. Wenn man denn einen neuen Stadtteil konzipiert, ist es dann nicht die Pflicht und die Aufgabe, auch touristisch die Architektur so zu planen, dass diese funktional sein kann in Kombination mit Wohnen?
Hadi Teherani Natürlich ist dies das Ziel. Diejenigen, die es geplant haben, würden nicht gern zugeben, dass sie keine gute Arbeit geleistet haben. Nachdem ich die Hafencity als „Würfelhusten“ bezeichnet habe, bekam ich dort keinen Auftrag. Zum Beispiel der Kaiserkai, der Boulevard, der zur Elbphilharmonie führt. Dorthin kommen alle Touristen, da hätte keine Straße sein dürfen. Man hätte es so anlegen müssen, wie ich es im Rheinauhafen von Köln gebaut habe. Eine unterirdische Straße, die in ein Parkhaus führt. Und obendrauf dann die Flanierzone für die Fußgänger mit Geschäften. Auch die Gehwege sind viel zu schmal, die Straße kann man nicht optimal nutzen und parken kann man dort auch nicht. Das hätte ganz anders aussehen können. Man kann den Planern höchstens zu Gute halten, das sie den Städtebau schon vorher konzipiert hatten, bevor die Entscheidung für die Elbphilharmonie gefallen ist.
Sehr geehrter Herr Teherani, wir danken Ihnen für dieses Interview.
Online haditeherani.com
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